Raiffeisen-Chef sagt Adieu in Superlativen

Scheidender CEO sieht krisengeschüttelte Schweizer Genossenschaftsbank in hervorragender Verfassung

Raiffeisen-Chef sagt Adieu in Superlativen

dz Zürich – Die Raiffeisen Bank sorgt in der Schweiz seit mehr als einem Jahr für Negativschlagzeilen. Daran ändert auch der Umstand wenig, dass das Genossenschaftsinstitut eigentlich gute Zahlen vorweisen kann. Für den CEO Patrik Gisel wirtschaftet das Institut sogar “überaus erfolgreich” zumal im letzten Jahr seines Wirkens. Auf einer Telefonkonferenz für Journalisten verwies der Manager auf “die anhaltende Ertragsstärke und die positive Entwicklung im Hypothekargeschäft”, in dem die Bank mit einem Anteil von über 17 % führend ist im Schweizer Markt. Dennoch wird Gisel Ende des Jahres seinen Posten räumen müssen. Es tue schon weh, eine so erfolgreiche und gute Gruppe verlassen zu müssen, räumte Gisel ein. Er habe sich zum Rücktritt entschlossen, um das Institut vor einem weiteren Reputationsverlust zu schützen, begründete Gisel den Schritt. Gisel war im März 2016 als Nachfolge des langjährigen CEO Pierin Vincenz bestimmt worden. Dies, nachdem der Ostschweizer seinem Chef während 15 Jahren unter anderem als Stellvertreter gedient hatte. Inzwischen steckt Vincenz in einer Strafuntersuchung der Zürcher Staatsanwaltschaft. Er wird der unrechtmäßigen Bereicherung verdächtigt. Im Zug der zahlreichen Enthüllungen über Vincenz` mutmaßliche Geschäfte wurde auch die Frage zunehmend dringlich, was Gisel von alledem gewusst haben könnte oder mindestens hätte wissen sollen. Konkrete Belege für ein Fehlverhalten des CEO gibt es bislang keine.Umso mehr betonte Gisel gestern die Errungenschaften seiner knapp dreijährigen Amtszeit. Zum ersten Halbjahr zog die Gruppe mit ihren 246 rechtlich autonomen Genossenschaftsbanken aus einem leicht höheren Geschäftsertrag von 1,6 Mrd. sfr (+0,5 %) einen leicht tieferen Gewinn von 416 Mill. sfr (-4,1 %). Die Rentabilität der Bank bleibt damit aber auf einem hohen Niveau. Weil der Gewinnrückgang auf Vorgänge mit Einzelcharakter (Wertberichtigung einer Beteiligung, Projektkosten für die Einführung eines neuen Kernbankensystems) zurückzuführen ist, kann das Ergebnis in der Tat als gut bezeichnet werden. Auch was die Kapitalstärke anbelangt, zeigt sich die “dritte Kraft” des Schweizer Finanzplatzes in guter Verfassung. Für die Anfang 2019 in Kraft tretenden verschärften Kapitalanforderungen in der Schweiz ist die Bank ungeachtet der siebenjährigen Übergangsfrist schon heute bereit. Offen bleiben indessen eine Reihe von Fragen um die Unternehmensführung. Gesucht wird nicht nur ein neuer CEO, sondern auch ein neuer Verwaltungsratspräsident. Das Aufsichtsgremium, das sich im Urteil der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht in der Affäre Vincenz ein kollektives Versagen zuschulden kommen ließ, soll runderneuert werden. Zwei neue Verwaltungsräte sind bereits im Amt, vier weitere sollen auf einer außerordentlichen Delegiertenversammlung im November hinzugewählt werden. Geprüft wird ferner, ob die Genossenschaft zukünftig die richtige Rechtsform für die Gruppe ist. Gisel vermochte in der Telefonkonferenz nur schlecht zu verbergen, dass die Bank mit Blick auf ihren wirtschaftlichen Erfolg so wenig wie möglich an ihren Strukturen und an ihrem Geschäftsmodell verändern sollte. Viele Genossenschafter, die seinen Abgang begrüßen, dürften ihm in diesem Punkt zustimmen.