Schatten verdunkeln Bares

Von Ulli Gericke, Berlin Börsen-Zeitung, 15.6.2013 Die Landesregierung des hoch verschuldeten Berlins befördert Steuerhinterzieher. Nicht wortwörtlich, aber dem Inhalt nach warf Andreas Pratz, Partner der Beratungsfirma A.T. Kearney, dem honorigen...

Schatten verdunkeln Bares

Von Ulli Gericke, BerlinDie Landesregierung des hoch verschuldeten Berlins befördert Steuerhinterzieher. Nicht wortwörtlich, aber dem Inhalt nach warf Andreas Pratz, Partner der Beratungsfirma A.T. Kearney, dem honorigen Senat vor, Kriminelle zu sponsern. Mit der Entscheidung, das nichtbare Zahlen einer Taxifahrt mit einer Gebühr von 1,50 Euro zu bestrafen, befördere die Regierung die Illegalität, denn: “Bargeld ist der Treiber der Schattenwirtschaft.”So betitelt Pratz einen Teil seines Vortrags über die Schattenwirtschaft in Europa. Gemeinsam mit dem Linzer Professor Friedrich Schneider hat A.T. Kearney im Auftrag von Visa Europe eine Studie über die verborgenen Aktivitäten auf dem Alten Kontinent erstellt. Mit dem Ergebnis, das natürlich ganz unabhängig vom Auftraggeber ermittelt wurde: Mit der Zunahme elektronischer Zahlungen geht die Schattenwirtschaft zurück. Würde nur 15 % häufiger eine EC- oder Kreditkarte gezückt, könnte die Schattenwirtschaft in Deutschland um fast ein Zehntel reduziert werden – was knapp 35 Mrd. Euro entspräche mit Mehrwertsteuermehreinnahmen von gut 6 Mrd. Euro.Laut Studie ist Deutschland nicht nur die größte Wirtschaftsmacht in Europa, sondern hat auch mit gut 350 Mrd. Euro die größte Schattenwirtschaft – absolut gesehen. Gefolgt von Italien (333 Mrd. Euro), Frankreich (204), Spanien (196) sowie Großbritannien (189 Mrd.). Relativ, also im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt (BIP), liege Deutschland mit 13 % in Westeuropa im oberen Mittelfeld, während in der Schweiz mit 7 % nur die Hälfte aller Aktivitäten an der Steuer vorbeigehen und auch die Franzosen und Briten mit nur 10 % deutlich gesetzestreuer sind. Die wirklichen Meister der Schwarzarbeit leben jedoch in Süd- und Osteuropa, wo im Extremfall knapp ein Drittel der Wirtschaftsleistung im dunklen Schatten erbracht wird.Wobei Schwarzarbeit “nur” für zwei Drittel der Schattenwirtschaft stehe. Das letzte Drittel entstehe aus “Underreporting”, also nicht deklarierten Umsätzen. Wenn also Baustoffe nicht verbucht, Überstunden nicht verrechnet, das Bier nicht gebongt oder bei Wohnungskäufen nur Teile des Preises angegeben werden – oder eben der Fahrpreis vom Taxifahrer an der Steuer vorbei einbehalten wird. Würden die Fahrten dagegen per Karte bezahlt, ginge das nicht.”Der deutsche Kunde unterscheidet sich wenig von anderen Ländern, er hat nur weniger Möglichkeiten”, urteilt Ottmar Bloching, Geschäftsführer von Visa Europe in Frankfurt. Tatsächlich zeigt die Statistik, dass Deutschland mit lediglich neun Kartenterminals je 1 000 Einwohner in Europa ziemlich abgeschlagen ist. Finnland beispielsweise habe mehr als viermal so viele. In Dänemark wird auch eine Packung Kaugummi per Karte bezahlt.”Die Schattenwirtschaft bekämpfen heißt den Bargeldumlauf bekämpfen”, gibt sich Pratz martialisch – sicher nicht im Widerspruch zu seinem Auftraggeber. Und lobt zugleich das ein oder andere Programmland im Süden Europas: In Italien müssten seit 2011 alle Transaktionen über 1 000 Euro elektronisch bezahlt werden, womit sie nicht mehr an der Steuer vorbeigeschleust werden können. Ähnlich ist es inzwischen in Spanien und Griechenland, wenn auch dort mit anderen Mindestsummen. Für Deutschland wäre Bloching schon froh, wenn Kartenzahlungen mit Bargeldzahlungen gesetzlich gleichgestellt und nicht mit einer Strafgebühr belegt würden. ——–Studie im Auftrag von Visa nennt Bargeld als Treiber der Schattenwirtschaft.——-