Sattelfeste Führungskräfte gesucht
Gibt es „so etwas wie einen qualifizierten CEO mit einer absolut sauberen Akte“? Diese Frage stellte Mikael Bak, Chef der wichtigsten dänischen Aktionärsvereinigung, Dansk Aktionærforening, nachdem im April der Vorstandsvorsitzende der Danske Bank seinen Hut genommen hatte. Seine Vergangenheit hatte Chris Vogelzang eingeholt. Ein Nachfolger war rasch gefunden, obwohl Danske im Gefolge der Geldwäscheaffäre schon seit Jahren mit Fluktuation auf der obersten Führungsebene zu kämpfen hatte (siehe Kasten).
Gestolpert war Vogelzang nicht etwa über die Geldwäscheverstrickungen der größten dänischen Bank, die in puncto Bilanzsumme von rund 550 Mrd. Euro vergleichbar ist mit den zu den gewichtigsten deutschen Instituten zählenden Banken KfW, DZBank oder Commerzbank. Vogelzang ging oder hatte zu gehen, weil die niederländische ABN Amro, in der er unter anderem von 2009 bis 2016 als Vorstand im Privatkundengeschäft das Sagen hatte, wegen Mängeln in der Geldwäscheprävention, die unter anderem in diese Zeit fielen, von der niederländischen Staatsanwaltschaft zur Zahlung von knapp einer halben Milliarde Euro verdonnert worden war.
„Ethik-Kodex“ mit Folgen
Über die Schuldfrage ist nicht befunden, es gilt die Unschuldsvermutung. Der Pressemitteilung zufolge war Vogelzang überrascht und ging aus freien Stücken, um das Institut mit den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen ihn und den damit zusammenhängenden Spekulationen nicht zu belasten.
Zwar mögen die Verhältnisse in einem kleinen Land wie Dänemark nicht eins zu eins vergleichbar sein mit denen hierzulande, doch zeigt der Fall exemplarisch, wie schwierig sich für Finanzinstitute dieser Tage die Rekrutierung geeigneten Führungspersonals gestalten kann. Vogelzangs Abtritt bewog Aktionärsverbandschef Bak zu der Aussage, dass es der moderne „Ethik-Kodex“ in gewisser Weise schwierig mache, Top-Manager zu rekrutieren, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet. Er begrüßt demnach zwar explizit die hohen Standards, die neuerdings an Spitzenkräfte des Finanzwesens angelegt werden. „Aber wenn sie so streng werden, dass sie die Zahl der Kandidaten für Top-Führungspositionen einschränken, kann das aus Sicht eines Aktionärs problematisch werden“, gab Bak zu bedenken.
Der Anforderungskatalog an Führungskräfte der überregionalen Häuser im Finanzwesen ist riesengroß und wächst in der Erwartung der EZB-Bankenaufsicht tendenziell immer weiter, wie vor allem in ihrem aktuell im Konsultationsverfahren befindlichen Leitfaden-Entwurf zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit deutlich wird. Dort beschreibt die europäische Aufsichtsbehörde, wie sie im Zuge des sogenannten Fit-and-Proper-Verfahrens vorgeht, um die Eignung von Kandidaten für Leitungsorgane bedeutender Institute zu beurteilen, und worauf sie bei ihnen Wert legt. Auch bereits aktive Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder können gegebenenfalls erneut einer Prüfung unterzogen werden.
Nicht nur fachlich versiert müssen sie demnach sein, die Führungskräfte der Finanzbranche, sondern obendrein möglichst edelmütig und gut, zudem an Erfahrung reich, klimakompetent und, wenn’s geht, in IT bewandert und in der Welt rumgekommen. Zudem fordert die EZB mehr Vielfalt in Führungsgremien.
Kreditexpertise reicht nicht
Doch woher kommen die Topleute, die all dem gerecht werden? „Vorstandsteams, die überwiegend aus Kreditexperten bestehen, dürften der Vergangenheit angehören“, sagt Matthias-F. Saenger, Geschäftsführer der Frankfurter Personalberatung Saenger Advisory, die Führungskräfte bis hin zur obersten Managementebene sucht und auswählt. Für die EZB scheint seiner Einschätzung nach ein gewisses „Portfolio“ an für eine Position relevanten praktischen Erfahrungen sehr relevant zu sein. Dabei lege sie offenbar weniger Wert auf bestimmte formale Kriterien als die nationale Finanzaufsicht BaFin, sondern rücke auch abstrakte Verantwortung für Good Governance sowie Entscheidungsprozesse stärker in den Vordergrund und nicht nur konkretes Fehlverhalten in einer bestimmten Angelegenheit. „Wer seinen Laden organisatorisch nicht im Griff hat, dem kann die Eignung entzogen werden“, sagt Saenger.
Daneben spiele die kollektive Eignung der Aufsichts- oder Vorstandsgremien eine bedeutende Rolle: Nicht jeder müsse Spezialist für alles sein, verdeutlicht der Experte, aber die Gremien sollten als Teams agieren, die aus Persönlichkeiten mit unterschiedlichen Expertisen und Lebensläufen zusammengesetzt sind und somit möglichst vollständig die für das Geschäftsmodell einer Bank relevanten Gebiete abdecken. „Der Gedanke des Führungsteams ist entscheidend. Es sollte aus Mitgliedern bestehen, die zuhören, offen für Neues sind, eine eigenständige Meinung vertreten und unabhängig sind, sich aber auch mit übergeordneten Zielen identifizieren können“, formuliert es Saenger. Um keine Betriebsblindheit aufkommen zu lassen, müssten Stereotype vermieden werden, verschiedene Charaktere könnten durchaus reüssieren.
