Rohstoffrisiken mit Derivaten in den Griff bekommen

Extreme Preisschwankungen bei konjunktursensitiven Rohstoffen erschweren die Produktionsplanung von Unternehmen

Rohstoffrisiken mit Derivaten in den Griff bekommen

Die Schwankungen zahlreicher Rohstoffpreise zählen zu den ausgeprägtesten an den Finanzmärkten. In diesem Jahr ist dies bislang nicht anders, ein Umstand, der auch nicht dadurch entscheidend gemildert wird, dass die Assetklasse “Rohstoffe” 2018 bislang den größten Wertzuwachs aller Anlageformen aufweist. Sehr deutlich wird die besonders ausgeprägte Preisentwicklung an den Emissionsberechtigungen (EUA). Allein im ersten Vierteljahr verzeichneten diese ein damals vom Gros der Marktbeobachter nicht für möglich gehaltenes Plus von gut 60 %. Seit Jahresbeginn bis Ende Mai haben sie sich in etwa verdoppelt und seit Mai 2017 auf knapp 16,00 Euro fast vervierfacht. Serie an PluszeichenDie auf das Jahr hochgerechnete Schwankungsintensität über zehn Tage in den letzten 1,5 Jahren pendelte dabei zwischen 20 % und 60 %, wobei zwischenzeitlich auch Spitzenwerte von 70 % erreicht wurden. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum kam der deutsche Aktienindex Dax auf einen Mittelwert von rund 10 % und Spitzenwerte von rund 25 % im Februar und April dieses Jahres. Genauso bemerkenswert und ungewöhnlich wie der Kursanstieg der EUA war dabei die Serie an Pluszeichen. Von einschließlich Mai letzten Jahres bis Mai dieses Jahres, also insgesamt 13 Monate in Folge, gab es eine ausschließlich positive Entwicklung jeweils zum Vormonat. Es gibt keine andere Anlageform, die eine ähnliche Erfolgssträhne vorweisen kann.Auch andere konjunktursensitive Rohstoffe haben sich seit Mitte letzten Jahres spürbar und zudem deutlich über das erwartete Ausmaß hinaus verteuert. Besonders prominent, weil am häufigsten in den Schlagzeilen, sei hier das schwarze Gold genannt. So legte der Rohölpreis für Brent Mitte Mai erstmals seit 2014 wieder auf 80 Dollar je Fass zu. Ursächlich hierfür war – wie allseits bekannt – vor allem die einseitige Aufkündigung des Atomabkommens der USA mit dem Iran, das voraussichtlich eine spürbare Einschränkung des weltweiten Erdölangebots nach sich ziehen wird. Sowohl die geplante Erdölförderkürzung der Opec als auch der ungeplante und zudem dramatische Förderausfall Venezuelas, der Militärschlag als Reaktion auf den Giftgasanschlag in Syrien sowie die seit Monaten robuste Weltkonjunktur spielten in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle. Erhöhte VolatilitätDarüber hinaus haben weitere spezielle Faktoren die Volatilität an anderen Rohstoffmärkten in diesem Jahr erhöht. So sorgte beispielsweise die zeitweise extrem kühle Witterung im Winter für eine ungewöhnlich starke Entleerung der EU-Erdgasspeicher mit den entsprechenden Folgen für den Erdgaspreis. Die Sanktionen der USA gegenüber zahlreichen Personen und Unternehmen Russlands, darunter der zweitgrößte Aluminiumproduzent Rusal, ließen wiederum den Aluminiumpreis spürbar hochschnellen. Davon blieb Nickel nicht unberührt, denn schnell griff die Sorge um sich, dass auch das russische Unternehmen Norilsk Nickel ins Visier der USA geraten könnte.Die erhöhte Schwankungsintensität an den Rohstoffmärkten ist dabei relativ neu beziehungsweise setzte erst mit Beginn des neuen Jahrtausends ein und wird häufig mit dem Eintritt Chinas in die Welthandelsorganisation WTO im Dezember 2001 in Verbindung gebracht. Zuvor gab es mehr als zwei Jahrzehnte relativ konstante Preise auf den Rohstoffmärkten. So pendelte beispielsweise der Rohölpreis für Brent von 1986 bis 2001 in einer vergleichsweise engen Spanne um die Marke von 20 Dollar je Fass. Es bedurfte schon einer militärischen Auseinandersetzung wie derjenigen mit dem Irak 1991, um das schwarze Gold aus seiner Seitwärtsrange nach oben ausbrechen zu lassen. Mit dem schnellen Ende des Krieges kehrte Brent aber auch wieder zügig in die vorherige Handelsspanne zurück.Im neuen Jahrtausend kam es dagegen häufiger zu abrupten Preisschüben. So sorgten Rekordhochs bei Nahrungsmittelpreisen in den Jahren 2008 und 2011/12 in vielen Entwicklungsländern für Hungersnöte, und die extremen Preisschwankungen konjunktursensitiver Rohstoffe wie Rohöl oder Buntmetalle erschwerten die Produktionsplanung von Herstellern und verarbeitenden Unternehmen spürbar. Wiederentdeckte AnlageklasseNeben dem Beitritt Chinas zur WTO war ein weiterer wichtiger, wenn nicht sogar der wichtigste Grund für die erratischen Rohstoffpreisschwankungen, dass viele Finanzinvestoren Rohstoffe als Kapitalanlageklasse wiederentdeckten, wie dies beispielsweise bei Gold und Silber in den siebziger und achtziger Jahren der Fall war. Die Präsenz institutioneller Investoren, Hedgefonds und spezialisierter Rohstoffhändler auf den Rohstoffterminmärkten erhöhte zwangsläufig den Kapitalfluss in verschiedene Rohstoffindizes massiv und dürfte die erratischen Kursbewegungen