Schlussspurt im Rennen um Borsa Italiana

Euronext im Tandem mit Förderbank CDP - Deutsche Börse und Schweizer Six werfen Blick nach Mailand

Schlussspurt im Rennen um Borsa Italiana

bl/dz/ck Mailand/Frankfurt – Das Rennen um die Mailänder Börse geht in die entscheidende Phase. Bis Freitag, 11. September, müssen Interessenten verbindliche Angebote vorlegen. Als Favorit gilt die mit der mehrheitlich staatlichen Förderbank Cassa Depositi e Prestiti (CDP) verbündete Mehrländerbörse Euronext. Doch es ist mehr als wahrscheinlich, dass sich auch die Deutsche Börse und die Schweizer Six um den Zuschlag bewerben.Der bisherige Eigner der Borsa Italiana, die London Stock Exchange (LSE), muss sich vermutlich von der Borsa Italiana trennen, um kartellrechtliche Probleme beim geplanten Erwerb des Datenanbieters Refinitiv für 27 Mrd. Dollar zu vermeiden. Die europäische Antitrustbehörde will sich dazu am 16. Dezember äußern. Bei einem Verkauf geht es nicht nur um die Mailänder Börse, sondern auch um deren 60-prozentige Beteiligung an der Plattform MTS, über die Staatsanleihen gehandelt werden. Die LSE hatte die Mailänder Börse 2007 für 1,6 Mrd. Euro erworben. Die von Morgan Stanley und Goldman Sachs beratene LSE kann nach Einschätzung von Experten mit einem Verkaufserlös von 3,3 bis 3,7 Mrd. Euro rechnen.Italiens Politik versucht, Einfluss auf die Wirtschaft und auf heimische Unternehmen zu gewinnen. Das spricht für das Bündnis von Euronext und CDP. Neben der italienischen Förderbank, die wie ihr französisches Pendant, die Caisse des Dépôts et Consignations (CDC), angeblich um die 8 % an dem neuen Gebilde übernehmen könnte, will sich offenbar auch die italienische Großbank Intesa Sanpaolo am Angebot von Euronext-CDP beteiligen.Es gibt auch starke Argumente, die für die Deutsche Börse oder Six sprechen. Der Verkäufer LSE hat vor allem Interesse an einem möglichst hohen Verkaufserlös. Denn die Ratingagentur Moody’s hat wegen des hohen Kaufpreises für Refinitiv mit einer Herabstufung des bisherigen Ratings des LSE gedroht. Die Schweizer Six wiederum hat sich kürzlich in Madrid gegen Euronext durchgesetzt und ist finanziell potent. Nach Einschätzung Mailänder Finanzkreise könnte sie als Überraschungssieger aus dem Wettstreit hervorgehen. Six selbst gibt keinen Kommentar ab. Sollte Six die Unterstützung der Großbanken UBS und Credit Suisse haben, würde das die Chancen noch erhöhen. Im Fall Madrids konnten die Schweizer auch mit dem Versprechen punkten, die dortige Börse parallel, also weitgehend autonom, weiterzuführen. Eine Frage der AutonomieDas fällt aus Mailänder Sicht positiv ins Gewicht. In einem Gastbeitrag für die Zeitung “Il Messaggero” dringen Ex-Wirtschaftsminister Pier Carlo Padoan und Ex-Schatzamtschef Fabrizio Pagani darauf, dass die Mailänder Börse über eine im operativen Geschäft autonome Führung verfügt, die eigenständig Investitionsentscheidungen treffen kann. Das spricht gegen Euronext, die zwar ein föderalistisches Modell ins Feld führt, in der Praxis der Mehrländerbörse aber zentralistisch handelt.Gute Chancen hat auch Deutsche Börse, die keinen Hehl aus ihrem Interesse für die Borsa Italiana macht. Bereits auf der Bilanzpressekonferenz im Februar, also bevor die Mailänder Börse von der LSE angeboten wurde, hat der Vorstandsvorsitzende Theodor Weimer das Interesse der Deutschen Börse an der italienischen Rivalin bekräftigt.In der Analystenkonferenz zu den Zahlen des zweiten Quartals ließ Weimer Ende Juli durchblicken, mit der LSE im Gespräch zu sein. “Es gibt bestimmte Gespräche, wo Leute vielleicht bestimmte Dinge verkaufen müssen. Sie sind klug genug, um zu wissen, was ich damit meine.” Während das Aktienmarktgeschäft der Borsa Italiana nicht von besonders großem Interesse sein dürfte, passt die Plattform MTS gut zur von der Deutschen Börse angestrebten Diversifizierung der Anlageklassen. Allerdings könnte eine Übernahme der MTS durch die Frankfurter wegen des Quasi-Monopols der Eurex im europäischen börslichen Anleihederivatehandel auf Wettbewerbsbedenken der EU stoßen. Und auch aus London droht Gegenwind: Die Briten könnten möglicherweise einen Deal mit der Deutschen Börse ablehnen, um nicht einen wesentlichen Konkurrenten zu stärken.