Ratingwächter erwarten stark steigende Zinszusatzreserve

Standard & Poor's sieht wachsendes Risiko für deutsche Lebensversicherer - Unternehmen gehen größere Wagnisse ein - Schaden-/Unfallversicherer stehen besser da

Ratingwächter erwarten stark steigende Zinszusatzreserve

Die anhaltend niedrigen Zinsen bringen die deutschen Versicherer zunehmend unter Druck. Dies gilt insbesondere für die Lebensversicherer. Die Schaden- und Unfallversicherer profitieren von höheren Beiträgen und ausbleibenden Großschäden, heißt es bei der Ratingagentur Standard & Poor’s (S & P).tl Frankfurt -“Die Zinszusatzreserve bringt drastische kurzfristige Belastungen der Ertragskraft mit nochmals deutlich steigenden Reservezuführungen in 2016 bis 2019, die in manchen Zinsszenarien nicht mehr für alle Lebensversicherer tragbar sein könnten”, sagte der zuständige Analyst Christian Badorff in Frankfurt bei der Vorstellung der neuen Berichte zu den deutschen Lebens-, Schaden-, Unfall- und Krankenversicherern (siehe Grafik).Bei steigenden Zinsen könnten bereits die Jahre 2015 und 2016 herausfordernd werden. Immerhin würden die Lebensversicherer in diesem Fall auch noch in den kommenden Jahren über Bewertungsreserven auf ihre Kapitalanlagen verfügen. Hingegen würden diese bei gleichbleibenden Zinsen bis 2021 praktisch aufgefressen sein, erwarten die Ratingwächter.Ulrich Rosenbaum, Vorstand der Talanx Deutschland, zeigte sich auf einem Panel des 10. S & P Versicherungssymposiums besorgt, dass bei einem Seitwärtsszenario bei den Zinsen (das deutlich über den aktuellen Bundrenditen liegt) die Zinszusatzreserve bis 2024 auf weit über 100 Mrd. Euro anwachsen werde – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Bewertungsreserven auf Kapitalanlagen. Sein Haus sei aber gut aufgestellt. Höhere AktienquoteDie Lage an der Zinsfront zwingt die Versicherer, in der Kapitalanlage grundsätzlich mehr Risiken einzugehen. Bisher ist dies zumindest bei den von S & P gerateten Unternehmen und auf Basis der 2013er-Zahlen nicht feststellbar. “Eine moderate Ausweitung der Risikoquote ist wahrscheinlich”, sagte Badorff. Er rechnet insbesondere mit einer Erhöhung der Aktienquote, die 2013 bei 5,4 % lag. Dies bezieht er vor allem auf Infrastrukturinvestments, die unter die Aktienquote fallen. Bereits feststellbar ist in den Jahren 2010 bis 2013 aber eine deutliche Ausweitung des Kreditrisikos im Investment-Grade-Bereich. Deutlich rückläufig waren Bestände von Staats- und sonstigen Anleihen mit “AAA”-Rating, was aber insbesondere daran liege, dass die Zahl der entsprechend beurteilten Staaten und Unternehmen deutlich zurückgegangen sei.”2014 hat sich das Kreditrisiko gegenüber 2013 nochmals erhöht”, stellte Badorff nach Durchsicht erster Unternehmensergebnisse fest. Er warnte aber, dass niedrigere Credit Spreads und tendenziell längere Laufzeit zu einer erhöhten Volatilität führen dürften, wenn sich das wirtschaftliche Umfeld eintrübe.Deutsche Versicherungsgruppen profitierten von der starken Kapitalisierung ihrer Schadenversicherer, während Lebensversicherer unter den relativ hohen Garantien und dem großen Ungleichgewicht zwischen Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden auf der einen und den Kapitalanlagen auf der anderen Seite leiden (Asset-Liability Mismatch). Die klassische Lebensversicherung werde immer unattraktiver, sagte Badorff weiter. “Gleichzeitig ist eine Kaufzurückhaltung bei Produkten ohne Garantien zu beobachten, wenngleich derzeit eine abnehmende Risikoaversion zu erkennen ist.” Dabei verweist er auf die Erfolge der “modernen Klassikprodukte” insbesondere von Allianz, Ergo und teilweise Axa, die zwar noch eine gewisse Garantie, aber eine größere Flexibilität in der Kapitalanlage böten.In der Podiumsdiskussion zeigte sich Walter Botermann, Vorstandsvorsitzender der Alten Leipziger-Halleschen überzeugt, dass sein Unternehmensverbund bis zu einem Zins von null bei den Bundesanleihen durchhalten kann.Zur Begründung verwies er auf das hohe Eigenkapital und die erheblichen Reserven auf Aktien und Immobilien. Die Allianz reagiert auf die niedrigen Zinsen durch verstärkte Diversifikation in Aktien und insbesondere alternative Assets wie Infrastruktur, zum Teil auch in Immobilien, sagte Alf Neumann, Vorstand der Allianz Leben.In der Gesamtschau hat sich für S & P das Branchenrisiko in der deutschen Lebensversicherung in die Kategorie 4 (“moderate risk”) verschlechtert. Da das Länderrisiko aber unverändert erstklassig bleibt (Kategorie 1, “very low risk”), ergibt sich eine unveränderte kombinierte Länder- und Branchenbeurteilung (IICRA) in der Kategorie 3 (“intermediate risk”). Großschäden bleiben ausDie Schaden- und Unfallversicherung hat 2014 von steigenden Beiträgen und ausbleibenden Großschäden profitiert. Für 2015 und 2016 rechnet S & P aber mit einem geringen Anstieg der Beitragserhöhungen vor allem bei Kfz und Wohngebäuden. Zugleich soll sich der Schadenaufwand normalisieren und die Kosten dürften unverändert bleiben, so dass sich die Schaden-Kosten-Quote nur moderat verschlechtern werde, heißt es weiter.