in diesem Jahrtausend wenn schon nicht ausgelöst, so aber spürbar verstärkt haben.Der kurze Abriss beleuchtet ein grundsätzliches Problem der Rohstoffmärkte. So bestimmen nicht nur konjunkturelle Nachfragefaktoren das Geschehen, deren Prognose bereits mit Unsicherheit behaftet ist, sondern auch solche, die sich der Analyse fast vollständig entziehen. Dies sind in erster Linie die Politik, die Witterung oder freiwillige Angebotsänderungen der Förderländer wie zum Beispiel der Opec. Da zudem das Gros der Rohstoffpreise in Dollar gehandelt wird, erwächst hieraus auch ein Währungsrisiko.Energie- und Rohstoffpreise wiederum haben einen zunehmenden Einfluss auf die Ergebnisse vieler Unternehmen. Die signifikanten Preisschwankungen haben deshalb in der Vergangenheit das Risiko erheblich erhöht. Für die Zukunft deuten die meisten Faktoren weiterhin auf volatile Energie- und Rohstoffpreise und somit ein hohes Risiko für betroffene Unternehmen hin. Die Risiken erwachsen daraus, dass steigende Einkaufspreise für Energie meist nicht vollständig an die Kunden weitergegeben werden können. Zudem haben sich die Bedürfnisse der Kunden – insbesondere auch der Industriekunden – durch die Liberalisierung geändert. Für Geschehen bestimmendKunden wollen Festpreise oder andere Preisgleitklauseln, als der Versorger sie in seinen Beschaffungsverträgen hat. Darüber hinaus ist es schwieriger geworden, Laufzeitenkongruenz zwischen Beschaffung und Vertrieb herzustellen. Aus all diesen Gründen erwachsen Preisrisiken, mit denen aktiv umgegangen werden muss. Damit gewinnt Portfoliomanagement mit Derivaten zunehmend an Bedeutung.Der Einsatz von Energiederivaten liegt somit nahe, doch in der Praxis scheitert dieser auch heute noch. Die Quantifizierung von Risiken ist nicht immer einfach. Zudem decken die angebotenen Sicherungsinstrumente nicht in allen Bereichen die tatsächlichen Risiken vollständig ab. Beispielsweise können sich Transportkosten oder auch die Rohstoffgüte zwischen finanzieller Sicherung und physischem Produkt unterscheiden. Ferner gilt es für ein Unternehmen, das Derivate zur Sicherung einsetzt, die Sicherungsbeziehung im Jahresabschluss darzustellen. Dabei ist darauf zu achten, dass die Wirksamkeit der Absicherung dokumentiert wird und Derivate bilanziert werden können.Trotz dieser Hindernisse hat der Einsatz von finanziellen Sicherungsinstrumenten wie Futures, Forwards, Swaps und Optionen in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Starke Preisbewegungen und langfristig steigende Rohstoffpreise haben bei vielen Unternehmen das Bewusstsein für diese Risiken erhöht. Eine erhöhte Planungssicherheit, Preisober- beziehungsweise -untergrenzen und die Erhöhung der Flexibilität bei Marktpreisveränderungen zählen zu den Vorteilen des Einsatzes von Derivaten. Der physische Bedarf kann jederzeit auch für Teilmengen preislich gesichert werden. Bei einer veränderten Markteinschätzung kann eine Sicherung auch wieder aufgelöst werden.Neben der Frage, ob und in welchen Mengen eine Sicherung sinnvoll ist, sehen sich Unternehmen mit der Wahl des Absicherungszeitpunktes konfrontiert. Eine Streuung der Mengen auf unterschiedliche Zeitpunkte kann helfen, eine Sicherung zu Höchstständen zu vermeiden. Der optimale Zeitpunkt ist ex ante kaum zu bestimmen, und die permanente Hoffnung auf bessere Preise hat schon bei vielen Unternehmen dazu geführt, das komplette Risiko offen und damit ungesichert zu belassen. Dies stellt jedoch für ein Unternehmen das größte Risiko dar, da es kontinuierlich auf für sein Ergebnis günstigere Preise spekuliert. Hierdurch versäumen es nach wie vor viele Unternehmen, ihre Rohstoffpreisrisiken, die sich durch die produktspezifische Angebots- und Nachfragesituation, politische Unsicherheiten, aber auch spekulative Einflüsse ergeben, rechtzeitig zu managen. Individuelle LösungsansätzePortfoliomanagement bietet somit die Möglichkeit, sich dieser Risiken bewusst zu werden und das Unternehmen zu schützen. Somit stellt Portfoliomanagement ein wesentliches Element eines modernen Risikomanagements dar. Vor diesem Hintergrund ist in Zukunft mit einer weiteren Zunahme der Bedeutung und des Bedarfs von Preissicherungen mit Energie- und Rohstoffderivaten zu rechnen.Die BayernLB bietet seit mehr als 15 Jahren die Möglichkeit, Rohstoffrisiken durch den Einsatz derivativer Finanzinstrumente in den Griff zu bekommen. Unsere individuellen Lösungsansätze erhöhen die Planungssicherheit, schaffen eine feste Kalkulationsgrundlage für die Rohstoffkosten und tragen dadurch zur Steigerung des Unternehmenserfolgs bei. Als finanzielle Absicherungsinstrumente stehen Swaps, Forwards sowie Optionen zur Verfügung, die unter anderem für Ölprodukte, Erdgas, Steinkohle, Strom, CO2-Emissionsberechtigungen und Edelmetalle angeboten werden.—-Christoph Braun, Abteilung Energy & Commodity Solutions der BayernLB—-Andreas Speer, Team Volkswirtschaft der BayernLB