Remagine will Wirkung bei Start-ups entfalten
Von Stefan Paravicini, Berlin
Auch Start-ups und ihre Gründer brauchen eine Bankverbindung. Julia Profeta Johansson und Sebastian Dienst, die Initiatoren des Berliner Fintech Remagine, sehen hier eine Marktlücke. „Die meisten Unternehmen sind immer noch bei traditionellen Banken und dabei eher unglücklich“, sagt Dienst zu den Bankpartnern der Start-up-Szene. Die Finanzierungsbedingungen bei Geschäftsbanken seien häufig nicht gründerfreundlich, die Bankdienstleistungen vor allem technologisch nicht auf Höhe der Zeit und die Werte der Institute, wie sie sich im Kreditbuch widerspiegeln, oft nicht mit denen der Gründer vereinbar. In diese Lücke will Remagine mit eigenen Finanzierungsangeboten, Firmenkonten sowie anderen Produkten stoßen und dabei auch einen positiven Einfluss auf die Kundschaft ausüben. „Wir wollen mit so vielen Unternehmen zusammenarbeiten wie möglich und sie auf ihre Impact-Reise bringen“, sagt Johansson.
Das erste Remagine-Produkt, das bereits im vergangenen Jahr „live“ geschaltet wurde, ist ein umsatzbasiertes Finanzierungsangebot – Revenue Based Financing (RFB) – für Nachwuchsunternehmen, die bereits regelmäßig über Umsätze verfügen. Mehr als 30 dieser RBF-Investitionen hat Remagine in Zusammenarbeit mit der Raisin Bank bereits gestemmt, erzählt Dienst.
Die Finanzierungsvolumen reichen bis 1 Mill. Euro. Das nötige Kapital hat das Fintech bei Investoren wie dem ehemaligen Chef von Google Payment, Jonathan Weiner, und dem Ex-Venmo-Manager Michael Vaughan eingesammelt, die insgesamt 20 Mill. Euro investiert haben. Ein Teil der Seed-Tranche ist Fremdkapital, das für die RBF-Finanzierungen eingesetzt wird. Der Kreditgeber erhält bei dieser in Europa noch wenig bekannten Finanzierungsform eine Pauschalgebühr und einen vereinbarten Prozentsatz der Umsätze. Kreditgeber im Markt können dabei oft das Drei- bis Fünffache des investierten Betrags einstreichen. Für Start-ups, die etwa für eine Marketingoffensive kurzfristig Geld benötigen, die Anteile der bestehenden Eigentümer aber nicht durch eine weitere Finanzierungsrunde mit Venture-Capital-Investoren verwässern wollen, ist das Instrument dennoch attraktiv. In den USA ist die Zahl der Anbieter von umsatzbasierten Finanzierungen in den vergangenen Jahren nach Angaben von Bootstrapp kräftig gestiegen (siehe Grafik). In seinem jüngsten Bericht zählt der US-Marktforscher 32 Anbieter mit 57 Fonds, die 4,3 Mrd. Dollar für RBF reserviert haben.
Finanzierung mit Impact
Für die Remagine-Gründer ist Revenue Based Financing ein Mittel zum Zweck. „Wir haben ein sehr gutes erstes Produkt gebraucht, das für die Community interessant ist und uns ermöglicht, mehr darüber zu reden, woran wir glauben“, sagt Johansson und ist zurück beim Thema Impact. „Was uns verbindet, ist der Glaube, dass Kapital und Technologie die kraftvollsten Instrumente sind, um Wandel in großem Stil herbeizuführen“, sagt sie über die Motive der Gründer von Remagine. Die lassen sich auch in ihrem Lebenslauf festmachen, denn nach dem Start der Karriere im Banking arbeitete Johansson bei Rocket Internet und mit dem Friedensnobelpreisträger Muhamad Yunus zusammen, wurde Partnerin bei Vox Capital, einem der ersten Impact-Investoren Brasiliens, und gründete Ella Impact, ein globales Impact-Netzwerk von Frauen. „Wir haben bewiesen, dass marktgerechte Renditen auch zusammen mit einer positiven Wirkung für die Gesellschaft erzielt werden können“, sagt Johansson. Remagine-Migründer Sebastian Dienst hat sich ebenfalls bei Rocket seine Sporen verdient und wechselte später zu Shore.com, die Einzelhändlern bei der Digitalisierung hilft. Dem Thema „Impact“ hat sich Dienst auch über sein Interesse für Neurowissenschaften und Mindfulness angenähert. „Wie verwandeln wir den Mindset?“, ist eine Frage, die ihn leitet.
Remagine soll ein Teil der Antwort sein. Denn die Gründer wollen nicht nur „ein intelligentes Konto, gründerfreundliche Finanzierung und Wachstumsunterstützung“ bieten, sondern die Unternehmen auch ermuntern, die Auswirkungen ihres Geschäftsmodells auf Umwelt und Gesellschaft zu überprüfen. Ein besserer Impact soll sich unter anderem in günstigeren Finanzierungsbedingungen niederschlagen. Dazu teilt die Bank ihre Kunden bereits im Rahmen des weitgehend automatisierten Onboarding-Prozesses in die Klassen „agnostisch“, „verantwortungsvoll“ und „wirkungsvoll“. Wer sich im Laufe der Kundenbeziehung verbessert, erhält bessere Konditionen.
„Wir wollen gesündere Incentivierungsstrukturen rund um Kapital finden, die zu einem Race to the Top statt einem Race to the Bottom führen“, erklärt Dienst. Anders als viele Impact-Investoren steht Remagine dabei allen Unternehmen als Finanzierungspartner offen, betonen die Gründer. „Wir glauben, dass jeder den nächsten Schritt machen kann“, erklärt Johansson. „Impact muss in den Mainstream kommen“, sagt Dienst. Als nächstes Produkt hat sich Remagine den Launch eines Firmenkontos vorgenommen.