„Scheitern muss erlaubt sein“
fir Frankfurt
– Banken brauchen mehr unternehmerisch denkende Persönlichkeiten, die das Risiko eingehen zu scheitern, fordert Andreas Krischke, Gründer und Geschäftsführer von Indigo Headhunters: „Scheitern muss erlaubt sein.“ Diese Mentalität, in Start-ups gang und gäbe, sei im klassischen Finanzsektor weiterhin eher verpönt. Doch weiche die Haltung allmählich auf, hat Krischke in seiner Personalberater-Tätigkeit beobachtet.
Von Fintechs lernen
Nach jahrelanger „Saure-Gurken-Zeit“ und nachdem man bezüglich der Pandemie aus dem Gröbsten raus sei, erlebe er mehr Offenheit, mehr Bereitschaft, etwas zu wagen, eine Positionsbestimmung vorzunehmen und das eigene Tun kritisch zu hinterfragen. Längst nicht bei allen, aber bei vielen Instituten hierzulande werde deutlich stärker als früher über den Tellerrand geblickt, wie Krischke es ausdrückt. „Es herrscht vielerorts eine ganz neue Stimmung, etwas, das jahrelang gar nicht existiert hat. Jetzt wird in den Banken überlegt: Was machen wir eigentlich? Wie wollen wir uns aufstellen? Und in diesen Überlegungen schwingt eine gewisse Leichtigkeit mit.“ Als einen Stein des Anstoßes hat er das Agieren der Fintechs ausgemacht. Einst von Bankern argwöhnisch beäugt oder gar angefeindet, sei die Angst mittlerweile längst verflogen, Konkurrenz trotz mancher Skepsis meist Kooperation gewichen.
Rückschläge zulassen
Von den Start-up-Leuten könnten sich die traditionellen Banker einiges abgucken – zuvorderst mal, Rückschläge zuzulassen. „Das kennen sie aus der Vergangenheit nicht. Früher sind die Erträge von allein reingekommen, deshalb gab es auch kein Scheitern im klassischen Sinne“, hält Krischke fest und hat für die Banken eine Warnung parat: „Scheitern kann auch dadurch zustandekommen, nichts zu tun und nichts zu ändern. Nur wird dieses Risiko nicht als so hoch bewertet wie das unternehmerische Wagnis, etwas zu tun.“ Wohin die seines Erachtens in der Finanzbranche weit verbreitete Zögerlichkeit führe, offenbare die in vielen Häusern über die Jahre stetig wachsende Cost-Income-Ratio – in Krischkes Lesart mithin ein Risikoindikator des Nichtstuns.
Freiräume und Budget
Das Gebot der Stunde sei nun, sagt der Personalberater, lange vernachlässigtes unternehmerisches Denken in den Banken fest zu verankern. „Wir brauchen in den Banken entsprechende Persönlichkeiten, die den nötigen Freiraum bekommen, ihre Ideen umsetzen zu können, ohne von verschiedenen Seiten reglementiert zu werden.“ Selbstverständlich dürfe auch das nötige Budget nicht verwehrt werden, fügt er noch an.
Konstatiert er also in puncto Mentalität und Innovationsfähigkeit klar positive Auswirkungen von Fintechs auf Banken, so tut sich Krischke mit der Frage, ob auch in umgekehrter Richtung Lerneffekte auszumachen seien, deutlich schwerer. Zu nennen sei schließlich die Regulatorik, vor der sich Fintechs weiterhin oft scheuten und wo die Kernkompetenz ganz klar bei den Banken zu sehen sei.
Etablierte Ertragsmodelle
Dennoch: Trotz allen Aufeinanderzubewegens trennten Fintechs und klassische Kreditinstitute noch immer Welten, findet Krischke. Auch wenn die Durchlässigkeit größer geworden sei, selbst prominente Vertreter von hüben nach drüben wechselten und in umgekehrte Richtung, bleibe in Banken Digitalisierung häufig ein Experimentierfeld, auf dem vieles scheitere. Das Beharrungsvermögen auf etablierten Ertragsmodellen sei mitunter in Banken und Sparkassen so dominant, dass Innovation ungeachtet aller digitaler Initiativen ausgebremst werde. „Oft handelt es sich um Digital-Washing“, bemängelt Krischke.
Und anders als in der etablierten Finanzbranche spielten in der Start-up-Welt Visionen eine enorm wichtige Rolle und herrsche das Gefühl vor, einen echten Beitrag zur Verbesserung der Welt leisten zu können, glaubt Krischke. Finanzielle Aspekte rückten dabei in den Hintergrund. „Diese Kultur ist ganz wichtig. Sie ist das, was Unternehmen attraktiv werden lässt, Leute anzieht und sie zu Höchstleistungen anspornt.“
Mit Ideen begeistern
Um diese Kultur zu etablieren, bedarf es seiner Ansicht nach charismatischer Führungsfiguren. Die sind naturgemäß rar gesät, fänden sich aber in Start-ups weit häufiger als in Banken. „Das, was Fintechs haben, sind Persönlichkeiten mit Charisma, die Menschen um sich scharen und mit ihren Ideen begeistern.“
Dem klassischen Finanzsektor komme nun die Aufgabe zu, intern wie extern nach derlei Persönlichkeiten zu fahnden – möglichst nach Leuten, die nachweislich über Transformations- und Reorganisationserfahrung verfügen. Ein Kulturwandel in Banken und Sparkassen kann seines Erachtens nur von der Spitze aus vonstattengehen. „Man braucht jemanden, der von oben eine Zukunftsvision in die Organisation hineinträgt.“ Am besten ein charismatischer, erfahrener Vorstand, der mit voller Rückendeckung im Aufsichtsgremium einen kulturellen Wandel einleitet und neue Führungskräfte anzieht. Kritisch in tradierten Häusern sei also die volle Unterstützung der Anteilseigner: „Wenn die nicht unternehmerisch denken, wird auch nichts umgesetzt und sich nichts ändern.“