Rally für Schwellenländeranleihen ist noch nicht zu Ende

In vielen Teilen des Marktes aber bereits weit fortgeschritten - Weiteres Potenzial für Wertgewinne im lateinamerikanischen Anleiheuniversum

Rally für Schwellenländeranleihen ist noch nicht zu Ende

Die Emerging Markets (EM) haben im laufenden Jahr bisher eine beeindruckende Performance hingelegt. Insbesondere Schwellenländeranleihen-Fonds konnten in der zweiten Jahreshälfte starke Kapitalzuflüsse verbuchen. Angesichts dieses rapiden Umschwungs im Markt mag sich so mancher Investor fragen, wie nachhaltig dieser Trend ist. Tatsächlich ist die Rally in vielen Teilen des Marktes bereits weit fortgeschritten. Profitiert haben bislang aber vor allem Staats- und Quasi-Staatsanleihen. Von der Region abhängigUnternehmensanleihen haben da noch mehr Entwicklungspotenzial. Letzteres variiert jedoch von Region zu Region stark: So sind weite Teile Asiens und Russlands beispielsweise bereits gesättigter als Lateinamerika, das vor allem als Rohstoffproduzent wahrgenommen wird. Obwohl viele Rohstoffe – darunter Gold, Silber, Kupfer, Zink und Zucker – seit Jahresbeginn starke Kursgewinne verbuchen, handeln lateinamerikanische Obligationen weiterhin mit im historischen Kontext hohen Risikoaufschlägen. Denn: Das Vertrauen in einen anhaltenden Bullenmarkt ist gering. Insgesamt sprechen also verschiedene wirtschaftliche sowie politische Faktoren für eine bevorstehende Outperformance in dieser Region, weshalb wir hier derzeit ein attraktives Chancen-Risiko-Verhältnis sehen.Angetrieben wird dieser Aufwärtstrend von Brasilien, das nicht nur die größte Volkswirtschaft in Lateinamerika ist, sondern auch das umfassendste Anleiheuniversum in dieser Region bildet. Aufgrund einer schweren Rezession und der andauernden politischen Krise, die in der Amtsenthebung von Präsidentin Dilma Rousseff gipfelte, handeln die Anleihen hier aktuell mit hohen Prämien. Zudem wirkt sich auch der schwerwiegende Korruptionsskandal, in den sowohl große Teile des Parlaments als auch Industrieunternehmen verstrickt sind, nach wie vor auf die Kurse aus.Gleichzeitig deuten vorauslaufende Konjunktursignale auf eine wirtschaftliche Erholung hin, für das kommende Jahr wird sogar ein leichtes Wachstum von 1,2 bis 1,7 % prognostiziert. Die Staatseinnahmen steigen – dank höherer Rohstoffpreise. Und die halbstaatlichen Rohstoffkonzerne Petrobras und Vale Rio Doce bauen ihre Schulden ab, indem sie Vermögenswerte veräußern und Investitionsausgaben kürzen. Rückendeckung gibt außerdem eine gefestigte Landeswährung: Seit Jahresbeginn fiel der US-Dollar gegenüber dem brasilianischen Real um rund 14 %. Da sich viele Unternehmen in US-Dollar verschuldet haben und diese Schulden nicht gegen die Landeswährung abgesichert hatten, reduziert die stärkere Landeswährung die Verschuldung in ihrer Bilanz.Besonders attraktive Chancen eröffnen sich derzeit vor allem bei brasilianischen Zuckerproduzenten. Brasilien ist der weltweit größte Produzent dieses Rohstoffes. Die Produzenten fahren zurzeit gute Gewinne ein – dem steigenden Zuckerkurs sei Dank. Dieser erreicht aktuell den höchsten Stand seit vier Jahren und hat sich allein seit August des vergangenen Jahres mehr als verdoppelt. Trotzdem herrscht gegenüber dem gesamten Sektor weiterhin eine hohe Risikoaversion. Denn während der rund dreijährigen Zucker-Baisse meldeten viele Produzenten Konkurs an. Doch mit dem starken Preisanstieg hat sich die Marktsituation substanziell verändert – was nur wenige Investoren bereits realisiert haben. Raum für AufschwungAuch in Peru sehen wir Raum für weiteren Aufschwung. Zwar löste die im Juni gewählte rechts gerichtete Regierung von Pedro Kuczynski Kontroversen aus. Allerdings wird sie als eher wirtschaftsfreundlich eingestuft. Ohnehin lieferte der westliche Nachbarstaat Brasiliens konstant positive Wachstumsraten. Im Rohstoffbereich ist Peru ein Niedriglohnland, viele Unternehmen weisen Potenzial für starke Kursgewinne auf. Ein konkretes Beispiel: Wir haben Anleihen eines Emittenten erworben, der etwa zur Hälfte Silber und zur anderen Hälfte Zink produziert. Beide Metalle haben, dank fundamental starker Nachfrage, ausgehend von ihren Tiefstpreisen über 50 % zulegen können. Die Unternehmensresultate haben sich in diesem Zeitraum