Regulierer stoppen Ant-Börsengang

Für morgen geplantes, weltgrößtes IPO platzt - Führungsriege liegt mit Aufsehern über Kreuz

Regulierer stoppen Ant-Börsengang

Kurz vor dem geplanten Startschuss ist der Börsengang der Ant Group von Regulatoren auf Eis gelegt worden. Jüngste Veränderungen im regulatorischen Umfeld bewirken, dass der Emissionsprospekt die Listing- und Informationsregularien für das duale IPO in Hongkong und Schanghai nicht mehr erfüllt. Von Norbert Hellmann, SchanghaiDer von Marktteilnehmern gespannt erwartete Rekord-Börsengang der chinesischen Ant Group ist unter dramatischen Umständen vorerst abgeblasen worden. In einer überraschenden Mitteilung der Shanghai Stock Exchange hieß es am Dienstagabend chinesischer Zeit, dass das für Donnerstag geplante Listing des führenden chinesischen Finanztechnologieanbieters auf unbestimmte Zeit verschoben wird. Als Grund für die Absage wird eine signifikante Veränderung des regulatorischen Umfelds für die Ant Group angegeben. Dies könne dazu führen, dass Ant nicht länger die Voraussetzungen für ein Listing und die vollumfängliche Informationspublizität erfülle.Die Intervention der Schanghaier Börse ließ Ant kurze Zeit später mitteilen, dass nun auch der im Rahmen eines dualen Listings geplante parallele Handelsstart der Ant-Aktie in Hongkong abgeblasen wird. Dies scheint auch nötig gewesen zu sein, weil die bislang angesichts einer immensen Investorennachfrage als potenzielle Kursrakete geltende Emission wegen des neuen Unsicherheitsfaktors in Hongkong garantiert in Schwierigkeiten geraten wäre. Dass mit dem IPO etwas im Argen liegen muss, hatten die Anleger schon angedeutet bekommen, als in der Nacht zum Dienstag bekannt wurde, dass die Ant-Führungsriege mit Gründer und Stimmrechtskontrolleur Jack Ma, Chairman Eric Jing und Chief Executive Simon Hu zu einem kurzfristig angesetzten Gesprächstermin mit Spitzen der chinesischen Finanzregulierungsbehörden einberufen wurde. Eine solche Einladung verheißt nichts Gutes, sondern das, was man im Chinesischen als “yuetan” bezeichnet, nämlich einen von höchster Warte aus abgefeuerten Warnschuss.Ant selbst hatte in einem kurzen Statement die Einbestellung bei den Finanzwächtern bestätigt und erklärt, dass man die bei dem Treffen von den Behörden geäußerten regulatorischen Meinungsäußerungen “in aller Tiefe implementieren werde”. Dabei werde man Leitlinien bezüglich Innovation, Akzeptanz von Regulierungsprinzipien und des Dienstes an der Realwirtschaft befolgen, hieß es in einer seltsam gestelzten Syntax weiter. Neue SpielregelnTatsächlich hatten Chinas Finanzwächter das Ant-Trio am selben Tag mit der Vorlage eines neuen Richtlinienvorschlags zur Risikoeindämmung von kurzfristigen Konsumkrediten konfrontiert. Hier geht es um einen Geschäftszweig, der rund 40 % zu Ants Konzernerlösen beiträgt. So bewegt Ant als Arrangeur von Mikrofinanzgeschäften ein riesiges Darlehensvolumen in Höhe von 254 Mrd. Dollar, wovon aber nur 2 % in die eigene Bilanz aufgenommen und mit Kapital unterlegt worden sind. Dem neuen Regulierungsvorschlag gemäß würden Ant und andere chinesische Betreiber von Online-Kreditplattformen solche Geschäfte zu mindestens 30 % aus eigenen Mitteln bestreiten müssen. Dies dürfte Profitabilität und Wachstum des Kleinkreditgeschäfts erheblich bremsen.Diese neuen Umstände sind im Ant-Emissionsprospekt selbstredend nicht reflektiert worden. Dort hieß es nur äußerst vage, dass ein verändertes Regulierungsumfeld eine der möglichen Gefahrenquellen für das Geschäftsmodell abgebe. Noch am Dienstagvormittag hatten Analysten das bizarre Last-Minute-Prozedere mit einem Stirnrunzeln quittiert und darauf hingewiesen, dass das chinesische Regulierungsumfeld den größten Risikofaktor für Ants Wachstumskurs und damit natürlich auch für das langfristige Kurspotenzial der Aktie abgeben wird. Allerdings trösteten sich die Experten damit, dass die überbordende Nachfrage nach Ant-Titeln insbesondere auch seitens chinesischer Kleinanleger zwangsläufig dazu führen dürfte, dass die Ant-Aktie in den ersten Handelstagen einen raketenhaften Start hinlegen würde. Durststrecke in Sicht Tatsächlich wurde noch am Dienstag in Hongkonger Finanzkreisen berichtet, dass Institutionelle im informellen, sogenannten “grauen” Vorabhandel bereit waren, Aufschläge von etwa 50 % auf den Marktpreis zu zahlen. Dies gilt als ein wichtiger Indikator für ein erfolgreiches Handelsdebüt einer neuen Aktie. Jetzt allerdings heißt es für die Anleger erst einmal abzuwarten, bis Ant in der Lage sein wird, ihren Informationspflichten unter den neuen Umständen nachzukommen. Ob die Begeisterung für die Ant-Aktie in den nächsten Wochen anhalten wird, ist eher fraglich. Ein Tech-Unternehmen, das augenscheinlich beim allmächtigen chinesischen Staat aneckt, taugt möglicherweise nicht mehr zur Volksaktie.