Großbritannien

„Regulierung ist keine Wissenschaft“

Der Ton ist optimistisch, das Glas halb voll. So lässt sich die Jahreskonferenz des britischen Finanzverbands TheCityUK beschreiben. Größter Hoffnungsträger ist Green Finance.

„Regulierung ist keine Wissenschaft“

„Regulierung ist keine Wissenschaft“

Optimismus dominiert Konferenz von The City UK – Hoffnungsträger Green Finance

hip London

Die britische Finanzbranche hat Oberwasser, seitdem die konservative Regierung den Aufsichtsbehörden neue Ziele gesetzt hat: Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum. Das neue Finanzdienstleistungs- und Finanzmarktgesetz wurde soeben vom König abgesegnet. Entsprechend gut war die Stimmung auf der Jahreskonferenz der Finanzlobby The City UK in Westminster. Der große Hoffnungsträger ist „Green Finance“. Dass Schatzkanzler Jeremy Hunt vor kurzem eine Absichtserklärung für einen besseren regulatorischen Austausch mit der EU unterzeichnete, beflügelte zudem die Laune.

Julia Hoggett, die Chefin der Londoner Börse, forderte ein „ebenes Spielfeld“ ein. „Wir stellen enorme Anforderungen an Gesellschaften, die hier an die Börse gehen wollen“, sagte sie. „Anforderungen, die man in anderen Märkten nicht stellt.“ So gebe es in Großbritannien strengere Vorgaben für die Managervergütung als in der EU. Der Unterschied sei „ziemlich groß“. Es sei ja in Ordnung, wenn man das beibehalten wolle, aber man sollte es mit offenen Augen tun. „Regulierung ist keine Wissenschaft“, sagte Hoggett. Man habe eine Welt geschaffen, in der man die Menschen derart vor möglichen Abwärtsrisiken schütze, dass man Aufwärtspotenzial nicht mehr erkenne.

Sheldon Mills, der bei der Financial Conduct Authority für die Themen Verbraucher und Wettbewerb verantwortlich ist, konterte, die Finanzaufsicht sei schon weniger verordnend und dafür ergebnisorientierter geworden. Sie werde aber keine Kompromisse machen, „nur um Wettbewerbsfähigkeit um jeden Preis sicherzustellen“. Jenn Hui-Tan, Global Head of Stewardship & Sustainable Investing bei Fidelity International, forderte, die britische Führungsrolle bei der Klimapolitik wiederherzustellen.

„Eines der besten Werkzeuge“

„Green Finance ist eines der besten Werkzeuge, das Politikern zur Verfügung steht, um Klimaziele zu erreichen“, sagte Chris Hayward, Policy Chairman der City of London Corporation. Je mehr die Externalität Klimawandel und die damit verbundenen Umweltschäden ins Bewusstsein der Bevölkerung rückten, desto größer werde der gesellschaftliche Druck für Veränderungen sein, sagte Kokou Agbo-Bloua, Global Head of Economics, Cross-Asset & Quant Research bei Société Générale. Nicht alle Unternehmen würden bis 2030 überleben. Es sei ein darwinistischer Ausleseprozess.

Der finanzielle Spielraum von Schatzkanzler Jeremy Hunt sei im Vergleich zu Joe Bidens Inflation Reduction Act sicherlich begrenzt, sagte Hui-Tan. „Aber man kann sicher intelligente gezielte Anreize für die Dinge schaffen, die wirklich eine Rolle spielen wie Energiespeicherung und den Netzausbau.“ Zudem müsse die regulatorische Reform weitergehen. „Bald ist jede Finanzierung ‚Green Finance‘“, sagte Stephanie Betts, Head of Alliances, Coalitions & Reporting bei Aon Climate. Um dahin zu gelangen, müsse die „richtige“ Governance bei den britischen Unternehmen verankert werden. „Wir müssen auch Geschäftsmodelle überdenken“, fügte sie hinzu. Die Managervergütung müsse mit dem Erreichen „grüner“ Kennziffern verknüpft werden – „und zwar nicht 5%“, sagte Betts. „Wenn es sich um eine so ernste Krise handelt, müssen wir auch ernsthaft handeln.“

Gut fürs Image

„Green Finance“ könnte auch das Image der Branche verbessern. „Die City spielt eine große Rolle für alle DInge, die jungen Menschen wichtig sind“, sagte Hoggett. „Sie wissen es nur nicht.“ Derzeit findet die London Climate Action Week statt. Klimaschützer werfen der Branche Greenwashing vor. Wachstumsmärkte wie der freiwillige Emissionshandel stoßen bei ihnen auf wenig Zustimmung. „Es gibt kein gemeinsames Verständnis davon, was Greenwashing eigentlich ist“, sagte Hui-Tan. „Wenn man ein Problem lösen will, braucht man Klarheit darüber, worin es besteht.“ Es sei für Finanzdienstleister nicht einfach, Greenwashing-Vorwürfe zu vermeiden, weil es Datenlücken bei den Unternehmen gebe, in die sie investieren bzw. mit denen sie Geschäfte machen. Es sei eine sehr interessante Situation, wenn der Regulierer zum Einschreiten aufgefordert werde, sagte Sascha Sagan, Director of ESG bei der Finanzaufsicht. „Wir brauchen pragmatische Lösungen, keine grandiosen Statements.“ Die Verbraucher könnten sich unter „Transition“ nichts vorstellen. Man müsse mit Blick darauf, wie hart der Weg zur Klimaneutralität sei, etwas Demut zeigen.

Tulip Siddiq, die im Falle eines Wahlsiegs der Opposition City-Ministerin würde, versicherte den Teilnehmern, eine Labour-Regierung würde alles tun, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Branche zu schützen. Sie sei das größte Asset des Landes. Deshalb unterstütze sie das neue Finanzmarktgesetz der konservativen Regierung. Labour werde sicherstellen, dass die Regulierung der Branche erlaube, zum Wachstum beizutragen. Bis 2030 wolle die Partei Großbritannien bei sauberen Energien zu einer „Supermacht“ machen. Dafür werde man die Reform von Solvency II vorantreiben, um Kapital für Investitionen freizusetzen – etwa in Wind und Wasserstoff, aber auch Atomkraft. Siddiq will prüfen, ob sich „grüne“ Pfandbriefe zur Finanzierung solcher Vorhaben eignen. Banken könnten sich so ja bereits günstiger Geld leihen.

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