stark verbessert. Spannendes SzenarioBesonders spannend: Während die Ratingagentur Fitch dieses Unternehmen mit “BBB-” bewertet, also als durchschnittlich gute Anlage einschätzt, verleiht Konkurrent Moody’s diesem Emittenten gerade einmal ein Rating von “B2” – Ramschniveau. Diese Divergenz lässt sich nur durch unterschiedliche Preiserwartungen für Silber und Zink erklären: Moody’s scheint von einem Preisniveau auszugehen, das bei weitem nicht dem Markt entspricht. Aber auch weitere Ratingagenturen sind in ihren Bewertungen stark konservativ und rechnen mit Marktpreisen, die nahe dem diesjährigen Tiefstpunkt liegen. Sollten sich die Rohstoffpreise allerdings auf dem aktuellen Niveau halten oder nur marginal steigen, dann werden die Ratingagenturen ihre Ratings erhöhen müssen. Dies würde zu weiterem Aufhol-potenzial der betroffenen Produzenten führen.Mehr als einen Blick wert ist auch Argentinien, das nach einer 15-jährigen Sperre sein Comeback an den internationalen Kapitalmärkten feierte. Dieser Erfolg unter der Regierung von Mauricio Macri ist für das Land von enormer Bedeutung, denn der Bedarf an frischem Kapital ist riesig: Unter der zwölf Jahre andauernden Regierung der Familie Kirchner wurden wichtige Infrastrukturausgaben auf sträfliche Art und Weise vernachlässigt. Nach dem Wiederanschluss an die Märkte wurden diese vor allem durch Neuemissionen fast aller argentinischen Provinzen geflutet. Erst langsam folgen nun auch die Unternehmen diesem Kurs.Wir gehen davon aus, dass das argentinische Anleiheuniversum in den nächsten Jahren rapide wach-sen wird. Zum Vergleich: Vor dem Staatsbankrott 2001 war dieses noch in etwa so groß wie das mexikanische. Wirtschaftlich durchlief das Land, ausgehend von einer Abwertung des argentinischen Peso um 35 % sowie einer hohen Inflation, eine starke Rezession, deren Tiefpunkt im Mai und Juni erreicht wurde. Seitdem senkt die argentinische Zentralbank schrittweise den Leitzins und schafft somit weitere Anreize. Nach einer zweijährigen Rezession rechnet die Weltbank für 2017 mit einem positiven Wachstum in Höhe von 3,1 %. Venezuela noch in der KriseEine Sonderstellung innerhalb Lateinamerikas nimmt hingegen Venezuela ein. Zwar sind die Kurse venezolanischer Anleihen im Jahresverlauf um etwa 50 % gestiegen. Ein großer Teil dieser Entwicklung ist allerdings einzig und allein auf den Umstand zurückzuführen, dass die Regierung unter Staatsoberhaupt Nicolás Maduro Anlegern ein attraktives Angebot machte: die Umschuldung kurzlaufender Fälligkeiten in längerfristige Anleihen. Ob dieses Vorgehen die wirtschaftliche Situation des Landes allerdings langfristig verbessert, ist zweifelhaft. Venezuela steckt noch immer in einer schweren Krise. Der Internationale Währungsfonds (IWF) geht für das laufende Jahr von einer Inflationsrate von über 700 % aus. Und der weiterhin tiefe Erdölpreis belastet das Land weiter. Die venezolanische Regierung lebt quasi von der Hand in den Mund. Trotzdem klammert sie sich weiterhin verzweifelt an die Macht. Für Neuemissionen bereitWegen der drei Jahre anhaltenden Rohstoff-Baisse und den wirtschaftlich schwierigen, volatilen Zeiten wurden vor allem High-Yield-Anleihen vom Kapitalmarkt ausgeschlossen. In den vergangenen Jahren mangelte es in diesem Segment an Neuemissionen. Das gesamte Universum wuchs lediglich durch Zurückstufungen der Ratingagenturen. Nach zwei Jahren ist der Kapitalmarkt nun bereit für Neuemissionen. Dies nutzen auch zunehmend Unternehmen, indem sie mit attraktiven Incentive-Prämien in neue Titel mit längerer Laufzeit umschulden. Auch von dieser Entwicklung dürfte Lateinamerika am meisten profitieren, da dieser Markt am längsten von den Kapitalmärkten ausgeschlossen war.Die Erholung vom tiefen Fall der vergangenen zwei Jahre ist noch nicht vollständig durchlaufen. Die anhaltend starken Kapitalzuflüsse in Schwellenländeranleihen dürften ihre Bewertung in absehbarer Zeit weiter positiv beeinflussen. Insgesamt sind diese im gesamten lateinamerikanischen Anleiheuniversum von ihrem Normalzustand aber noch weit entfernt, so dass weiterhin ein attraktives Potenzial für Wertgewinne besteht.—Cornel Bruhin, Fondsmanager des MainFirst Emerging Markets Corporate Bond Fund Balanced & MainFirst Emerging Markets Credit Opportunities Fund