Rückfall in die Steinzeit

Zahl der Frauen in den Versicherungsvorständen sinkt - GDV-Präsident reagiert flapsig auf Diversivität

Rückfall in die Steinzeit

Trotz der nachweislich höheren Erfolgsquote gemischter Teams geht der Anteil von Frauen in den Vorständen der größten deutschen Versicherer zurück. Die konservative Branche zeigt wenig Problembewusstsein. Auch bei den jungen Wilden, den Insurtechs, sind kaum Frauen in der Führung vertreten.Von Antje Kullrich, DüsseldorfDer Frauenanteil in den Vorständen der größten deutschen Versicherer sinkt. Im Vergleich zu 2017 ist die Zahl der weiblichen Mitglieder vor allem bei den Top 10 der Branche signifikant zurückgegangen. Gehörten vor zwei Jahren bei Allianz, Munich Re, Generali Deutschland und Axa Deutschland jeweils zwei Frauen der obersten Führung an, hat heute nur noch die Allianz ein weibliches Duo im Vorstand. Bei Munich Re und Axa ist jeweils nur noch eine Frau vertreten. Generali präsentiert sich wieder als reine Männerbastion. Gleiches ist bei der Zurich Deutschland der Fall, die vor zwei Jahren immerhin eine Frau in der Führung hatte.Nicht einmal die Hälfte der 30 größten Versicherer hierzulande verfügt über einen geschlechterdiversifizierten Vorstand, wie eine aktuelle Auswertung der Börsen-Zeitung ergeben hat. Wie stark sich die konservative Assekuranz modernen Managementerkenntnissen – nämlich der höheren Erfolgsquote gemischter Teams – noch verschließt, demonstrierte jüngst auch ihr oberster Branchenvertreter Wolfgang Weiler, Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Auf der Jahrespressekonferenz angesprochen auf die Tatsache, dass keiner der vielen Ausschüsse des einflussreichen Branchenverbands von einer Frau geführt werde, schob er die Verantwortung auf die Mitgliedsunternehmen ab: Ausschussvorsitzende rekrutierten sich aus den Reihen der Vorstandschefs, und da gebe es nun mal keine Frauen. Die Nachfrage eines Journalisten, warum denn auch die Hauptgeschäftsführung des GDV nur aus Männern bestehe, tat Weiler dann mit einem flapsigen Spruch ab. Der sachlichen Auseinandersetzung mit dem Thema wich Weiler komplett aus – in einer Zeit, in der die Assekuranz sich zunehmend Sorgen über qualifizierten Nachwuchs machen muss, die Hälfte der Studierenden im für die Versicherer sehr wichtigen Fach Mathematik aber bereits Frauen sind. Und die sich angesichts solcher Einstellungen über ihre Perspektiven in der Versicherungswirtschaft so ihre Gedanken machen dürften. Betonstrukturen bei VereinenDas mangelnde Problembewusstsein ist in der Branche weit verbreitet. Vor allem im Lager der Versicherungsvereine können die wenigsten Gesellschaften eine effiziente Frauenförderung vorweisen. Hier sind zwei Drittel der Top-Gremien rein männlich besetzt.Vergleichsweise viel tut sich dagegen bei der Allianz. Zwar ist der Frauenanteil im Vorstand der SE im Vergleich zu 2017 leicht gesunken, weil das Gremium um eine männlich besetzte Position erweitert wurde, in der Allianz Deutschland allerdings arbeiten im Vorstand drei Frauen neben fünf Männern.Ganz nach oben hat es bislang noch keine Frau geschafft. Eine Vorstandschefin auf Konzernebene gibt es nicht. Barbara Schick ist bei der Versicherungskammer Bayern Stellvertretende Vorstandsvorsitzende, bei der R+V führt Claudia Andersch den Kranken- und den Lebensversicherer. Mit Nina Klingspor hat die Allianz Krankenversicherung bereits die zweite Vorstandschefin nach Birgit König, die im Januar dieses Jahres die Führung der internationalen Einheit Allianz Digital Health übernahm. Doch weibliche Chefs sind in der Assekuranz weiterhin die absolute Ausnahme.Auch bei den jungen Versicherungs-Start-ups setzt sich die Ungleichverteilung der Geschlechter in der Führung fort. Laura Kauther von Coya ist eine der ganz wenigen Frauen in der Spitze eines Insurtech. “Es gibt wenig Vorbilder”, sagt die 35-Jährige, die zuvor bei einem der etablierten Branchenvertreter, der Zurich, Karriere gemacht hatte. Dort hatte sie sich als Leiterin des Bereichs Business Transformation bereits intensiv mit der Start-up-Szene beschäftigt, ehe ein Headhunter sie im vergangenen Jahr zu dem Digitalversicherer Coya holte. “Die Tech-Branche ist generell männerdominiert”, sagt Kauther. So ist der Frauenanteil in Informatikstudiengängen nach wie vor gering. Und die Start-up-Welt bringe viel Unsicherheit mit sich. “Männer machen sich darüber oft weniger Gedanken als Frauen”, merkt Kauther an.