Schatzamt schaltet sich in Autobankenskandal ein
Schatzamt schaltet sich in Autobankenskandal ein
Verhältnismäßige Entschädigungen beim Supreme Court angemahnt – Schaden für den Finanzplatz wegen Ungewissheit der Regulierung befürchtet
hip London
Britischen Banken drohen Entschädigungen in Milliardenhöhe. Bei Autofinanzierungen wurden Kommissionen nicht offengelegt. Nun will das Schatzamt „erheblichen wirtschaftlichen Schaden“ abwenden. Es fürchtet, dass der Eindruck entstehen könnte, die Finanzregulierung sei unberechenbar.
Schatzkanzlerin Rachel Reeves hat sich in das im April vor dem Supreme Court anstehende Verfahren eingeschaltet, in dem es um nicht offengelegte Kommissionen für Autofinanzierungen geht. Der Court of Appeals hatte sich im Oktober vergangenen Jahres auf die Seite der klagenden Verbraucher gestellt.
Es ging dabei über die bisherigen Anforderungen der Finanzaufsicht FCA (Financial Conduct Authority) hinaus. Die Zahl der Beschwerden beim Ombudsmann für die Finanzdienstleistungsbranche war zuvor dramatisch nach oben gegangen.
Milliarden für Entschädigungen
Seitdem versuchen Analysten, die möglichen Kosten für die Branche zu schätzen. Keefe, Bruyette & Woods (KBW) kommt auf 28 Mrd. Pfund. Bank of America verortet sie zwischen 24 Mrd. und 38 Mrd. Pfund. Die Obergrenze entspricht der Summe der Entschädigungen, die im Skandal um den Verkauf von nutzlosen Restschuldversicherungen (Payment Protection Insurance, PPI) gezahlt wurde. Damals war in der City scherzhaft von „Helikoptergeld“ und „Quantitative Easing für alle“ die Rede.
Autofinanzierungen sind ein enormer Markt. Vier von fünf Neuwagen werden auf Kredit gekauft. Das ausgereichte Kreditvolumen übertrifft die Kreditkartenschulden und wird nur noch von Wohnimmobilienfinanzierungen übertroffen.
Erheblicher wirtschaftlicher Schaden befürchtet
Das Thema habe „das Potenzial, erheblichen wirtschaftlichen Schaden anzurichten, und könnte die Verfügbarkeit und die Kosten von Autofinanzierungen für Verbraucher beeinflussen“, zitiert die „Financial Times“ aus einer Einreichung des Schatzamts beim obersten britischen Gericht. Es sei ein ungewöhnlicher Schritt der Regierung.
Der Fall könnte „den Eindruck hervorrufen, dass die Regulierung in Großbritannien ungewiss ist“, fürchtet das Ministerium. Sollten die Banken die Verbraucher entschädigen müssen, werde das Schatzamt darauf drängen, dass jegliche Lösung im Verhältnis zu dem vom Verbraucher tatsächlich erlittenen Verlust steht und die Gewährung eines Mitnahmegewinns vermeidet".
Santander UK im Fokus
Einer der Gründe für den ministerialen Aktivismus könnte sein, dass in der City über einen Rückzug der spanischen Großbank Santander vom britischen Markt spekuliert wird. Sie hatte sich Anfang des Jahrtausends aus Building Societies wie Abbey National eine britische Retailbank gezimmert. Nach dem Urteil vom Oktober verschob sie die Geschäftszahlen von Santander UK, um dessen Auswirkungen zu prüfen.
KBW schätzt die Kosten, die Santander UK aus dem Autofinanzierungsskandal entstehen könnten, auf 1,3 Mrd. Pfund. Das ist eine Menge Geld für eine Tochter, die unter hohen Kosten und schwachem Wachstum leidet.
Lloyds Banking Group besonders betroffen
Das Institut, das für den PPI-Skandal die höchste Entschädigungssumme leisten musste, wird Analysten zufolge auch in diesem Fall am tiefsten in die Tasche greifen müssen. PPI kostete die Lloyds Banking Group rund 22 Mrd. Pfund. Die schottische Großbank ist nicht nur einer der größten Hypothekenanbieter in Großbritannien. Ihr gehört auch der herstellerunabhängige Autofinanzierer Black Horse. KBW schätzt, dass sie der Skandal 4,2 Mill. Pfund kosten wird.
Zu den im Autofinanzierungsgeschäft tätigen Finanzinstituten gehören zudem Bank of Ireland UK, Barclays (bis 2019), Investec Bank, Paragon und Firstrand Bank.
Zinsen nach Gutdünken festgesetzt
Die FCA ermittelt bereits seit einiger Zeit in der Sache. Sie hatte die Kommissionsvereinbarungen, um die es geht (Discretionary Commission Arrangements), im Januar 2021 verboten. Sie beziffert die zwischen 2007 und 2010 gezahlten Kommissionen auf 8,1 Mrd. Pfund.
Kreditvermittler waren in diesem Fall die Autohändler. Sie konnten die Zinsen offenbar nach Gutdünken festsetzen. Doch gibt es bislang keine Belege dafür, dass die ausgereichten Kredite überteuert gewesen wären. Die Aufsicht hat die Institute sicherheitshalber aufgefordert, ausreichend Risikovorsorge zu betreiben.