"Regulatorik befördert das Geschäft"
Während Digitalisierung und Regulierung manchem das Leben schwer machen, zählt die Wirtschaftsauskunft Creditreform zu den Profiteuren dieser Entwicklungen. “Die Regulatorik befördert unser Geschäft”, sagt Geschäftsführer Volker Ulbricht im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Auch die Vorliebe der Konsumenten, im Online-Handel via Rechnung zu bezahlen, leistet dem Unternehmen Vorschub.Von Annette Becker, NeussBeinahe 140 Jahre ist die Wirtschaftsauskunftei Creditreform jetzt alt. Von Ermüdungserscheinungen kann jedoch keine Rede sein. Im Gegenteil: Digitalisierung und Regulatorik spielen den Datensammlern aus Neuss in die Hände, wie Volker Ulbricht, Hauptgeschäftsführer des Verbands Vereine der Creditreform, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung erläutert. Angefangen beim Kreditregister Anacredit, bei dem die Banken der nationalen Aufsichtsbehörde seit Anfang dieses Jahres Detaildaten zu Krediten und Kreditnehmern ab einer Darlehenshöhe von 25 000 Euro liefern müssen, über wachsende Anforderungen an die Compliance bis hin zur Zahlungsdiensterichtlinie PSD2, durch die Kontodaten perspektivisch Bestandteil der Bonitätsprüfung werden, erweitern sich die Themenfelder und damit auch das Geschäft der Verbundgruppe. “Die Regulatorik befördert unser Geschäft, da wir den Banken die erforderlichen Daten liefern können. Beispielsweise können wir mit einer Abdeckung von 99 % global den wirtschaftlich Berechtigten benennen”, veranschaulicht Ulbricht. Die Kunden aus den Reihen der Banken kommen dabei aus allen drei Säulen, denn der Umfang der von den Instituten selbst erhobenen Daten variiert von Bank zu Bank.Wie vor 139 Jahren fußt das Geschäft der Vereine der Creditreform unverändert auf den beiden Kerngeschäftsfeldern Bonitätsinformation und Inkasso. “Das ist bis heute unser Brot-und-Butter-Geschäft. Beide Geschäftsfelder sind mit Blick auf den Umsatz etwa gleich groß”, sagt Ulbricht, der davon überzeugt ist, dass qualitativ hochwertige Bonitätsauskünfte zwingend eigene Zahlungserfahrung voraussetzen. Creditreform versteht sich primär als Kreditschutzorganisation, die mit Bonitätseinschätzungen zur Prävention beiträgt und zugleich beim Forderungseinzug unterstützend eingreift, wenn es Zahlungsschwierigkeiten gibt. Anders als der Wettbewerber Schufa ist Creditreform aus dem B2B-Geschäft hervorgegangen, auch wenn sich die Neusser seit 1998 zunehmend im Business-to-Consumer-Geschäft breitmachen. Am liebsten “auf Rechnung”In die Hände spielt der Wirtschaftsauskunftei in diesem Zusammenhang der rasant wachsende E-Commerce, bei dem das Thema Zahlungsabwicklung gerade für kleinere Händler wichtig ist. Denn der Erfolg von Online-Händlern hängt auch von den möglichen Zahlungsarten ab, kaufen und zahlen die Deutschen im Internet doch am liebsten auf Rechnung. Nach einer Studie des ECC Köln bevorzugen gut 40 % der Konsumenten den “Kauf auf Rechnung”, erst mit deutlichem Abstand folgen Paypal (29,2 %) und die Kreditkarte (10,9 %). Noch eindeutiger fällt das Ergebnis im B2B-Sektor aus. Dort bevorzugen 95 % der Geschäftskunden beim Online-Einkauf den “Kauf auf Rechnung”, wie eine Studie von Ibi-Research ermittelt hat. Auf Rang 2 rangiert die Firmenkreditkarte mit 37 %, gefolgt von Paypal (35 %). Damit der Händler am Ende aber nicht mit leerer Kasse dasteht, bedarf es guter Datenbanken, die Informationen zum Zahlungsverhalten der Online-Käufer bereitstellen und letztlich auch Payment-Dienstleistungen anbieten. “Mit Crefopay sind wir seit zwei Jahren im E-Commerce tätig und zählen eine dreistellige Kundenzahl”, erläutert Ulbricht. “Wissend, dass die Abbruchquote beim Gang an die virtuelle Kasse besonders hoch ist, glauben wir, Händlern beim Kauf auf Rechnung wichtige Hilfestellung geben zu können.” Dabei bietet das Inkasso-Geschäft von Creditreform eine gute Ausgangslage für die Zahlungsdienstleistungen. Denn Inkasso ist “ein typisches B2C-Thema, das von hohen Fallzahlen gekennzeichnet ist”, sagt Ulbricht und verweist darauf, dass E-Commerce ein außergewöhnlicher Wachstumstreiber ist. In fortlaufender Bearbeitung hat Creditreform etwa 6 Millionen Inkasso-Fälle. Pro Jahr kommen etwa 1,5 Millionen Fälle hinzu, in etwa gleichem Umfang werden Fälle abgearbeitet. Ulbricht ist davon überzeugt, dass das Eintreiben von Forderungen über einen unabhängigen Dritten mit weniger Reibungsverlusten vonstatten geht. Zum einen, weil das Thema aus Sicht des Schuldners eine andere Aufmerksamkeit erlangt, wenn die Forderung bei einer Drittpartei liegt. Zum anderen, weil ein unabhängiger Inkassodienst – anders als beispielsweise der kleine Handwerker, den ein Kunde hängen lässt – den Sachverhalt frei von Emotionen beurteilt und keine Rücksicht auf Kundenbeziehungen nehmen muss. Dass die großen US-Datenkraken wie Google oder Amazon den etablierten Auskunfteien das Geschäft absehbar streitig machen, befürchtet Ulbricht nicht. “Das Nutzen von Social-Media-Daten für Bonitätsprüfungszwecke ist datenschutzrechtlich gar nicht möglich”, argumentiert der Chef der Wirtschaftsauskunftei. “Hier hat der Datenschutz eine Hygienefunktion.” Mitglieder liefern DatenNeue Wettbewerber sieht Ulbricht daher auch weniger im Informationsgeschäft auf sein Haus zukommen, sondern im Geschäft mit Payment-Dienstleistungen. Denn Creditreform ist seit etwa 20 Jahren auch im Factoring für kleine und mittelgroße Unternehmen mit einem Jahresumsatz zwischen 5 und 10 Mill. Euro unterwegs. Hier gebe es ernst zu nehmende Wettbewerber wie beispielsweise den schwedischen Zahlungsdienstleister Klarna, der sehr viel Zahlungserfahrung generiere.Um selbst an die für die Wirtschaftsauskunft relevanten Daten zu gelangen, wertet Creditreform die Handelsregisterdaten aus, aber auch alle Bilanzen. “Zudem haben wir in erheblichem Umfang Zugriff auf Zahlungserfahrungen. Diese Daten stellt eine vierstellige Zahl an Unternehmen zur Verfügung, die alle selbst Mitglied sind”, veranschaulicht Ulbricht. Denn nur wer Mitglied bei Creditreform ist, hat auch das Recht auf Einblick in die Datenbank. Zugleich kann aber auch nicht Krethi und Plethi Mitglied werden, Voraussetzung ist ein nachweislich berechtigtes Interesse.