Rettung von Unternehmen in der Coronakrise
Dr. Christian BeckerRechtsanwalt und Partner bei GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbBDr. Lutz PospiechRechtsanwalt bei GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbBDie staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie führen auch weiterhin zu erheblichen Einschränkungen des sozialen und des wirtschaftlichen Lebens in Deutschland und der Welt. Schon zu Beginn des Teil-Lockdowns im November 2020 ist absehbar, dass die fatalen wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie noch deutlich über die Folgen der Finanzkrise 2008/2009 hinausgehen werden. Der Bund hat zur Abmilderung dieser Auswirkungen auf die Wirtschaft in Deutschland eine Vielzahl von Maßnahmen beschlossen und Schutzschirme aufgespannt – u.a. auch das Gesetz zur Errichtung eines Wirtschaftsstabilisierungsfonds (Wirtschaftsstabilisierungsfondsgesetz, WStFG).Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) hat ein Volumen von insgesamt 600 Mrd. Euro. Davon sind für mögliche staatliche Garantieübernahmen 400 Mrd. und für Rekapitalisierungsmaßnahmen 100 Mrd. Euro vorgesehen. Ferner kann der Bund weitere Kredite in Höhe von 100 Mrd. Euro für die Refinanzierung von Sonderprogrammen der KfW aufnehmen.Prominentes und erstes Beispiel für Maßnahmen des WSF ist das Stabilisierungspaket für die Deutsche Lufthansa AG, die durch die coronabedingten Reisebeschränkungen und das damit verbundene Erliegen des Flugverkehrs in die Krise geraten ist. Vorgesehen sind Stabilisierungsmaßnahmen und Kredite von bis zu 9 Mrd. Euro. Davon soll der WSF 5,7 Mrd. Euro als stille Einlagen in das Vermögen der Lufthansa leisten. Zudem soll sich der WSF durch Zeichnung von Aktien im Wege einer Kapitalerhöhung in Höhe von 20% am Grundkapital der Lufthansa beteiligen. 3 Mrd. Euro soll die Gesellschaft über KfW-verbürgte Bankkredite erhalten. Verbunden sind die Stabilisierungsmaßnahmen durch den WSF mit strengen Auflagen wie der Bereitstellung zweier Sitze im Aufsichtsrat, dem Verzicht auf künftige Dividendenzahlungen und der Übertragung von bis zu 24 Start- und Landerechten an Wettbewerber.Auch der Tourismuskonzern Tui hat sich in der Coronakrise Staatshilfen gesichert. Ein bereits im April gewährter KfW-Kredit über 1,8 Mrd. Euro wird nun um weitere 1,05 Mrd. Euro aufgestockt. Zudem zeichnet der WSF eine Wandelanleihe im Volumen von 150 Mill. Euro. Jüngste Praxisbeispiele für Unterstützungsmaßnahmen durch den WSF sind die Gewährung von Nachrangdarlehen in Höhe von 235 Mill. Euro an die FTI Touristik GmbH, in Höhe von 193 Mill. Euro an die MV Werften Holding Ltd. sowie in Höhe von 35 Mill. Euro an die German Naval Yards Kiel GmbH.Das WStFG baut auf dem zur Bankenrettung geschaffenen Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz auf und ergänzt dieses. Durch das StFG wird ein nichtrechtsfähiges Sondervermögen geschaffen – der WSF. Dieser dient einer Stützung und Stabilisierung von Unternehmen, die aufgrund der Corona-Pandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind. Das neu geschaffene Wirtschaftsstabilisierungsbeschleunigungsgesetz (WStBG) (bisher: Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz) regelt befristete Änderungen des Gesellschaftsrechts, um die staatlichen Hilfsmaßnahmen durch den WSF schneller und rechtssicher umsetzen zu können. Zentrale Bestandteile des WStBG sind die Erleichterungen für die Beschlussfassung und Durchführung von Kapitalmaßnahmen; insbesondere soll es dem WSF ermöglicht werden, sich an Unternehmen der Realwirtschaft zu beteiligen. Unternehmen aus dem Finanzsektor können hingegen keine Förderung aus dem WSF beantragen.Die Förderung aus dem WSF können grundsätzlich Unternehmen beantragen, die in den letzten beiden Geschäftsjahren vor dem 1.1.2020 mindestens zwei der drei folgenden Kriterien erfüllen:1. eine Bilanzsumme von mehr als 43 Mill. Euro, 2. Umsatzerlöse von mehr als 50 Mill. Euro und 3. eine Arbeitnehmeranzahl im Jahresdurchschnitt von mehr als 249. Gefördert werden können unabhängig vom Vorliegen der vorgenannten Kriterien auch diejenigen Unternehmen, die einen für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland wesentlichen Geschäftsbetrieb haben, sowie Start-up-Unternehmen, die seit dem 1.1.2017 eine Finanzierung mit einer Unternehmensbewertung von mindestens 50 Mill. Euro (post money) abgeschlossen haben. Zweck des WSF ist die Stabilisierung von Unternehmen durch (i) die Überwindung von Liquiditätsengpässen und (ii) die Schaffung der Rahmenbedingungen für eine Stärkung der