FINANZEN UND TECHNIK - GASTBEITRAG

Schleichende Revolution bei Business Intelligence

Börsen-Zeitung, 1.12.2015 In Unternehmen findet zurzeit, und häufig von der IT unbemerkt, eine schleichende Revolution statt: Self-Service Business Intelligence (SSBI) als Weiterentwicklung klassischer Analysesysteme ist dabei, die Welt der...

Schleichende Revolution bei Business Intelligence

In Unternehmen findet zurzeit, und häufig von der IT unbemerkt, eine schleichende Revolution statt: Self-Service Business Intelligence (SSBI) als Weiterentwicklung klassischer Analysesysteme ist dabei, die Welt der Geschäftsanalysen zu verändern. So hat sich durch die “Selbstbedienungs-BI” die Geschwindigkeit erhöht, in der das Management Analysen von Geschäftsdaten erhalten kann. Schnelle Datenlieferungen erlauben schnellere Ergebnisse und tiefere Einblicke in Zahlen und Prozesse, was durch raschere Geschäftsentscheidungen zu einem echten Zeitvorteil führen kann. Und mit SSBI kann jeder Manager seine Informationsbedürfnisse sofort erfüllen, zu jeder Zeit und auf jedem Gerät.Die Wünsche der Anwender in den Fachabteilungen nach Zugang zu Geschäftsdaten konnten von der IT bisher nicht immer befriedigt werden, so dass manche Anwender nun selbst aktiv werden und verstärkt SSBI nutzen. Anbieter wie Tableau oder Qlikview haben für diese neue Zielgruppe einfach zu bedienende, schnell zu implementierende und meist Cloud-basierte Lösungen für grundlegende Abfragen, Analysen und Reportings entwickelt. Datenanalyse leicht gemachtAnalysten von Gartner schätzen, dass bis 2017 die meisten Business-Anwender in Unternehmen Zugang zu Self-Service-Tools für die Datenaufbereitung haben werden. Damit erhalten weit mehr Fachbereiche als bisher Zugang zu strukturierten Business-Daten und tiefergehenden Analysemethoden. War in den letzten Jahren noch die BI-Abteilung des IT-Bereichs sehr stark involviert bei der Entwicklung des Data Warehouse und den darauf aufsetzenden BI-Auswertungen, so ist durch moderne Tools heute der Fachbereich selbst in der Lage, die Daten auszuwerten.Müssen im Geschäftskundenbereich einer Bank Firmen- und Kontodaten sowie geografische Koordinaten schnell aufbereitet und verknüpft werden, so ist im Privatkundenbereich eher das Konsumverhalten in Zusammenhang mit Ereignissen wie Werbebroschüren und der Vorhersage des Konsums bzw. der Nutzung der Kontokorrentlinie interessant. Versicherungen versuchen mit Vorhersagen die Schadensverläufe einzelner Kunden herauszufiltern, um im positiven Fall maßgeschneiderte Produkte anzubieten oder im Verdachtsfall Betrug zu verhindern.Gerade für den Mittelstand bietet SSBI einen besonderen Vorteil; hier werden Daten nicht in Datenbanken hinterlegt, sondern die Auswertung mitsamt den zugehörigen Daten kann auf der lokalen Festplatte gespeichert werden. Dies ist durch eine spaltenorientierte Speicherung enorm platzsparend. Mittelständler haben meist nicht die technischen und personellen Ressourcen, um Daten umfangreich zu bearbeiten. Hier bieten die neuen SSBI-Tools schnelle und umfangreiche Hilfe, um auch nicht IT-affinen Anwendern Auswertungsmöglichkeiten bereitzustellen. Bei Großunternehmen, die bereits umfangreiche BI-Lösungen einsetzen, stehen dagegen Softwarevorgaben der Architekturkataloge dem Einsatz neuer Tools entgegen. Risiken erkennenWas für die Anwender in den Business Units wie ein Befreiungsschlag wirkt, ist aus Sicht der IT oft eine Bedrohung von innen. Denn häufig geht der Anwender sogar so weit, dass die Geschäftseinheiten die Tools unter Umgehung der IT einführen. Doch die eine neue Freiheit bedeutet auch eine neue Verantwortung. Wer sich für SSBI entscheidet, sollte auch die Risiken kennen und sich davor schützen.Für Fachbereiche und die BI-Abteilung empfiehlt sich beim Thema SSBI Kooperation statt Konfrontation. Dabei geht es nicht darum, eine Bringschuld-Diskussion im Sinne von “Wer liefert welche Daten?” zu führen, sondern die Vorteile zu nutzen und Risiken zu vermeiden. Werden Rohdaten ausgewertet, so umschifft man den gesamten Prozess der Datentransformation und Aufbereitung, den sogenannten ETL-Prozess. Vor allem inhaltliche Fragen in Bezug auf Daten und deren Strukturen sollten gemeinsam geklärt werden. Denn meist bringen die SSBI-Tools Defizite in den Daten und Datenstrukturen schon in den ersten Stunden ans Licht. Hier hilft die BI-Abteilung, Lösungswege aufzuzeigen. Und nicht zuletzt können Governance-Risiken im Unternehmen nur gemeinsam umgangen werden. Gartner schätzt, dass bereits im Jahr 2016 nicht einmal 10 % aller SSBI-Tools und -Programme eine ausreichende Governance vorweisen und damit allen gesetzlichen und unternehmerischen Richtlinien genügen. Früher war also nicht alles schlecht: Der entscheidende Vorteil eines klassischen, zentralen BI-Analysesystems ist und bleibt der sogenannte Single Point of Truth. Ein Data Warehouse stellt sicher, dass geschäftskritische Kennzahlen valide, reproduzierbar und somit vergleichbar sind. Das Beste aus zwei WeltenUm das Beste aus beiden Welten zu verbinden und einen Mehrwert für das Unternehmen zu schaffen, übernehmen verstärkt Beratungshäuser die Rolle des Moderators an der Schnittstelle zwischen Fachbereichen und IT. Die Experten können zwischen Risikokontrolle und neuer Informationsarchitektur nicht nur Lösungen für die Fachbereiche anbieten, sondern unternehmensweite Berichte liefern, die dann tatsächlich eine kleine Revolution im Reportingbereich bedeuten. Beratungshäuser unterstützen nicht nur die SSBI-Initiativen der Hersteller, sondern bieten im ETL-Bereich umfangreiches Know-how an, damit Projekte im SSBI noch effektiver und zielgerichteter ablaufen.—-Wibke Goebel, Partner und Senior Consultant bei Productive-data, Hamburg