Vergütungen

Rücklagen gehen vor Boni vor Dividenden

Die Dividendenzahlungen im Finanzsektor könnten sich rückläufig entwickeln, weil Kapitalrücklagen steigen und sich auch die variable Vergütung reduzieren dürfte.

Rücklagen gehen vor Boni vor Dividenden

Von Bernd Neubacher, Frankfurt

Die Vergütungsberater von HKP steuern die Erwartungen an Ausschüttungen durch Banken in den kommenden Jahren im Gespräch mit der Börsen-Zeitung herunter: „Ich gehe davon aus, dass sich die Dividendenzahlungen im Finanzsektor rückläufig entwickeln werden, und zwar weil Kapitalrücklagen steigen und sich auch die variable Vergütung reduzieren dürfte“, erklärt Petra Knab-Hägele, Senior Partner in der Banking Practice der Unternehmensberatung. Im Zweifelsfalle dürften Institute den Dividendenausschüttungen Bonizahlungen vorziehen. „Auch in Krisenjahren muss man die Leute halten, welche einen aus der Krise führen sollen“, begründet sie ihre Prognose.

Pandemie hinterlässt Spuren

Aber auch die Boni werden sinken. Als Grund dafür nennt HKP-Partner Isabel Jahn die Folgen der Corona­krise und deren Effekt auf die Ergebnisse der Banken. Diese werden der allgemeinen Einschätzung zufolge erst in den kommenden Jahren zu Buche schlagen, nachdem 2020 die öffentliche Hand mit Garantien intervenierte und Kreditinstitute zudem aufsichtliche Erleichterungen genossen.

Als ein prominentes Beispiel für den Vorrang von Boni vor Dividenden gilt im Markt die Deutsche Bank, die in den Jahren 2015 bis 2019 milliardenschwere Boni zahlte, obwohl sie rote Zahlen schrieb und ihre Aktionäre kurzhielt. Diese Diskrepanz ist indes nicht die Regel. Dies haben Knab-Hägele und Jahn festgestellt, als sie untersuchten, inwieweit Dividenden und Vergütung mit dem Geschäftserfolg atmen und was im Lichte der Corona-Pandemie daraus für die unterschiedlichen Stakeholder-Gruppen folgt. Ergebnis: Sowohl Boni als auch Dividenden verlieren bei der Gewinnverwendung jeweils an Bedeutung.

„Die Stützungsmaßnahmen der Bundesregierung im Kampf gegen die Pandemie werden weit ins neue Jahr hinein andauern“, sagt Knab-Hägele. „Entsprechend genau werden die Aufseher auf die Kapitalausstattung der Finanzinstitute achten.“ Großbanken, die vor Ende September ausschütten wollen, benötigen ohnehin das Plazet der Europäischen Zentralbank (siehe Text oben). Es sei nachvollziehbar und angemessen, dass in einem Krisenjahr wie 2020 Rücklagen gestärkt und im Gegenzug Dividenden wie auch Mitarbeiterboni nicht ausgeschüttet bzw. moderat und umsichtig gestaltet würden, unterstreichen Knab-Hägele und Jahn. So lasse sich Liquidität bewahren. In welchem Ausmaß diese Verschiebung in Richtung Rücklagen erfolge und Mitarbeiter sowie Shareholder zur Kasse gebeten werden, damit Banken die Krise überstehen und in der Aufschwungsphase genug Kraft für die Bewältigung der branchenspezifischen Veränderungen haben, werde sich allerdings erst noch zeigen, heißt es mit Blick auf die anstehende Boni- und Dividendensaison. In internationalen Instituten sind im vorvergangenen Jahr 46% des zu verteilenden Gewinns in die Rücklage geflossen; 37% schütteten die Institute als Dividende aus, und 17% zahlten sie an Boni für das Jahr 2018. Im Bundesgebiet entfielen unterdessen jeweils 41% auf Gewinnrücklagen und Dividenden sowie 18% auf Bonuszahlungen, wie Knab-Hägele und Jahn ermittelten.  „Wir erwarten, dass sich diese Anteile verändern werden“, sagt Jahn. Als im vergangenen Jahr die Pandemie einsetzte, gab es für die Banken schon nicht mehr viel zu kürzen, denn die variablen Vergütungen für 2019 waren „vielfach ausgezahlt bzw. die entsprechenden Beschlüsse dazu gefasst“, wie Knab-Hägele und Jahn in ihrer Analyse schreiben. Ein großer Teil der international tätigen Banken sollte im Verlauf des Jahres gleichwohl über einen freiwilligen Bonusverzicht auf Ebene der Geschäftsleiter, von Aufsichtsräten sowie im höheren Management informieren (siehe Tabelle).

„Im Gegensatz dazu haben sich die meisten deutschen Institute mit entsprechenden Veröffentlichungen zu­rückgehalten“, heißt es in dem Papier. Allerdings haben die Vergütungsberaterinnen auch festgestellt, dass deutsche Institute „in der Regel nachweislich alle Stakeholder am Erfolg“ teilhaben lassen, „während bei sinkenden Gewinnen Vorstände stärker als Mitarbeiter in die Verantwortung genommen werden“.

Generell bemängeln sie mit Blick auf deutsche Banken, ein Erfolgsbezug sei in der Direktvergütung „kaum erkennbar“, und zwar infolge eines niedrigen Anteils variabler Vergütung. „International fallen die Schwankungen bei Direktvergütungen deutlicher aus, was auch einem signifikant höheren Bonusanteil in internationalen Banken geschuldet ist“, halten sie fest. In der Konsequenz atme die Direktvergütung stärker mit der Performance.

Sollte es infolge der Pandemie hart auf hart kommen, kann sich Knab-Hägele­ vorstellen, dass Banken etwa Gehaltserhöhungen aufschieben oder Vergütungen vermehrt in Form von Beteiligungsinstrumenten zahlen werden, um die Liquidität zu schonen. In der Industrie wurden ähnliche Überlegungen bereits angestellt. Im Bankensektor ist der Spielraum dafür indes begrenzt. Denn gerade für die Vergütung in höheren Bankenetagen schreiben die Regeln schon jetzt vor, Boni aufzuschieben bzw. in Anteilen zu gewähren.

Wie Großbanken 2020 in der Pandemie das Geld zusammengehalten haben
InstitutVergütungsverzicht des VorstandsVergütungsverzicht Chairman/AufsichtsratsvorsitzDividenden-ausschüttung
Banco SantanderJaJaNein
BBVAJaJaNein
BNP ParibasKeine AngabenKeine AngabenNein
Société GénéraleKeine AngabenKeine AngabenNein
ING GroupKeine AngabenKeine AngabenNein
Intesa SanpaoloJaKeine AngabenNein
UnicreditJaKeine AngabenNein
HSBCJaJaNein
Lloyds Banking GroupJaKeine AngabenNein
BarclaysJaKeine AngabenNein
Standard CharteredJaJaNein
Royal Bank of ScotlandJaKeine AngabenNein
UBS GroupJaKeine AngabenJa
Credit SuisseJaGegebenenfallsJa
Deutsche BankJaKeine AngabenNein
Stand: 25.11.2020Quelle: HKP GroupBörsen-Zeitung
BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.