Schlagabtausch über Provisionsverbot
rec Brüssel
In der Debatte über ein Provisionsverbot in der Anlageberatung erhält die EU-Kommission Unterstützung aus den Niederlanden. Dort machen sich Finanzministerium und Finanzaufsicht vor dem Hintergrund eigener Erfahrungen mit einem Provisionsbann für ein europaweites Verbot stark. Das geht aus einem sogenannten Non-Paper hervor, das der Börsen-Zeitung vorliegt. Der CSU-Europapolitiker Markus Ferber wiederum kontert entsprechende Pläne von Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness und lässt den Verweis auf die Niederlande als Paradebeispiel nicht gelten.
In weniger als drei Monaten will die EU-Kommission ihre umfangreiche Kleinanleger-Strategie vorlegen. Einer der strittigsten Punkte ist das Provisionsgeschäft. Finanzmarktkommissarin McGuinness schwebt ein Komplettverbot vor, wie kürzlich ruchbar wurde (siehe BZ vom 23.12.2022. Die versammelte europäische Finanzlobby läuft dagegen Sturm. Auch aus dem EU-Parlament kommt Kritik. Dagegen kann die Irin auf Schützenhilfe vonseiten der EU-Aufsichtsbehörden zählen.
Die Niederlande hat Provisionen 2013 verboten. Sie ist das einzige Land in der EU. In Großbritannien sind Provisionen ebenfalls verboten, aber das Land ist bekanntlich nicht mehr Teil der EU. In beiden Ländern sind die Vertriebskosten für Fonds in der Folge deutlich gesunken. In Deutschland und vielen anderen Ländern sind die Kosten höher, auch weil die Anbieter damit Provisionen decken müssen (siehe Grafik).
Finanzministerium und Finanzaufsicht in den Niederlanden preisen in einem Papier die aus ihrer Sicht positiven Wirkungen: „Das Verbot kommt Verbrauchern zugute, ohne den Zugang zu finanzieller Beratung negativ zu beeinflussen.“ Das habe eine Auswertung ergeben. Ein Verbot sei „ein sehr effizienter Weg“, Interessenkonflikte vermeintlich unabhängiger Finanzberater aufzulösen.
EU-Finanzmarktkommissarin McGuinness wirbt mit diesen Erkenntnissen für ein Provisionsverbot. Ferber, einer der vehementesten Gegner, zeigt sich unbeeindruckt: Die Niederlande seien wegen ihres „sehr speziell organisierten Systems der Altersvorsorge kein guter Bezugspunkt“. In Großbritannien habe die Finanzaufsicht erst kürzlich auf einen Mangel an Beratung hingewiesen. Das schreibt der wirtschaftspolitische Sprecher der EVP-Fraktion im EU-Parlament in einem Brief an McGuinness, der der Börsen-Zeitung vorliegt. Darin weist er deren Argumente für ein Provisionsverbot, das letztlich auch durch das EU-Parlament muss, vollumfänglich zurück.
Das ist ganz im Sinne der Finanzindustrie. In einer gemeinsamen Stellungnahme raten mehrere europäische Branchenverbände entschieden von „radikalen Ansätzen“ ab. „Das würde den Zugang europäischer Verbraucher zu finanzieller Beratung beschränken.“ Allein in Deutschland würde ein Provisionsverbot Hunderttausende Finanzberater treffen und das Geschäftsmodell von Fondsanbietern und anderen auf die Geldanlage spezialisierten Finanzdienstleistern insgesamt in Frage stellen.
Argumentationshilfe in dem Schlagabtausch mit Ferber und der Finanzbranche bekommt McGuinness von der Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA. Im Hinblick auf eine Studie der EU-Kommission sei zu bezweifeln, dass Anleger das Konzept der Provisionen verstehen und in ihre Entscheidungen einbeziehen. Vonseiten der Aufsicht habe man versucht, das Provisionsgeschäft in der Praxis so gut wie möglich in Einklang mit bestehenden EU-weiten Regeln zum Verbraucherschutz zu bringen. Dabei stoße man nun aber an Grenzen, heißt es auf Anfrage. Die ESMA hält deshalb eine „Überarbeitung“ der Vertriebsregeln für angebracht, „anstatt die Erfordernisse zur Offenlegung oder Qualitätsverbesserung in Verbindung mit Provisionen verbessern zu wollen“.
Auch die Versicherungsaufsicht EIOPA rät der EU-Kommission, mehr zu tun, „um schädliche Interessenkonflikte“ anzugehen. Allerdings gebe es dafür „kein Allheilmittel“: Sämtliche Optionen einschließlich eines Provisionsverbots hätten Vor- und Nachteile. Die EIOPA plädiert deshalb dafür, verschiedene Instrumente zu kombinieren.