Repo-Märkte erhöhen die Finanzmarktstabilität
Die Politik scheint sich zu besinnen, für den Moment zumindest. Im Zusammenhang mit der Finanztransaktionssteuer, so war jüngst zu lesen, sollen negative Nebeneffekte vermieden werden. Weil dies eine neuerliche Überarbeitung der entsprechenden EU-Richtlinie auf Seiten der EU-Kommission erfordert, dürfte sich die Einführung der Steuer auf frühestens Mitte 2014 verschieben. Die neue Einsicht und die gewonnene Zeit sollten gut genutzt werden, denn noch immer gibt es Stimmen, die einen möglichen Steuersegen für weit überzeugender befinden als die guten Argumente, mit denen von unterschiedlichsten Seiten eben diese Überarbeitung für dringend geboten angemahnt wird. Einige dieser Stimmen zeigen sich laut Presseberichten “empört” darüber, dass derzeit auf Referentenebene in Brüssel Ausnahmen für Repo-Geschäfte sowie im Bereich der Altersvorsorge erwogen werden. Steuer überstiege den ZinsDabei wird gerade auch am Beispiel der Repo-Geschäfte deutlich, welche Folgen eine nicht zu Ende gedachte und undifferenzierte Besteuerung von Finanztransaktionen mit sich bringen kann. Mit Repo-Geschäften versorgen sich Banken untereinander kurzfristig, meist über Nacht, zu einem sehr geringen Zinssatz mit Liquidität. Dafür tauschen sie im Rahmen eines Handelsgeschäfts Wertpapiere gegen Geld. Die Wertpapiere dienen der kreditgebenden Bank dabei als Sicherheit. Zum vereinbarten Zeitpunkt kauft das kreditnehmende Institut die Wertpapiere dann wieder zurück. Zwar sollen diese beiden Transaktionen laut bisherigem EU-Richtlinienentwurf nur einmal besteuert werden, weil unmittelbar einleuchtet, dass es sich hier keineswegs um zwei voneinander unabhängige Geschäfte handelt. Dennoch übersteigt der bislang angedachte Steuersatz von 0,1 % für die Transaktion den Zinssatz für ein Übernachtgeschäft auf dem Repo-Markt bei weitem. Die Folge: Diese zentrale Liquiditätsquelle würde im Falle einer wie bisher geplanten Besteuerung komplett austrocknen. Im Widerspruch zu Basel IIIDie Konsequenzen eines Versiegens dieser Quelle jedoch wären weitreichend. Das betrifft vor allem und zuerst das nach der Finanzkrise wichtigste Regulierungsziel, nämlich die Finanzmarktstabilität. Die Richtlinie Basel III fordert von Kreditinstituten, dass diese für Krisenzeiten ausreichend Liquiditätspuffer vorhalten sollen, und dazu gehören zu einem wesentlichen Teil auch hochliquide Wertpapiere – die Regulierer nennen den Repo-Markt sogar ausdrücklich als zentrales Liquiditätsinstrument. Der Mechanismus: Kommen Banken in Liquiditätsstress, kann ein funktionsfähiger Repo-Markt die Krisenresistenz der Branche steigern. Auch für Derivate-Transaktionen werden von Seiten der Regulierer als Sicherheiten liquide Wertpapiere genannt. Die Steuer droht damit einen wesentlichen Aspekt der Finanzmarktstabilität auszuhebeln, der seitens der Regulierer gefordert wird.Würde die Steuer wie bislang geplant eingeführt, käme es unweigerlich zu unerwünschten Ausweichreaktionen. Als Alternative ganz sicher nicht attraktiver für Banken wären längerfristige Finanzierungsmodelle, wie mitunter zu hören ist. Denn Sinn und Zweck des Repo-Marktes ist ja gerade der kurzfristige Liquiditätsausgleich im Rahmen der aufsichtsrechtlich gebotenen Liquiditätssteuerung in den Kreditinstituten. Vielmehr ist abzusehen, dass die Europäische Zentralbank dauerhaft in ihrer Rolle als zentraler Liquiditätsspender verhaftet bliebe, eine Funktion, an der niemandem gelegen sein kann. Darüber besteht ein breiter Konsens. Auch institutseigenes Zentralbankguthaben könnte verstärkt als Sicherheit hinterlegt werden – Kapital, das nicht mehr anderweitig zur Verfügung stünde, wie zum Beispiel für Unternehmenskredite, um damit produktive Investitionen zu finanzieren.Ohnehin träfe die Steuer in erheblichem Maße die produzierende und dienstleistende Wirtschaft insgesamt. Denn Repo-Geschäfte werden nicht nur von Banken für die Liquiditätssteuerung genutzt, sondern auch in der Industrie. Ausweichbewegungen wären hier ebenso unvermeidbar. Unternehmen würden sich zunehmend über Staaten refinanzieren, in denen keine Finanztransaktionssteuer anfällt, und es wäre zu erwarten, dass dortige Finanzplätze einen massiven Zufluss an Liquidität erfahren, der in den elf Ländern mit Steuerbelastung fehlen würde. Auch Industrie betroffenSelbst an den Märkten für Anleihen hoher Bonität, wie zum Beispiel erstklassig bewertete Staatsanleihen oder auch der Pfandbrief, würde sich die Steuer bemerkbar machen, denn solche Papiere ziehen einen Teil ihrer großen Attraktivität eben aus ihrer Funktion als Sicherheit auf den Repo-Märkten. Fällt diese Funktion weg, weil keine Wertpapierleihe mehr stattfindet, leiden der Handel und damit die Liquidität auf diesen wichtigen Märkten. Zugleich würden sich auch die Zugangsbarrieren für kleine und mittlere Unternehmen zu den Finanzmärkten erhöhen, denn die Steuer würde Unternehmensanleihen für Investoren unattraktiver machen. Die Kapitalkosten stiegen wegen des Zwangs zu höher verzinslichen Kupons spürbar. Das Deutsche Aktieninstitut und der Verband deutscher Treasurer verweisen mit Recht darauf, dass kapitalmarktorientierte Finanzierungsinstrumente damit gegenüber dem klassischen Bankkredit diskriminiert würden, was klar den Zielen der EU-Kommission widerspricht.Dieses letzte Beispiel zeigt nur ansatzweise: Auch jenseits des Repo-Marktes, der Versorgung mit kurzfristiger Liquidität oder der Altersvorsorge gibt es eine ganze Reihe von Aspekten, vom Risikomanagement in Banken und Industrie bis hin zu Auswirkungen auf die Geldpolitik, die bei der Gestaltung einer Finanztransaktionssteuer Berücksichtigung finden müssen.Dr. Lutz Raettig ist Sprecher des Präsidiums der Finanzplatzinitiative Frankfurt Main Finance e. V.In dieser Rubrik veröffentlichen wir Kommentare von führenden Vertretern aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, aus Politik und Wissenschaft.——–Von Lutz Raettig ——-Die Finanztransaktionssteuer steht im Widerspruch zu etlichen Zielen der Finanzmarktregulierung.