Run-off und Bestandsabgaben werden salonfähig

Transaktionsvolumina und Akzeptanz steigen - Zwei Studien - Noch keine BaFin-Entscheidung zu Basler/Frankfurter Leben

Run-off und Bestandsabgaben werden salonfähig

Von Antje Kullrich, DüsseldorfDie Abwicklung von Versicherungsbeständen, die kein Neugeschäft mehr machen, wird ein immer größeres Geschäft. Das Run-off-Volumen im deutschsprachigen Raum hat in drei Jahren um 29 % auf 133,5 Mrd. Euro (ohne Lebensversicherungen) zugelegt, wie eine Studie der Universität St. Gallen zeigt. Mittlerweile haben mehr als die Hälfte (53 %) der befragten Versicherer Portfolien mit eingestelltem Geschäft in ihren Büchern. 2012 waren es erst 42 %. Während inaktive Bestände bislang vorwiegend intern abgewickelt wurden, steigt mittlerweile die Bereitschaft, diese an Dritte abzugeben.Arnd Gossmann, Vorstandschef des Run-off-Spezialisten Darag und Mitinitiator der St. Gallener Studie, erwartet, dass das Transaktionsvolumen im Run-off-Markt in Europa in diesem Jahr die Marke von 4 Mrd. Euro überspringt. Auch ein erster Deal mit einem Volumen von über 1 Mrd. Euro werde voraussichtlich zu sehen sein.Auf dem deutschen Markt hat gerade Axa Liability Managers die Reste der ehemaligen Gerling Globale Rück übernommen. Das seit 2002 im Run-off befindliche Rückversicherungsgeschäft hatte in Deutschland noch Schadenreserven von fast 100 Mill. Euro. Unterschiede nach SpartenDie Sparten mit dem größten Run-off-Aufkommen im Nichtlebenbereich sind die Haftpflichtversicherung wegen ihrer langen Abwicklungszeiträume sowie die Kfz-Versicherung, die zuletzt unter sinkender Profitabilität litt. Solche Bestände wurden meist in den Jahren 1993 bis 2008 gezeichnet.Die Studie aus St. Gallen zeigt Unterschiede zwischen Gesellschaftsarten und Ländern: Im aktiven Management von Abwicklungsbeständen seien besonders Aktiengesellschaften vorn, sagte Studienautor Prof. Martin Ehlig. “Zurzeit reduzieren besonders Schweizer und Luxemburger Versicherer Run-off-Bestände aktiv. Die Studie zeigt aber auch, dass deutsche Versicherer im Management von Run-off aufholen.” Als marktbedingte Treiber für Run-off gelten das Niedrigzinsumfeld, in dem Profitabilität und effizientes Wirtschaften noch stärker an Bedeutung gewinnen, sowie Solvency II. In der neuen Aufsichtswelt bindet manches Geschäft zu viel Kapital, weshalb es in die Abwicklung geschickt wird, um die gebundenen Ressourcen freizusetzen.Die deutsche Aufsicht steht Run-off und spezialisierten Plattformen grundsätzlich offen gegenüber. Doch vor allem für Lebensversicherungsbestände formuliert sie hohe Anforderungen an den Käufer. Keinesfalls, so das Credo der BaFin, dürften die Kunden der meist langlaufenden Verträge mit einem neuen Eigentümer schlechter gestellt werden. Bis heute hat die Aufsicht keine einzige Übertragung eines Portfolios mit klassischen Garantiepolicen genehmigt. Der Kauf eines Bestands der Basler Leben durch die mehrheitlich zum chinesischen Finanzinvestor Fosun gehörende Frankfurter Leben wird seit Monaten geprüft. Es sei noch keine Entscheidung gefallen, teilte ein BaFin-Sprecher auf Anfrage mit.Die Branche selbst rechnet nach einer Studie der Beratungsgesellschaft Willis Towers Watson damit, dass gerade klassische Bestände im Run-off künftig verstärkt ausgelagert werden. Damit scheinen Konflikte mit der Aufsicht programmiert. Dennoch ist die Einschätzung der Branche wenig verwunderlich. Denn traditionelles Garantiegeschäft wurde in den vergangenen Monaten fast wie am Fließband in die Abwicklung geschickt. Zurich, Talanx und Generali Leben haben sich neben vielen anderen entschlossen, kein Neugeschäft mit klassischen Policen mehr zu zeichnen. Allerdings können sich auch viele Lebensversicherer einen Verkauf oder die Auslagerung an Dritte überhaupt nicht vorstellen (siehe Grafik).Die größten Bedenken bei der Übertragung von Run-off-Portfolien betreffen die IT. Viele Lebensversicherer fürchten sich laut der Umfrage von Willis Towers Watson auch vor einem komplexen Verhandlungsprozess mit der Aufsicht. Als dritter Punkt werden externe Reputationsrisiken angeführt.Die grundsätzliche Akzeptanz, auch Lebensversicherungsportfolien zu verkaufen, ist aber vorhanden. 95 % der befragten Gesellschaften stimmten der Aussage zu, dass in ausgewählten Situationen eine Übertragung sinnvoll sein könne. 30 % hatten bereits Erfahrung damit gemacht, teilweise auch mit gruppeninternen Abgaben. Willis Towers Watson hatte knapp 50 Versicherer in Kontinentaleuropa befragt, davon die Hälfte aus Deutschland.