Retailbanken zerrinnen die Erträge
Retailbanken werden sich den Folgen des Niedrigzinses in absehbarer Zeit nicht entziehen können: ZEB-Berater beziffern die Ertragsverluste bis 2022 allein in Deutschland auf 2 Mrd. Euro. Abhilfe sollen Umbauten der Geschäftsmodelle schaffen, die bis hin zur Wandlung der Banken zu Plattformanbietern reichen. fir Frankfurt – Europas Banken droht bei anhaltendem Niedrigzins im Einlagengeschäft ein Ertragseinbruch von 40 % innerhalb der nächsten fünf Jahre. Die Gesamterträge im Privatkundengeschäft europäischer Institute werden nach Berechnungen der Beratungsgesellschaft ZEB bis 2022 um weitere 3 Mrd. auf dann 256 Mrd. Euro schrumpfen (siehe Grafik), heißt es in der “European Retail Banking Study”, die der Börsen-Zeitung vorab vorliegt. In Deutschland geht es der Prognose zufolge in diesem Zeitraum um 2 Mrd. auf 39 Mrd. Euro bergab.In den meisten Ländern des Kontinents hätten Retailbanken mit stagnierenden oder sinkenden Erträgen zu kämpfen, weil die Margen im Einlagen- und Kreditgeschäft angesichts des Niedrigzinsumfelds unter Druck stehen. Die Ausweitung des Geschäfts, z. B. durch verstärkte Kreditvergabe, könne den negativen Effekt der Geldpolitik aber nur teilweise ausgleichen. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat im März eine mögliche Zinswende vorerst ins nächste Jahr verschoben und die Entscheidung bei der gestrigen Sitzung des EZB-Rats bekräftigt.Den Instituten prophezeit die Beratungsgesellschaft unerfreuliche Aussichten, sollten sie ihre Geschäftsmodelle nicht anpassen. In Großbritannien etwa würden Hypothekendarlehen binnen fünf Jahren nur noch die Hälfte der Erträge abwerfen, heißt es von ZEB. Spaniens Banken hätten von 2017 bis 2022 einen Schwund der Krediterträge von 18,6 Mrd. auf 16,3 Mrd. Euro hinzunehmen, ihre italienischen Pendants um 800 Mill. auf 10,3 Mrd. Euro. Um schrumpfenden Einnahmen entgegenzuwirken, schlägt ZEB Filialbanken vor, sich auf Beratung bei komplexen Bankprodukten zu fokussieren und sie auf weitere Kanäle auszudehnen, und Direktbanken, Skaleneffekte auszuspielen und zusätzlich zu ihrem Kerngeschäft Partnerschaften mit Geschäftskunden einzugehen, um erstklassige Produktlösungen anzubieten. Plattformgeschäft als ZielAls “vertrauensvolle Berater” und “Produktspezialisten” könnten sie sich in einem weiteren Schritt zu Akteuren eigener Ökosysteme entwickeln, d. h. Online-Plattformen betreiben, auf denen nicht nur sie Produkte und Dienste anbieten, sondern auch ausgewählte Partner, die per digitale Schnittstellen andocken. Diese Drittanbieter können ZEB zufolge Finanzdienstleister sein, aber auch ganz andere Anbieter wie Rechtsberater, Architekten, Ruhestandsberater, Auto- und Einzelhändler oder Makler sein. Sie würden die Plattform beleben und den Banken neue Kunden zuführen.Als Paradebeispiel für eine solche Konstruktion nennt ZEB die singapurische DBS, eine Retailbank mit fünf Millionen Kunden in 18 Staaten Asiens und in Großbritannien. Kooperationspartner sind über 200 API-Schnittstellen an die DBS-Plattform angeschlossen und bescherten dem Institut nicht nur neue Klientel, sondern auch Provisionserträge in Form von Vermittlungsgebühren, wenn Kunden Dienste in Anspruch nehmen. Filialbanken, die sich zu “vertrauensvollen” Beratern mauserten, seien in der Lage, ihre Erträge um 10 % zu steigern und die Kosten um 9 % zu reduzieren. Als “Produktspezialisten” fungierende Digitalbanken dürften laut ZEB auf ein Ertragsplus von 9 % und eine Senkung der Kosten von 13 % hoffen. Ökosystem-Akteure könnten gar 17 % mehr Erträge einstreichen und 8 % sparen.ZEB geht davon aus, dass Filialbanken innerhalb der nächsten Dekade noch stärker unter Druck geraten als bisher. Der Großteil der Basisprodukte und -dienstleistungen von Filialbanken werde “mit einiger Wahrscheinlichkeit” irrelevant, die Bargeldausgabe via Geldautomat an Dienstleister wie Supermärkte und Tankstellen abgegeben. Die Beratung bei einfachen Finanzprodukten übernähme künftig eine neue Form von Finanzdienstleistern, erwarten die Studienautoren.Während Kunden von ihren Banken maßgeschneiderte Lösungen verlangen, monieren die Umfrageteilnehmer, dass Bankprodukte wenig persönlichen Nutzen böten und sie deshalb nicht bereit seien, für bestehende Angebote mehr zu zahlen. “Kunden glauben auch, dass Banken Unternehmensinteressen an die erste Stelle stellen”, so die Studie.