Savedroid besteht vor allem aus Klagerisiken

ICO-Investoren wollen vom Fintech ihr Geld zurück - Börsennotiz per Mantelgeschäft - Sachkapitalerhöhung noch nicht eingetragen

Savedroid besteht vor allem aus Klagerisiken

Savedroid ist mit Klagen zu möglichen Unregelmäßigkeiten aus ihrem Coin Offering konfrontiert. Auch die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Betrugsverdacht. Zudem ist das “kalte IPO” noch nicht unter Dach und Fach, steht die Eintragung der Sachkapitalerhöhung ins Handelsregister doch aus.bg Frankfurt – Gut anderthalb Jahre nach einem erfolgreichen Initial Coin Offering (ICO) und einer wenig erfolgreichen PR-Aktion des Gründers Yassin Hankir steht das Frankfurter Fintech Savedroid vor dem Scherbenhaufen einer aus dem Ruder gelaufenen Gründung. Denn heute ist das wohl nahezu umsatzlose Fintech in Klagen verstrickt, die von damaligen ICO-Investoren angestrengt worden sind. Zudem ermittelt die Staatsanwaltschaft Frankfurt seit Februar gegen die Vorstände des Unternehmens wegen gewerblichen Betruges (Az. 7590 Js 206929/19). Savedroid selbst verklagt seit August die Kanzlei Hellinger Legal, die als Treuhänder im Frühjahr 2018 gut 4 Mill. Euro verwahrte. Als Hellinger Legal Unregelmäßigkeiten beim ICO bemerkte, fror sie die Wallet-Vermögen ein, nachdem Savedroid ein schiedsgerichtliches Verfahren abgelehnt hatte. So stellt es der Bonner Rechtsanwalt Axel Hellinger dar.Dieser hatte auch Strafanzeige gestellt und steht als Mitinitiator hinter der Klagegesellschaft Iudica Legacy GmbH. Diese soll eine Art Sammelklage ermöglichen, indem ICO-Investoren per Ende Dezember ihre Ansprüche an die Klagegesellschaft abtreten. Dafür will die Iudica Legacy GmbH dem aktuell laufenden Verfahren von Hellinger Legal beitreten (siehe Kasten). Ein erstinstanzliches Urteil in dem Verfahren vor dem Bonner Landgericht wird für Juli 2020 erwartet. Im Verfahren von Save-droid gegen Hellinger Legal soll noch im Dezember eine erste mündliche Verhandlung stattfinden. Hoher WertverlustMit dem Verkauf von Token hatte Savedroid Einnahmen von umgerechnet gut 40 Mill. Euro erhalten, wenn man damalige Kurse von eingezahlten Kryptowährungen zu-grunde legt. Mit Rückgang der Notizen dürfte sich das Guthaben spürbar reduziert haben, die reinen Bareinnahmen beliefen sich auf mickrige 6 Mill. Euro.Die Unzufriedenheit der rund 35 000 ICO-Investoren resultiert aus zweierlei Gründen: Zum einen hat der Savedroid-Token seit Emission massiv an Wert verloren, es fand auch nie das angestrebte Listing an einer der liquiden Kryptobörsen statt. Zum anderen hatten die Investoren registrieren müssen, dass sie ihre Token in der mit den ICO-Geldern entwickelten Krypto-Spar-App gar nicht benutzen können. Denn dies ist in Deutschland bislang noch nicht möglich – und auch wenn sich diese Tür mit neuer Gesetzeslage grundsätzlich öffnen könnte, müsste Savedroid eine entsprechende Lizenz erst von der BaFin erhalten. Die Aufsicht nimmt aber erfahrungsgemäß auch unter die Lupe, ob die Geschäftsführung ihrer Ansicht nach tauglich ist.Und da dürfte Yassin Hankir Probleme bekommen, gilt er seit einem vorgetäuschten Griff in die Unternehmenskasse, offenbar aus Gründen der PR, doch als Persona non grata in der deutschen Fintech-Szene. Über seinen Twitter-Account hatte er suggeriert, sich mit den ICO-Einnahmen ins Ausland abgesetzt zu haben. Den damit entfachten Sturm der Entrüstung konnte er nicht mehr beruhigen, eine Reihe von Partnern wie die Bank Frick stieg aus oder ging wie Rechtsanwalt Heller zum Gegenangriff über. Hankir solle dahin gehen, wo der Pfeffer wächst, so die einhellige Meinung in der Mainmetropole. Krypto-Story greift nichtDoch Hankir hat sich nicht vom Acker gemacht und ist heute mit seiner Gesellschaft in Frankfurt in der Neuen Mainzer Straße unweit der Freßgass ansässig. Nutzer für das Kryptosparen will er notgedrungen im Ausland rekrutieren, die erforderliche EU-Lizenz soll in Luxemburg eingeholt werden – bislang vergeblich. Für das Geschäftsmodell gilt: Solche Spar-Apps werfen erst etwas ab, wenn die breite Masse – in Deutschland gibt es 700 000 Besitzer von Kryptowährungen – ihr Geld in dieses Sparschwein steckt. Kryptowährungen befinden sich immer noch in der Nische, es sind neben Glücksrittern und Spekulanten vor allem IT-Nerds, die