LEITARTIKEL

Revolution im Kartenmarkt

Es bedarf eines Machtwortes, um das Kartell im deutschen Kartenmarkt aufzubrechen. Das seit 1991 und damit mehr als zwei Jahrzehnte bestehende einheitliche Entgelt beim Bezahlen mit der Girocard (vormals EC-Karte) ist dem Kartellamt seit längerem...

Revolution im Kartenmarkt

Es bedarf eines Machtwortes, um das Kartell im deutschen Kartenmarkt aufzubrechen. Das seit 1991 und damit mehr als zwei Jahrzehnte bestehende einheitliche Entgelt beim Bezahlen mit der Girocard (vormals EC-Karte) ist dem Kartellamt seit längerem ein Dorn im Auge, doch nun hat die Behörde ernsthafte wettbewerbliche Bedenken angemeldet und differenzierte Entgelte zwischen Händlern und Banken eingefordert. Bisher muss der Händler von der Kaufsumme 0,3 % bzw. mindestens 8 Cent an die Banken abführen, wenn der Kunde per Electronic Cash, also mit Girocard und der Geheimnummer PIN bezahlt. Das summiert sich auf 250 Mill. Euro im Jahr, wie der Handelsverband HDE vorrechnet.Der Handel kann diesem “Provisionskartell” kaum entgehen, denn Electronic Cash ist das mit Abstand führende Kartenzahlungssystem auf dem deutschen Markt mit einem Transaktionsvolumen von 128 Mrd. Euro jährlich. Dafür haben die Banken in Deutschland gesorgt, indem die in der Deutschen Kreditwirtschaft (DK) zusammengeschlossenen Bankenverbände nicht nur gemeinsam das einheitliche Entgelt festgesetzt haben, sondern auch eine Klausel in die Akzeptanzverträge mit den Händlern eingebaut hatten, um ihr nationales Zahlungssystem zu sichern. Laut den Regeln musste eine Zahlung mit einer Girocard – auch wenn sie das Maestro-Logo des Debitkartenverfahrens der Kreditkartenorganisation Mastercard trägt – an deutschen Kassenterminals immer als Girocard-Transaktion abgewickelt werden. Diese Wettbewerbseinschränkung wurde erst Ende 2011 aufgegeben. Bis dahin konnten sich nur wenige den Regeln entziehen, etwa die nicht im DK vertretenen Sparda-Banken, die “Maestro-only”-Debitkarten an ihre Kunden ausgegeben haben.Zum Teil haben einzelne Bankenverbände bereits individuelle Provisionen mit Händlern verhandelt, doch betrifft dies bisher nur einige wirklich große Player im Markt. Das reicht dem Kartellamt zwar noch nicht aus, zeigt aber, dass eine Senkung durchaus möglich ist. Mit einer Entgeltsenkung auf 0,2 % wurden so vor einigen Jahren Tankstellenketten zur Akzeptanz der Girocard gewonnen. Auch große Einzelhandelsketten können ihre Marktmacht nutzen und niedrigere Provisionen verhandeln. Doch sie fahren oft auch zweigleisig: Neben Electronic Cash nutzen sie das Elektronische Lastschriftverfahren (ELV), bei dem der Kunde einen Zahlungsbeleg unterschreibt. Das Geld holt sich der Händler später vom Konto des Kunden, doch dieser kann der Abbuchung widersprechen, was ein gewisses Risiko birgt. Diesem – kostenlosen – Verfahren wollen die Banken mit technischen Änderungen jedoch den Garaus machen, indem auf dem Kartenchip statt der Kontodaten nur noch eine nicht ELV-lesbare Kundennummer untergebracht wird. Zu Recht fordert das Kartellamt daher den Erhalt des Lastschriftverfahrens als Konkurrenzprodukt.Doch der Kunde, der mit Karte zahlt, kann überhaupt nicht überblicken, welches Verfahren mit welchen Auswirkungen sich im Hintergrund abspielt. Eine offene Bepreisung der Zahlungsvarianten wäre eine mögliche Lösung. Seit Jahresanfang können Händler bei Zahlung mit der Girocard einen Preisaufschlag verlangen, nachdem die Bankenverbände auf Druck des Kartellamts auf ein diesbezügliches Verbot verzichtet haben. Ein Preisaufschlag für Kartenzahlungen wäre eine Revolution, denn bisher lautete die Argumentation genau umgekehrt: Die Kosten für Kartenzahlungen tragen alle Verbraucher, also auch “ungerechterweise” die Barzahler, auf welche die Händler ihre Kosten abwälzen. Insofern müssten mit einer Senkung der Kartengebühren auch die Verbraucherpreise generell gesenkt werden. Das ist allerdings eine Scheindebatte, denn wer prüft nach, ob das Kartenentgelt von 0,3 auf 0,2 % gesenkt wird? Das sind bei einem Einkaufswert von 100 Euro für den Endkunden nur 10 Cent Differenz. Weit gravierender schlagen da die Entgelte der Kreditkarten wie Visa, Mastercard oder American Express zu Buche, die bis zu 3 %, aber auch mehr betragen können. Auch hier mangelt es an Transparenz für Endkunden.Angesichts der seit 20 Jahren enorm gestiegenen Volumina, die inzwischen über Karten abgewickelt werden, sind umsatzabhängige Entgelte bei Debitkarten ohnehin in Frage zu stellen. Die Abwicklung ist die gleiche, egal wie hoch der Betrag ist. Einige Länder in Europa haben bereits feste Entgelte je Transaktion eingeführt, und im kommenden Februar wird der einheitliche Euro-Zahlungsverkehrsraum Sepa Realität. Wenn sich die deutschen Banken nicht bewegen, werden grenzüberschreitende Zahlungsdienstleister dann den hiesigen Markt aufmischen. ——–Von Karin Böhmert ——-Ein Preisaufschlag für Kartenzahlungen wäre eine Revolution.