Robo-Advisory geht bislang am Laien vorbei

Umfrage der Börsen-Zeitung: Vor allem informierte Sparer nutzen automatische Geldanlage - Angebot soll sich breit durchsetzen

Robo-Advisory geht bislang am Laien vorbei

Robo-Advisory-Plattformen wollen ihr Angebot im Massengeschäft mit privaten Sparern etablieren. Die Online-Geldanlage funktioniert bereits gerade auch mit kleinen Summen – doch bislang greifen nur informierte Anleger zu, wie eine Umfrage der Börsen-Zeitung zeigt.Von Jan Schrader, FrankfurtWas ist das Besondere an automatischen Vermögensverwaltern, die als sogenannte Robo-Advisor an die Anleger herantreten? Die vereinfachte Beratung über einen Fragebogen, mit dem die Anbieter das Risikoprofil der Sparer ermitteln, ist allein kein Novum – ein standardisierter Ablauf in der Wertpapierberatung wäre schließlich auch ohne Online-Vermögensverwalter möglich. Auch die automatische Geldanlage über einen Computeralgorithmus, der über börsengehandelte Fonds (ETF) oder andere Produkte ein Portfolio zusammenbaut und fortlaufend anpasst, stellt jenseits aller technischen Raffinesse die Vermögensverwaltung nicht auf neue Beine – eine geschickte Streuung des Vermögens ist auch die Aufgabe klassischer Mischfonds, die im Markt längst etabliert sind.Und doch ist die Standardisierung von Beratung und Anlage durch den Computer ein wichtiger Schritt: Die automatischen Vermögensverwalter sind in der Lage, Kunden mit einem geringen Anlagevolumen zu bedienen – anders als eine individuelle Vermögensverwaltung. Die Börsen-Zeitung hat deutsche Robo-Advisory-Anbieter befragt, die eine automatische Beratung und Vermögensverwaltung offerieren. Ergebnis: Die Spanne der durchschnittlichen Anlagebeträge reicht weit auseinander. Sie erreicht bei Whitebox, Scalable Capital und dem Quirin-Bank-Anbieter Quirion jeweils einen mittleren fünfstelligen Betrag, während Vaamo mit durchschnittlich rund 10 000 Euro je Anleger und der Ebase-Ableger Fintego mit 5 000 bis 10 000 Euro jeweils kleine Summen steuern, auch weil Anleger Sparpläne rege nutzen (siehe Tabelle unten). Aus dem Rahmen fällt lediglich Liqid, die mit HQ Trust kooperiert, dem Multi Family Office der Unternehmerfamilie Harald Quandt. Mit einer Mindestanlagesumme von 100 000 Euro richtet sich die Plattform an vermögende Anleger und ermöglicht ihnen in einer weiteren Variante Investitionen in Private Equity. Im Durchschnitt lassen Anleger hier rund 300 000 Euro verwalten. Millionenpublikum erhofftDie standardisierte Vermögensverwaltung soll nach dem Willen einiger Anbieter für eine breitere Masse an Sparern zugänglich sein, ein Standardprodukt in einheitlicher und erschwinglicher Form. Die neuen Anbieter richten sich “im Kern an Kunden mit einem Anlagevolumen zwischen 10 000 und 25 000 Euro”, wie Fintego festhält, also an Anleger, “die in klassischem Sinne kaum noch echte Beratung genießen und hier über intelligente Online-Dialoge gut bedient werden können”. Quirion schreibt: “Für mittlere und kleinere Vermögen gab es bis zum Start von Quirion keine vergleichbaren Anlagemöglichkeiten.” Vaamo spricht bereits von 9 Millionen “potenziellen Robo-Advisor-Kunden” in Deutschland und will in fünf Jahren über alle Kanäle mehr als 1 Mrd. Euro über die Plattform betreuen. Scalable Capital gibt an, “dass in zehn Jahren jeder Privatanleger irgendeine Form von Robo-Advice nutzen wird”.Bislang ist all das natürlich Zukunftsmusik. Die befragten Anbieter kommen zusammen auf einen eher niedrigen dreistelligen Millionenbetrag, während in Deutschland allein auf Mischfonds ein Volumen von zuletzt 222 Mrd. Euro entfällt. Grenzen für ihr Geschäft benennen die befragten Anbieter nicht, das Wachstum ist den Angaben zufolge hoch. Der nächste Schritt ist eine enge Kooperation mit etablierten Adressen. So stellt Vaamo die technische Plattform für das Robo-Advisory-Angebot “Sina” bereit, das von der Bank Santander betrieben wird. Die Direktbanktochter der Frankfurter Sparkasse, 1822direkt, vermittelt