sich für private digitale Währungen erwärmen. Der von Savedroid emittierte Token “SVD” – Hellinger bestreitet, dass es sich um einen sogenannten Utility Token handelt, da mit ihm kein konkretes Leistungsversprechen verbunden ist – soll Werthaltigkeit über seinen Einsatz innerhalb der App erhalten, können Gebühren doch ausschließlich per SVD bezahlt werden. Diese Konstellation stellt aber das typische Henne-Ei-Problem dar: Erst wenn viele Nutzer sehr viele Transaktionen tätigen, wird der Token wertvoller. Ein StehaufmännchenAber Hankir ist ein Stehaufmännchen. Anfang Oktober bediente er sich eines alten Kapitalmarkttricks und brachte Savedroid über ein sogenanntes Reverse-IPO an die Börse. Der Börsenmantel, in den Savedroid geschlüpft ist, heißt “Advanced Bitcoin Technologies” (ABT) und notiert im Freiverkehr der Börse Düsseldorf. Die Mantelgesellschaft war selbst erst im Juli 2019 ohne operatives Geschäft gelistet worden, Eigentümer sind Hankir plus seine Savedroid-Vorstandskollegen Tobias Zander und Joachim Brockmann. Anfang Oktober erfolgte die Maßnahme zur Einbringung von Savedroid zu einer Bewertung von 39,5 Mill. Euro bei einem ABT-Kurs von 2 Euro. Das erscheint sportlich, wenn man bedenkt, dass Savedroid für 2018 schlappe 65,42 Euro an Provisionserträgen verbuchte.Hankir erklärt auf Nachfrage, dass gemäß Aktiengesetz die vorgeschriebene Sachkapitalerhöhungsprüfung stattgefunden habe – dabei erfolgt eine externe Prüfung durch einen oder mehrere gerichtlich bestellte Prüfer. Sofern ein Unternehmen Gegenstand einer Sacheinlage ist, ist es gängige Praxis, im Rahmen der Sachkapitalerhöhungsprüfung eine Unternehmensbewertung nach IDW S 1, ein Ertragswertverfahren, durchzuführen. Gerüchten, Rödl & Partner habe ihr Jahresabschluss-Prüfer-Mandat bei Savedroid niedergelegt, widerspricht Hankir. Rödl & Partner “war und ist unser Abschlussprüfer.” Ohne Umsätze hoch taxiertWas sich nach der Ad-hoc-Mitteilung zur Sachkapitalerhöhung abspielte, mutet zunächst an wie ein Graumarkt-Krimi: Seit Anfang Oktober wird die Advanced-Bitcoin-Aktie ohne Handelsumsätze nach oben taxiert, derzeit notiert das Papier bei 7 Euro, was den Unternehmenswert auf Basis der neuen Aktienzahl von knapp 20 Millionen Stück auf 140 Mill. Euro stellen würde. Allerdings stellt sich auf Nachfrage bei Hankir heraus, dass die Handelsregistereintragung der Sachkapitalerhöhung noch aussteht. Demnach sind aktuell die bestehenden 250 000 Aktien Bezugsgröße für den Marktwert, der damit 1,75 Mill. Euro beträgt. Hankir bestätigt, dass noch kein Handel in der Aktie stattgefunden habe.Die Aktionäre der Advanced Bitcoin Technologies haben sich jedenfalls zu Sperrfristen für die neuen Aktien verpflichtet – sofern dies keine Soft-Lock-Ups sind, können nur die Business Angels zunächst einen Teil ihres Bestandes veräußern. Den Altinvestoren verschafft die Börsennotiz zumindest grundsätzlich die Möglichkeit, Anteile über die Börse zu veräußern, sofern ein liquider Handel zustande kommt – das ist eine bessere Exit-Perspektive bei illiquiden AG-Anteilen, allerdings gebunden an erhöhte Transparenzpflichten (Directors` Dealings) einer im Freiverkehr notierten Gesellschaft.Sollte bei Savedroid bzw. ihrer Holding ABT Ebbe in der Kasse herrschen, könnte Hankir versucht sein, eine Kapitalerhöhung durchzuführen. Erst einmal aber gilt es zu beobachten, wo sich die Bewertung der ABT einpendelt, wenn die Kapitalerhöhung eingetragen ist. Zum Bestand an liquiden Mitteln will sich Hankir aktuell nicht äußern und verweist darauf, solche Finanzkennzahlen, wie andere börsennotierte Unternehmen, “ausschließlich im Rahmen der Berichtssaison bzw. der einschlägigen Ad-hoc-Publikationspflichten” zu kommunizieren.”Laufende Rechtsfragen” möchte Hankir nicht kommentieren. Auf die Frage, ob Savedroid eine Lizenz für Kryptowerte bei der BaFin beantragen wolle, erklärt er, dass man “regulatorische Entwicklungen bezüglich Kryptowährungen” mit großem Interesse verfolge. Grundsätzlich halte man Kryptowährungen “für einen internationalen Markt”. Und vor diesem Hintergrund “werden wir unsere internationale Lizenzstrategie zum weiteren Ausbau unseres operativen Geschäfts sorgfältig abwägen.” Savedroid hat eine Tochtergesellschaft in Liechtenstein, eine weitere in Luxemburg ist für 2020 angekündigt.