Frühzeitig Präsenz zeigen
Da der Pool jener, welche den EZB-Anforderungen an Führungskräfte gerecht werden, überschaubar sein dürfte, empfiehlt der Personalberater, Nachfolgeplanung zur strategischen Aufgabe zu erheben. Vielversprechende Nachwuchstalente sollten seines Erachtens beizeiten in die Öffentlichkeit treten, sichtbar werden, bestimmte Einsatzfelder besetzen, Projekte beispielsweise unter Berücksichtigung von Klimarisiken bearbeiten und auch Auslandsmissionen als Baustein der Karriereentwicklung wahrnehmen. Sinnvoll sei für sie darüber hinaus, regelmäßig mit der Aufsicht in den Austausch zu treten.
Um etwaige fachliche Schwächen, die im Fit-and-Proper-Prozess ans Licht gekommen sind, zeitnah auszubügeln, rät Saenger Betroffenen, sich der Aufsicht gegenüber zur Absolvierung eines Trainingsplans zu verpflichten. Zugleich gibt er zu bedenken, dass die EZB-Aufsicht einen Schwerpunkt auf die praktische Erfahrung im angestrebten Verantwortungsbereich legt. „Sie kann auch durch mehr oder weniger theoretische Weiterbildungen nicht vollständig ersetzt werden.“
Eigenarten der Sparkassen
Banken mögen dahingehend besonders sensibilisiert sein, seitdem 2018 die europäischen Bankenaufseher im Verwaltungsrat der Landwirtschaftlichen Rentenbank zu wenig Finanzexpertise verortet haben wollten und ihr Nachbesserungen auferlegten. Auch die Helaba geriet damals in ihr Visier, weil die EZB-Aufsicht den Verwaltungsrat als zu groß erachtete. Vergleichbare Ansinnen seien aber nicht Gegenstand des aktualisierten Leitfadens, heißt es vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV). Die derzeitige Konsultation befasse sich spezifisch mit Aspekten der Eignungsprüfung von Mandatsträgern, so dass eine Verkleinerung der Gremien nun kein Thema sei.
Der Verband unterstützt den Vorschlag der Aufseher, dass sich Banken generell vor Bestellung eines Vorstandskandidaten mit ihnen ins Benehmen setzen, um dessen Chancen abzuklopfen. Für Posten in Kontrollgremien solle das nicht nötig sein. Der DSGV bestärkt die EZB dabei, diesen frühzeitigen Wink auf Vorstandsmitglieder zu beschränken, da das Verfahren wegen der Eigenarten öffentlich-rechtlicher Institute auf deren Verwaltungsratsmitglieder nur schwerlich angewandt werden könne. Da diese in Sparkassen von Amts wegen, also aufgrund ihrer hauptberuflichen Tätigkeit als Bürgermeister oder Landrat, Mitglieder seien und weitere von den kommunalen Trägern gewählt oder von öffentlichen Stellen berufen würden, sei es praktisch unmöglich, im Voraus zu wissen, wer im Verwaltungsrat Platz nehmen wird, heißt es von dem Verband.
Obwohl die EZB für die direkte Beaufsichtigung der derzeit 114 bedeutenden Banken Europas zuständig ist, fast alle Sparkassen aber in den Verantwortungsbereich der BaFin fallen, fürchtet der DSGV, dass sie künftig dennoch indirekt von den schärferen EZB-Vorgaben betroffen sein könnten. Was den Sparkassensektor angeht, nimmt sich die EZB-Bankenaufsicht lediglich der Landesbanken plus Deka (und ohne SaarLB) sowie der Hamburger Sparkasse an, wohingegen die anderen Institute der S-Finanzgruppe zu den weniger bedeutenden Banken gehören, welche die BaFin kontrolliert.
BaFin dürfte nachziehen
Die wiederum kann die Frage, ob sie die Gepflogenheiten ihres Fit-and-Proper-Prüfungsverfahrens an die künftig strengeren Maßstäbe der EZB-Bankenaufsicht anzupassen gedenkt, zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschließend beantworten. Je nachdem, wie das Konsultationsverfahren ausgehe und was final beschlossen werde, wolle sich die deutsche Finanzaufsicht dann positionieren, ist zu hören. Personalberater Saenger erwartet, dass die BaFin, die bei direkt von der EZB beaufsichtigten Instituten an der Beurteilung mitwirkt, sich in diesen Fällen den Leitfaden zu eigen machen wird. Bezüglich kleinerer Institute, für welche die BaFin die Verantwortung hat, sei davon auszugehen, dass sie ihre Verwaltungspraxis gegebenenfalls unter Berücksichtigung von Proportionalitätsaspekten verschärfen werde. „Dies bedeutet sicherlich keine 1:1-Umsetzung des EZB-Leitfadens bei diesen Instituten“, schätzt Saenger.
EZB-Leitfäden wie der aktuell erörterte sind ihm zufolge zwar rechtlich nicht bindend, werden aber von den Betroffenen üblicherweise sehr ernst genommen, weil sie die Verwaltungspraxis der EZB widerspiegeln. Vor Abschluss der Konsultation am 2. August wird an diesem Donnerstag noch eine öffentliche Anhörung stattfinden. Diskussionen und die Berücksichtigung von Anmerkungen aus der Konsultation werden nach Saengers Einschätzung noch einige Monate in Anspruch nehmen, bis dann der überarbeitete Leitfaden veröffentlicht wird.
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