Kapitalbasis, wenn eine Bestandsgefährdung dieser Unternehmen erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft, die technologische Souveränität, Versorgungssicherheit, kritische Infrastrukturen oder den Arbeitsmarkt hätte. Diese Kriterien werden regelmäßig erfüllt sein, wenn die Unternehmen wie zuvor beschrieben antragsberechtigt sind. Als mögliche Stabilisierungsmaßnahmen sind in §21 StFG Garantien durch den WSF vorgesehen. Der WSF kann grundsätzlich für ab dem 28.3.2020 bis derzeit zum 31.12.2021 begebene Schuldtitel und begründete Verbindlichkeiten eines Unternehmens der Realwirtschaft Garantien übernehmen, um Liquiditätsengpässe zu beseitigen und die Refinanzierung am Kapitalmarkt zu unterstützen. Es ist derzeit geplant, diese Frist bis Mitte 2021 zu verlängern. Die Laufzeit der Garantien und der abzusichernden Verbindlichkeiten darf dabei 60 Monate nicht übersteigen. In der Regel wird der WSF bankenübliche Ausfallbürgschaften über 90% der gewährten Finanzierung ausreichen.Zudem kann sich der WSF an der Rekapitalisierung von Unternehmen beteiligen (§22 StFG). Eine Beteiligung mit wirtschaftlichem und/oder echtem bilanziellen Eigenkapital hat zu angemessenen Konditionen, insbesondere einer angemessenen Vergütung, zu erfolgen. Mögliche Rekapitalisierungsmaßnahmen können nach derzeitigen Regelungen bis zum 30.6.2021 erfolgen. Sie umfassen etwa den Erwerb von nachrangigen Schuldtiteln, Hybridanleihen, Wandelanleihen, Genussrechten, stillen Beteiligungen oder Anteilen an Unternehmen. Das Standard-Beteiligungsinstrument des WSF wird – wie auch in der Finanzkrise 2008/2009 – die stille Beteiligung sein. Für eine Förderung durch den WSF sind stets auch folgende Voraussetzungen durch die Unternehmen zu erfüllen: anderweitige Finanzierungsmöglichkeiten stehen nicht zur Verfügung; der Liquiditäts- und Kapitalbedarf geht auf die Covid-19-Pandemie zurück; durch die Stabilisierungsmaßnahmen besteht eine klare und eigenständige Fortführungsperspektive nach Überwindung der Covid-19-Pandemie; das Unternehmen bietet Gewähr für eine solide und umsichtige Geschäftspolitik und das Unternehmen leistet Beitrag zur Stabilisierung von Produktionsketten und zur Sicherung von Arbeitsplätzen. Die Finanzierungsmaßnahmen des WSF sind angemessen zu vergüten. Bei der zu vereinbarenden Vergütung ist auch die Krisensituation des Unternehmens mit Risikoaufschlägen zu berücksichtigen. Zudem soll die Vergütungsstruktur bei Rekapitalisierungsmaßnahmen Anreize für einen raschen Ausstieg des WSF schaffen; dies hat ein Ansteigen der Vergütungen mit zunehmender Beteiligungsdauer des WSF zur Folge. Mit den Stabilisierungsmaßnahmen werden regelmäßig umfangreiche Verpflichtungen der Unternehmen gegenüber dem WSF einhergehen. Hierfür kommen insbesondere die folgenden Punkte in Betracht: die Aufnahme weiterer Kredite, die Mittelverwendung, eine Untersagung von Dividendenausschüttungen, die Begrenzung der Vergütung der Mitglieder der Geschäftsleitung auf die Grundvergütung zum 31.12.2019, eine Untersagung einer Beteiligung von mehr als 10% an Wettbewerbern bzw. vor- und nachgelagerten Unternehmen, umfassende Berichtspflichten und die Entwicklung einer Ausstiegsstrategie für die Staatsbeteiligung.Das WStBG enthält erhebliche gesellschaftsrechtliche und sonstige rechtliche Erleichterungen, die die Umsetzung der Rettungsmaßnahmen durch den Staat beschleunigen und rechtssicher gestalten. Neben der Erleichterung von Kapitalmaßnahmen ist diesbezüglich insbesondere die erleichterte Ausgabe von Genussrechten und Schuldtiteln an den WSF zu nennen. Die Vorschriften, die die Rekapitalisierung von Unternehmen mit Hilfe des WSF erleichtern sollen, orientieren sich primär am Aktienrecht (§§7ff. WStBG) und ordnen eine entsprechende Geltung für andere Rechtsformen an (§§9ff. WStBG). Fazit: Der Bund stellt mit dem WSF einen großvolumigen Rettungsschirm zur Verfügung, um Unternehmen in der Coronakrise zu stabilisieren. Nachdem die EU-Kommission den WSF bereits am 8.7.2020 beihilferechtlich genehmigt hatte, sind am 7.10.2020 auch die Rechtsverordnungen zur Durchführung des WStFG im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden. Gerade noch rechtzeitig zur zweiten Welle der Covid-19-Pandemie in Deutschland ist der WSF damit vollständig operabel geworden. Der WSF kann mit großer Schlagkraft zur Krisenbewältigung von Unternehmen in diesen Zeiten beitragen. Unternehmen müssen die Beteiligungsmöglichkeiten durch den WSF unbedingt in Betracht ziehen, um eine durch die Corona-Pandemie bedingte Unternehmenskrise zu überwinden.