Schiffsfinanzierer in Not
Von Carsten Steevens, HamburgDie Nord/LB übernimmt ihre Tochter Bremer Landesbank (BLB) zum Jahreswechsel komplett. Die DZ Bank bindet die DVB Bank ebenfalls ganz eng an sich, drängt die Minderheitsaktionäre im Squeeze-out-Verfahren heraus und nimmt das wie die BLB in diesem Jahr heftig getroffene Frankfurter Spezialinstitut von der Börse. Die erneute Zuspitzung der Schifffahrtskrise beschleunigte nicht nur die weltweite Bereinigung in der Reedereien-Landschaft. In Deutschland verschwinden zwei schwankende Schiffsfinanzierer als selbständige Banken von der Bildfläche, weil sie nicht imstande waren, plötzlich hochgeschnellte Wertberichtigungen auf ihren Schiffskreditbestand aufzufangen. Für das notwendige Kapital bei einem Jahresverlust in jeweils wohl dreistelliger Millionen-Euro-Höhe müssen die Mutterkonzerne sorgen.War das Schicksal, das BLB und DVB – mit Bilanzsummen von knapp 30 Mrd. bzw. 26 Mrd. Euro in etwa gleich große Häuser – jetzt ereilt, unabwendbar? Bei den betroffenen Instituten weist man die Verantwortung von sich: Selbst einschlägige Agenturen hätten die abermalige Verschärfung der Bedingungen an den Schiffsmärkten im Herbst vergangenen Jahres nicht kommen gesehen, erklärte Peter-Jürgen Schneider, niedersächsischer Finanzminister und Aufsichtsratschef der Nord/LB, in einem Interview mit der Börsen-Zeitung (vgl. BZ vom 2. September). Doch solche Rechtfertigungen erscheinen zu simpel – angesichts erodierender Zinsergebnisse als Folge der seit langem beanstandeten EZB-Geldpolitik sowie wachsender Regulierungslasten. War es nicht fahrlässig, nach den Erfahrungen in mittlerweile acht Jahren Schiffskrise eine schnell und stark steigende Risikovorsorge auszuschließen? Hätte die Bankenaufsicht nicht früher strengere Anforderungen stellen müssen an die großen Schiffsfinanzierer? Hoffnungen auf ein baldiges Ende der Turbulenzen, auf steigende Fracht- und Charterraten für die Schifffahrtsgesellschaften und damit auf eine Entspannung der Lage ihrer Finanzierer haben sich jedenfalls bis heute nicht erfüllt.In den Jahren 2012 bis 2015 reduzierten die deutschen Schiffsfinanzierer ihren Anteil am globalen Schiffsfinanzierungsmarkt um ein Drittel auf 19 %, wie die Ratingagentur Moody’s in einer im Oktober veröffentlichten Studie aufzeigte. Doch obwohl sich in Asien die Finanzierung der in einigen Ländern strategisch wichtigen Schiffsindustrie in den vergangenen Jahren erheblich ausweitete (vgl. Grafik), stehen deutsche Kreditinstitute – wie die angeschlagene HSH Nordbank – nach wie vor weit vorn in diesem Segment. Für einige der größten Häuser hätten sich die Risiken sogar erhöht: So stellen die Bonitätsprüfer bei der DVB Bank von 2012 bis 2015 einen Anstieg des Schiffskreditbestands gemessen am Kernkapital vom 9,6-Fachen auf mehr als das 12-Fache fest. Bei der BLB verschlechterte sich die Relation vom 4,5-Fachen auf das 4,7-Fache.Moody’s verweist auch auf den Anstieg der leistungsgestörten Schiffskredite (Non-Performing Loans, NPL) am gesamten Schiffskreditvolumen während des ersten Halbjahres 2016. So hätten sich die Problemkredite bei der Nord/LB um 10 % auf 7,7 Mrd. Euro erhöht, die NPL-Quote auf 43,9 (Ende 2015: 37,4) %. Verglichen mit der skandinavischen Konkurrenz kämen die deutschen Banken insgesamt heute auf eine zwei- bis dreimal höhere NPL-Quote. Die Ratingagentur befürchtet, dass auf die Institute, zu denen auch der Projektfinanzierer der staatlichen Förderbank KfW, die KfW Ipex-Bank, zählt, weiter steigende Wertberichtigungen zukommen werden: Eine Absicherungsquote von mindestens 50 % auf das gesamte Schiffsportfolio hält Moody’s für erforderlich.Die Bonitätsprüfer beziehen sich dabei auf den Transfer notleidender Schiffskredite der HSH Nordbank an ein Vehikel der beiden Ländereigner Hamburg und Schleswig-Holstein Ende Juni. Das Altlastenportfolio von 5 Mrd. Euro wurde für 2,4 Mrd. Euro abgegeben. Andere, auch staatlich gestützte Banken sehen bei solchen Abweichungen des Verkaufspreises vom Buchwert Schmerzgrenzen überschritten: Die Royal Bank of Scotland etwa zieht inzwischen die Abwicklung ihres Schiffskreditportfolios von 6,7 Mrd. Pfund vor.Ihr Portfolio durch Marktverkäufe abzubauen dürfte den Banken angesichts der stark abweichenden Preisvorstellungen zwischen Verkäufer- und Käuferseite weiter schwerfallen. Im August gab die Nord/LB die Veräußerung eines Kreditbestands von rund 1,5 Mrd. Dollar an den Finanzinvestor KKR und einen Staatsfonds bekannt, der Abschlag auf den Buchwert wurde nicht genannt. Auch die HSH Nordbank will sich bis Mitte 2017 noch von Altlasten (nicht nur Schiffskredite) über 3,2 Mrd. Euro trennen, um attraktiver zu werden für potenzielle Kaufinteressenten. Bis Februar 2018 muss die krisengeschüttelte Landesbank auf EU-Geheiß verkauft werden. Die aktuelle Lage an den Schiffsmärkten wird dieses Vorhaben nicht erleichtern.