Anleger an Vaamo. Ebase wiederum arbeitet mit Partnern wie Banken, Versicherern und Vermögensverwaltern zusammen und setzt dabei auch Fintego ein. Scalable Capital zählt seit dem gestrigen Dienstag Siemens offiziell zu den Geschäftspartnern. Über die Tochter Siemens Private Finance vermittelt der Konzern das Angebot des Start-up an Mitarbeiter und deren Angehörige in Deutschland. Berater, Unternehmer, ÄrzteZurückhaltung zeigt sich auch im Kundenverhalten. Oft legen Anleger erst kleine Beträge an, ehe sie die Beträge erhöhen, wie etwa Fintego berichtet. Und weil die Geldanlage per Maschine dem Laien bislang offenbar suspekt ist, greifen vor allem bereits gebildete Menschen zu dem Angebot. Die meisten Kunden seien “Akademiker und in Anlagethemen bereits vorgebildet”, hält Whitebox fest, oder aber “gut informiert und sehr gebildet”, wie es Quirion formuliert. “Berater, Unternehmer, Ärzte, Anwälte etc.” bedient demnach Liqid, “Wirtschaftswissenschaftler, Informatiker oder Ingenieure” legen bei Scalable Capital typischerweise ihr Geld an. Die Kundengruppe dürfte sich aber ausweiten, wie die Sutor Bank argumentiert. Die Generation der “Digital Natives” werde älter, so dass sich das Vertrauen festige.Das Robo-Advisory wird die klassische Vermögensverwaltung in vielen Fällen ergänzen und nicht verdrängen, wie einige Befragte mitteilen. Manche der jungen Fintechs bieten allerdings einen weniger umfassenden Service und fungieren etwa nur als Beratungsinstrument, überlassen aber dem Anleger die Entscheidung zur Geldanlage – die befragten Robo-Dienste zeigen sich uneins, wie die Chancen der Konkurrenten sind, die statt eines “Full Service” lediglich einen “Half Service” oder “Self-Service” anbieten (siehe Tabelle oben).”Es ist davon auszugehen, dass sich alle drei Modelle durchsetzen werden”, schreibt Quirion. Der Wettbewerb findet demnach innerhalb dieser Gruppen statt. Auch Vaamo, Fintego und Liqid sehen Chancen für alle Typen, unterstreichen aber die Rolle der umfassend vermögensverwaltenden Robos. Whitebox sieht “Plattformen, die lediglich Anlagevorschläge machen”, indes vor Schwierigkeiten, da starre Musterportfolios auch gratis erhältlich seien. Es reiche nicht aus, “eine schöne Webseite zu bauen, ein Gewerbe anzumelden und das Geld in drei statischen Varianten an Drittfonds zu vermitteln”, schreibt wiederum Scalable Capital, und die Sutor Bank ergänzt: “Der Trend geht ganz klar in Richtung vollständige und automatische Vermögensverwaltung.” Schon jetzt satteln Robo-Advisory-Anbieter demnach zunehmend auf eine vollständige Vermögensverwaltung um. Wandel im FondsvertriebEine weitere Hürde dürfte darüber hinaus die Trägheit vieler Kunden sein. Sieben von acht Bundesbürger sind keine Selbstentscheider bei der Geldanlage, hat etwa die Fondsgesellschaft Union Investment argumentiert, eine etablierte Adresse also. Die verbreitete provisionsbasierte Beratung hat demnach einen großen Vorteil: Der Bank- oder Sparkassenberater spricht als Fondsverkäufer die Kunden an, die sich andernfalls womöglich nie über die Geldanlage Gedanken gemacht hätten.Robo-Advisory-Anbieter argumentieren jedoch, dass die Provisionsberatung zunehmend unter Druck gerate. Fintego etwa erwartet stattdessen neue Modelle, “zum Beispiel eine All-in Fee für das Produkt, volumensbasierte Depotgebührenmodelle oder transaktionsbasierte Modelle mit Servicegebühr”. Whitebox spricht von einer höheren Kostentransparenz im Zuge der Regulierung, und Quirion verweist auf eine gestiegene Kenntnis der Anleger und auf Kostenbewusstsein im Zuge des Niedrigzinsumfelds. Liqid gibt an, dass die Provisionsberatung auf Dauer ein Auslaufmodell sei – “hoffentlich”, wie Scalable Capital ergänzt, seien doch “Provisionsberater im ständigen Interessenkonflikt mit ihren Kunden, weil sie am Verkauf der Produkte verdienen”. Ob aber auch automatische Vermögensverwalter die Laien in der Geldanlage erreichen können, muss sich noch zeigen.—– Wertberichtigt Seite 6