Run-off-Markt kommt in Schwung

Zahl der Transaktionen in Deutschland steigt - Axa Liability Managers sieht sich als Marktführer

Run-off-Markt kommt in Schwung

Die deutschen Versicherer haben inaktive Versicherungsbestände von rund 100 Mrd. Euro in ihren Bilanzen. Im laufenden Jahr sind diverse Portfolien auf den Markt gekommen. Den dicksten Fisch angelte sich Axa LM. Auch der Run-off von Lebensversicherungen wird in der Branche immer stärker diskutiert.Von Antje Kullrich, DüsseldorfEs ist der mit Abstand größte Deal mit deutscher Beteiligung in diesem Jahr: Ende September verkaufte der einst sechstgrößte Rückversicherer der Welt, die Global Re, sein inaktives internationales Geschäft an den Run-off-Spezialisten Axa Liability Managers (Axa LM). Die frühere Gerling Globale Rück übertrug dabei 400 Mill. Dollar an versicherungstechnischen Rückstellungen der Töchter in den USA, der Schweiz, Kanada und Australien.Es tut sich was im deutschen Markt inaktiver Versicherungsbestände. Die Zahl der Transaktionen steigt. Treiber sind Kostendruck und der Zwang zu effizienter Verwaltung der Portfolien sowie vor allem Solvency II. Nach den kommenden Eigenkapitalregeln für die europäische Assekuranz werden die Anforderungen an die Kapitalunterlegung für Run-off-Bestände steigen.Das Marktvolumen in Deutschland ist riesig, schlummert jedoch überwiegend im Verborgenen. “Run-off ist kein Geschäft, über das man gerne spricht”, sagt ein Versicherungsvorstand. Die meisten großen Versicherer verfügten über inaktive Bestände, managten das aber selbst eher nebenbei. Die Zurückhaltung und der schlechte Ruf des Run-off-Geschäfts dürften viel mit dem Fall Gerling zu tun haben. Der Traditionskonzern war kurz nach der Jahrtausendwende nach schweren Fehlern in der US-Rückversicherung in eine existenzielle Krise geraten. Im Oktober 2002 wurde die Gerling Globale Rück in den Run-off geschickt. Das bedeutete, dass ein Schwergewicht im weltweiten Rückversicherungsmarkt die Zeichnung von Neugeschäft von heute auf morgen einstellte. Vor allem deutsche Erstversicherungskunden fühlten sich im Regen stehen gelassen und berichteten in der Folge von knallharten Ablöseverhandlungen.Mittlerweile ist die Global Re weitgehend abgewickelt. Nach dem Deal mit Axa LM belaufen sich die verbliebenen Schadenreserven dem Vernehmen nach auf nur noch rund 100 Mill. Euro.Die deutsche Assekuranz verfügt jedoch über gewaltige Bestände an inaktivem Geschäft. Studien der Universität St. Gallen und PwC aus dem laufenden Jahr schätzen das Volumen der Run-off-Bestände im deutschsprachigen Raum auf rund 100 Mrd. Euro. Immer mehr Portfolien werden auf Spezialversicherer übertragen, die die Abwicklung solcher Bestände zu ihrem Geschäftsmodell erklärt haben.Für Axa LM ist der Global-Re-Deal bereits die achte Transaktion im deutschen Markt, seit die Tochter des französischen Versicherungsriesen ihr Run-off-Geschäft 2008 auch auf Drittportfolien ausgeweitet hat. “Diese Transaktion passt perfekt zu unserem Kerngeschäft und unserer Akquisitionsstrategie und positioniert uns als unangefochten erfolgreichsten Aufkäufer im deutschen Run-off-Markt”, gibt sich CEO Cédric de Linares betont selbstbewusst. Axa LM verwaltet nach eigenen Angaben derzeit Verbindlichkeiten von 2,5 Mrd. Euro. Für den deutschen Markt erwartet Sylvain de Villeroy de Galhau, Chefaufkäufer bei Axa LM, dass vor allem die Run-off-Portfolien mittelgroßer Versicherer zum Verkauf gestellt werden. Die großen Konzerne verfügten über genügend Ressourcen, intern abzuwickeln. Private Equity am StartEin kleiner agiler Wettbewerber in Deutschland ist die Darag, die in diesem Jahr richtig aufgedreht hat. Nach einer Kapitalspritze im Frühjahr ist die Pipeline nach Angaben von Vorstandssprecher Arndt Gossmann auch nach mehreren Zukäufen immer noch voll. Er rechnet mit zwei weiteren Transaktionen noch in diesem Jahr – davon eine im höheren zweistelligen Millionenbereich.Im Run-off-Markt tummeln sich Investoren, die sich sonst in der Versicherungswirtschaft auffällig zurückhalten. Private-Equity-Häuser haben die Nische für sich entdeckt. Die Darag, der ehemalige Transportversicherer der DDR, wurde 2008 von Augur Capital übernommen. In diesem Jahr stieg der Londoner Finanzinvestor Keyhaven Capital mit ein.Hinter einem der weltgrößten Player im Run-off-Geschäft, der an der Nasdaq notierten Enstar Group, stand lange Zeit mit J.C. Flowers ein Private-Equity-Haus als Großaktionär.Und auch der zweite Run-off-Nischenspezialist in Deutschland geht auf die Initiative eines Finanzinvestors zurück. Im August dieses Jahres übernahm Cinven von Lloyds Banking die Heidelberger Leben und kündigte die Umwandlung des auf fondsgebundene Policen fokussierten Versicherers in eine Run-off-Plattform für Lebensversicherungsbestände an. BaFin hat Thema im Blick”Weitere Gründungen werden folgen”, prophezeit ein hochrangiger deutscher Versicherungsmanager. Denn die Abwicklung von Lebensversicherungsportfolien rückt angesichts des Niedrigzinsumfelds und der Zwänge von Solvency II auf die Agenda der Assekuranz. Bisher waren Run-offs vor allem ein Thema in der Sach-, Haftpflicht- und Rückversicherung. Doch die deutschen Lebensversicherer würden gerne ihre Altverträge mit hohen Garantieverpflichtungen auslagern und als Run-off-Bestände unter Solvency I weiterführen. Der oberste deutsche Versicherungsaufseher, BaFin-Exekutivdirektor Felix Hufeld, zeigte sich kürzlich aufgeschlossen: Er bezeichnete die Aussetzung von Solvency II für Run-off-Plattformen auf einer Tagung als “interessanten Gedanken”, warnte aber vor Nebenwirkungen. Hufeld deutete als wahrscheinlichste Lösung einen Kompromiss an.