Retailbanken bohren Potenziale an

BCG: Leistungen in Preise umzusetzen kann den Ertragspool signifikant bereichern

Retailbanken bohren Potenziale an

Was Banken ihren Privatkunden früher als kostenlosen Service rund ums Girokonto anboten, muss angesichts schwindender Zinseinnahmen nun bepreist werden. Denn es müssen zusätzliche Ertragsquellen her.bg Frankfurt – Die Boston Consulting Group (BCG) hat in einer Studie zum deutschen Retailbanken-Markt dargelegt, dass für den Ertragspool ein zusätzliches Potenzial von bis zu 10 Mrd. Euro besteht. Im Rahmen eines Pressegesprächs zeigten die beiden BCG-Partner Holger Sachse und Rüdiger Filbry anhand des Girokontos, dass Handlungsbedarf besteht, versiegen doch die Einnahmen aus dieser Ertragsquelle (siehe Grafik). Neben reduzierten Gebühren aus diesem Produkt sind es vor allem nachlassende Einnahmen aus den an das Konto gekoppelten Geschäften wie dem Zahlungsverkehr oder der Fris-tentransformation, was eine Folge des Niedrigzinsumfeldes ist. Den Beratern zufolge haben die Banken mit Verringerung der Spreads 40 bis 50 % ihrer Möglichkeiten zur Fris-tentransformation verloren.Läuft alles so weiter, werden die deutschen Retailbanken bis 2020 weitere 5 % ihrer Erträge verlieren, wobei BCG mit 20 % weniger Filialen rechnet. Der Ertragspool für 2015 wird auf etwa 50 Mrd. Euro beziffert. Das zusätzliche Ertragspotenzial von 5 bis 10 Mrd. Euro soll über die drei Hebel Pricing (7 bis 10 %), Partnerschaften (4 bis 7 %) sowie Daten (4 bis 7 %) erzielt werden. Würden allein Leistungen in Preise entlang aller Bankprodukte umgesetzt, winkten der BCG-Berechnung zusätzliche Erträge von bis zu 5 Mrd. Euro. Am Beispiel Girokonto – ein Feld, das Banken und Sparkassen bereits mit Gebührenerhöhungen beackern – zeigt BCG, dass sich in Summe der Maßnahmen inklusive einer Senkung der Struktur- und Prozesskosten mit dem Girokonto 40 bis 60 Euro je Konto verdienen lassen könnten. Status quo ist eine Spanne von – 30 bis +10 Euro je Konto.Doch wo früher nominal kostenlose Konten über Zinserträge aus dem Einlagengeschäft ins Geld gebracht werden konnten, müssen die Retailbanken nun auch Dienstleistungen (entlang der unterschiedlichen Kontaktpunkte) bepreisen, die bislang still und leise ohne explizite Gebühren erbracht wurden. So sei zum Beispiel beim Zahlungsverhalten über eine Anreizsetzung weg vom Bargeld hin zum Karteneinsatz anzusetzen, empfehlen die Berater. Von dem wegen ihrer Kontenkündigungen ins Gerede gekommenen Fintech Number26 ist bekannt, dass sich nur Kunden rechnen, deren Kosten für Bargeldabhebungen nicht die Einnahmen aus den Interchange-Gebühren für den Karteneinsatz überschreiten.Großes Ertragspotenzial wittern die Berater für Banken bei den Partnerschaften mit Fintechs, was 2,0 bis 3,5 Mrd. Euro an Einnahmen greifbar machen könnte, wenn zum Beispiel die Schnittstellen (API) geöffnet werden für die Aufschaltung von Fintech-Produkten. Angesichts der Auflösung von Wertschöpfungsstufen müssten die Banken ihren Platz finden in den entstehenden Ökosystemen und dafür fallweise auch ihre Aktivitäten ausweiten. Dafür müssten dann aber auch die mitunter verstaubten IT-Systeme (deutsche Kernbankensysteme sind im Schnitt 8,7 Jahre alt) aufgerüstet werden, allein um digitale Innovationen schneller umsetzen zu können. Sachse zufolge haben europäische Fintechs im vergangenen Jahr rund 1,5 Mrd. Euro für die Weiterentwicklung ihrer Algorithmen investiert.Besonderes Augenmerk sollte mit Entstehung vollständig digitaler Lösungen einer Neugestaltung der Kundeninteraktion gelten. BCG hat festgestellt, dass im Multikanal tätige Banken mit höherer digitaler Interaktion tendenziell eine höhere Profitabilität zeigen. Mit welcher Agilität eine digitale Transformation angegangen werden könne, habe die ING in den Niederlanden vorgemacht, berichten Sachse und Filbry. Innerhalb von sechs Monaten habe die Bank ihre Organisation auf Methoden von Spotify und Google umgestellt.