17. INTERNATIONALER RETAIL-BANKENTAG

Revolution in engen Grenzen

Smartphones stellen den Kontakt zum Kunden auf neue Füße, doch bei alltäglichen Zahlungen pflegt die Technik ein Nischendasein

Revolution in engen Grenzen

jsc Frankfurt – Das Smartphone wird nach Auffassung der deutschen Kreditwirtschaft die Gewohnheiten der Kunden tiefgreifend verändern – und für viele Geschäfte trotzdem vorerst nur eine Randerscheinung bleiben. Auf dem 17. Internationalen Retail-Bankentag von Börsen-Zeitung und Diebold Nixdorf haben Vertreter der Postbank, Commerzbank und ING jeweils ein unterschiedliches Bild skizziert, wie sehr sich die Technik künftig verbreiten wird.”Der mobile Kanal wird wichtiger sein als heute, wichtiger als der Online-Kanal”, sagte Sabine Schmittroth, Bereichsvorstand für Private Kunden der Commerzbank, am Donnerstag in Frankfurt. Noch dramatischer sieht es Bernd Geilen, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der ING in Deutschland. “Die Zahl der Kontakte über das Smartphone ist in den vergangenen Jahren explodiert. Und sie wird weiter fliegen.” Nicht mehr der Computer am heimischen Schreibtisch, sondern das Mobiltelefon in der Hosentasche sei heute das wesentliche Kommunikationsmittel. Mit Blick auf alltägliche Zahlungen wie im Einzelhandel schreibt die Postbank, die mittlerweile zur Sparte DB Privat- und Firmenkundenbank der Deutschen Bank zählt, der neuen Technologie nur ein Nischendasein zu. Zwar wachse der Anteil im Zahlungsverkehr, “aber viel weniger, als von den meisten prognostiziert”, sagte Susanne Klöß, die als Vorstand der Sparte das Privatkundengeschäft der Postbank verantwortet.Die Rolle des Smartphones werten die Banken jeweils anders. Commerzbank und Postbank stellen sich als Multikanal-Bank da, das Smartphone als Ergänzung. Schon früh habe die Postbank mit einer eigenen App Kunden erreicht, doch nur ein geringer Anteil nutze das Angebot tatsächlich, sagte Klöß. Zwar werde die Bedeutung zunehmen, und die persönliche Betreuung in einer Filiale werde stärker mit einer digitalen Betreuung verschmelzen. Einen Schwerpunkt sieht die Bank aber im traditionellen Geschäft: in der Versorgung mit Bargeld. Allein über das Netz der Postbank komme das Institut mit 850 Filialen und 2 100 Automaten auf eine beachtliche Summe, das Netz der Deutschen Bank und der Cash Group der privaten Banken komme noch hinzu. Eine Kooperation mit den Tankstellen von Shell, mit dem Geldautomatenbetreiber Cardpoint und den Postagenturen treibe die Zahl der Versorgungspunkte auf über 10 000 – ein wesentlicher Grund für Kunden, sich für eine Bank zu entscheiden, betont sie.Auch die Commerzbank hebt das Prinzip einer Filialbank hervor – rund 1 000 Filialen zählt das Haus bundesweit. Gerade junge Menschen schätzten die Erreichbarkeit via Smartphone, kämen für wichtige Angelegenheiten wie die Geldanlage oder Immobilienfinanzierung gleichwohl in die Filiale, betont Schmittroth. Mit “City”-Filialen, besetzt mit zwei oder drei Mitarbeitern, will die Bank in der Fläche erreichbar bleiben und zugleich der Verlagerung von Geschäft auf andere Kanäle begegnen. Vertrauen sei das wesentliche Gut einer Bank, so dass eine persönliche Beratung neben digitalen Instrumenten bestehen bleibe, sagte Schmittroth. Im Vertrieb gebe die gelbe Bank vor, das Ergebnis Jahr für Jahr zu steigern, doch auf Vorgaben für einzelne Produktkategorien verzichte das Institut – nur so seien die Berater “frei in der Analyse”.Den stärksten Wandel im Zuge des Smartphones beschreibt die ING, die in Deutschland trotz einer Ausweitung ihres Geschäftsmodells vor allem als Direktbank wahrgenommen wird und noch als ING-DiBa bekannt ist. Bankgeschäfte müssen nun auf eine Fläche von sieben mal zwölf Zentimeter passen, sagte Vize-Vorstandschef Geilen in Anspielung auf die Größe des Bildschirms. Die ING habe sich als Direktbank, die seit der Jahrtausendwende in Deutschland einen strammen Aufstieg vollzog, als “Desktop-Bank” etabliert, also als ein Institut, das den Zugang über den heimischen Computer ermögliche. Nun aber komme es weiter darauf an, die Darstellung weitgehend zu vereinfachen, damit das Wesentliche auch auf einen kleinen Bildschirm passe. Vieles habe sich bereits verändert – eine Wertpapierorder etwa sei heute viel einfacher als früher, als Kunden umfangreiche Masken ausfüllen mussten.Banken müssen aus Sicht Geilens aber auch “agiler” aufgestellt sein, um sich rasch wandeln zu können. War das Geschäft früher leichter zu durchschauen, sei heute nicht einmal klar, welche Rolle junge Finanztechnologiefirmen (Fintechs) oder große Internetkonzerne (Big Techs) in zwei Jahren spielten. Die Führungsstruktur passe die ING daher an. So wie ein Fußballtrainer im Profisport nicht mehr das vollständige Training betreue, sondern Fachleute für Kondition, Taktik oder Spielerpsychologie engagiere, so teile sich auch das Bankgeschäft weiter in Fachbereiche auf. Geilen: “Vor fünf Jahren hätte ich Ihnen nicht erklären können, was ein User-Experience-Spezialist ist.” Mittlerweile gebe es etliche Experten bei der Bank, die sich als Fachleute mit dem Erlebnis aus Kundensicht befassten, und auch in anderen Segmenten nehme die Arbeitsteilung zu.Den großen Vorteil des Smartphones sieht Geilen in der leichten Verfügbarkeit: Die schnelle Kontrolle des Kontostands sei zwischendurch dank der Technik sehr leicht möglich. Der Kundenkontakt wachse hier also weitaus schneller als im klassischen Online-Verkehr, während die Kontaktaufnahme per Telefon seit Jahren stagniere. Auch im TAN-Verfahren setzt die Bank künftig stärker auf das Smartphone und kurbelt so die Verbreitung der Technik an. Angst vor DiebstahlBei gewöhnlichen Zahlungen in Geschäften sei die Skepsis gegenüber Smartphones hoch, hebt derweil Klöß unter Verweis auf eine bislang nicht veröffentliche Umfrage der Postbank hervor. Jeder zweite Deutsche äußert die Befürchtung, dass ein Smartphone oder auch eine Kreditkarte gestohlen und für Zahlungen missbraucht werden könnte. Ein Viertel der Befragten gibt zu Protokoll, sich nicht genug mit den verschiedenen Möglichkeiten auszukennen. Klöß: “Jede Person muss für sich selbst entscheiden, mit welchem Kanal sie sich bei einem derart sensiblen Thema wohlfühlt.” Zwar könne die Technik sich in Zukunft weiter durchsetzen – bislang sei davon aber wenig zu sehen.