Schatten der Vergangenheit über der Deutschen Bank
Eine halbminütige tiefe Verbeugung in einer Pressekonferenz, wie sie vor wenigen Tagen der Präsident und CEO von Toshiba beim Rücktritt nach den Bilanzmanipulationen als Ausdruck seiner Scham exerzierte, wird hierzulande niemand von ehemaligen oder noch amtierenden Vorständen der Deutschen Bank erwarten. Aber neben einer Geste des Bedauerns wären wohl das Bekenntnis zur Verantwortung als Vorstand und entsprechend Rücktritte vom Vorstandsposten das Mindeste, was man auch in Deutschland nach den bisher bekannt gewordenen Verwicklungen der Deutschen Bank in die Referenzzinsmanipulationen erwarten dürfte. Nur Jain zog KonsequenzenEinzig Anshu Jain hat seither die Bank verlassen. Ob der ehemalige Co-CEO damit als Hauptbeschuldigter auf die in einem Bericht der Finanzaufsicht BaFin formulierten Vorwürfe reagierte oder sein Rücktritt andere Gründe hatte, wird nur er selbst wissen. Es spricht vieles dafür, dass dieses BaFin-Schreiben nicht ohne Wirkung blieb, auch wenn für ihn persönlich die Abstimmungsklatsche in der Hauptversammlung und das stark gesunkene Vertrauen der Aktionäre der eigentliche Impuls gewesen sein mögen. Der ehemalige Co-CEO hat damit die politische Verantwortung für die Beteiligung von Deutsche-Bank-Mitarbeitern an den Libor-Manipulationen übernommen, auch wenn ihm die direkte persönliche Verwicklung nicht vorgeworfen wird. Denn ungeachtet der noch zu klärenden Frage, inwieweit und ab wann er über die Marktmanipulation seiner Londoner Händler informiert war oder zumindest hätte Verdacht schöpfen müssen – als Chef des Investment Banking prägte er nicht nur die Kultur dieser “Master of the Universe”, er war auch verantwortlich für die Strukturen, die die Verstöße erst ermöglichten. Im Visier der BaFin …Bis auf Jain, der – zwar spät, aber immerhin dann doch – die Verantwortung für die ungeheuerlichen und systematischen Zinsmanipulationen übernommen hat, ist der Rest der von der BaFin in unterschiedlicher Intensität beschuldigten Führungskräfte auf Tauchstation gegangen. Damit ist es am Aufsichtsrat, bei einigen der Beschuldigten der Einsicht in notwendige Konsequenzen nachzuhelfen – ehe es möglicherweise die BaFin tut. Im Aufsichtsrat aber scheint man noch zu glauben, die Sache sei eine Angelegenheit, die nur die Bank und die BaFin beziehungsweise deren für Großbanken zuständige Abteilungsleiterin Frauke Menke etwas angehe. Dass sich der Aufsichtsrat und namentlich sein Vorsitzender Paul Achleitner da verschätzt haben, mussten sie vor einer Woche erkennen, als der BaFin-Zwischenbericht vom “Wall Street Journal” ins Netz gestellt und von den Medien intensiv ausgeschlachtet wurde (vgl. BZ vom 18. Juli).Die Wirkung dieser Veröffentlichung bei Mitarbeitern, Kunden und Aktionären war verheerend, der Umgang der Bank damit dilettantisch. Denn die Bank hatte den Bericht ja seit zwölf Wochen vorliegen und musste davon ausgehen, dass er irgendwann den Weg an die Öffentlichkeit findet.Die Bewertungen und mitunter in rhetorische Fragen verpackten Mutmaßungen der BaFin-Aufseherin, die regelmäßig an Boardmeetings der Bank teilgenommen hat und von daher weiß, worüber und über wen sie urteilt, mögen in Verbindung mit dem medialen Echo von den Betroffenen als Vorverurteilung empfunden werden. Denn deren Interpretation des Sachverhalts und ihre Stellungnahmen sind noch nicht bekannt. Da es in der Sache aber nicht um Petitessen geht, wie allein schon die bisher verhängten Milliardenbußen zeigen, muss der Aufsichtsrat eine Strategie haben, wie er nach innen und nach außen mit der Causa Libor-Manipulation umgeht. Daran hapert es offenkundig, es sei denn, die Strategie bestünde aus Wegducken und Kleinreden. Es ist an der Zeit, dass die Bank auch kommunikativ das Visier hochklappt. Wer schweigt, gerät in die Defensive. … und der WettbewerberEine solcherart unter Druck stehende Deutsche Bank kann sich niemand wünschen – außer die Wettbewerber. Da der Aderlass der Finanzkrise in der europäischen Bankenlandschaft dazu geführt hat, dass nur noch die Deutsche Bank als europäisches Haus im internationalen Investment Banking und Finanzierungsgeschäft mithalten kann, reibt man sich in den Wall-Street-Banken die Hände angesichts der schleppenden Krisenbewältigung in den Frankfurter Türmen. Und vielleicht ist es ja auch kein Zufall, dass das BaFin-Schreiben in der englischen Version über die Website des “Wall Street Journal” das Licht der Öffentlichkeit erblickte. Wie dem auch sei: Nach allem, was vorgefallen ist, wird der Aufbau von Vertrauen in die Führung und die Geschäfte der Deutschen Bank wieder einmal erschwert. Er wird erst gelingen, wenn die “alte Garde” komplett abgetreten ist.Diesen radikalen Schnitt nicht eher gewagt zu haben, muss sich Achleitner vorwerfen lassen, selbst wenn er dafür im Einzelfall nachvollziehbare Gründe haben mochte. Aber es geht nicht um das Wohlbefinden einiger verdienter – und gut verdienender – Führungskräfte und deren Sorge um einen Karriereknick. Es geht ums große Ganze, um die Zukunft der Bank als Institut und ihre Fähigkeit, mit einer neuen Mannschaft die Schatten der Vergangenheit abzustreifen. Das ist nicht nur die Schlussfolgerung, die man nach Lektüre des BaFin-Berichts und dessen öffentlicher Wirkung ziehen muss, das war auch die Botschaft, die von der Hauptversammlung im Mai ausging. Im Reset-ModusDie Deutsche Bank steckt im Reset-Modus. Die wesentlichen Entscheidungen dafür sind getroffen. Aber solange nicht auch die personellen Aufräumarbeiten zügig abgeschlossen werden, dürfte sich Deutsche-Bank-Chef John Cryan schwertun, eine neue Ära einzuläuten, die von Mitarbeitern, Kunden, Aktionären und Öffentlichkeit auch als solche wahrgenommen wird.c.doering@boersen-zeitung.de——–Von Claus DöringSolange die alte Garde der Deutsche-Bank-Führung noch da ist, wird sich John Cryan mit dem Neuanfang schwertun.——-