Im InterviewMike Kamman

„Salopp gesagt: Es brennt die Hütte!“

Die Bausparkasse Schwäbisch Hall hat ihren Marktanteil auf 34,7% im eingelösten Neugeschäft gesteigert. CEO Mike Kammann gibt einen Ausblick für das laufende Jahr und erläutert seine Wünsche an die nächste Bundesregierung.

„Salopp gesagt: Es brennt die Hütte!“

Schwäbisch-Hall-CEO: Wohnungsmarkt ist sozialer Sprengstoff – Baufinanzierung erholt sich – Wachsendes Finanzierungsvolumen

Nach zwei guten Jahren schaltet die Bausparbranche 2024 wieder auf Normalmodus. Branchenprimus Schwäbisch Hall macht dabei nach Marktanteilen Boden gut, bleibt aber hinter dem Rekord zurück. Bei eher sinkender Zinsentwicklung rechnet CEO Mike Kammann 2025 mit einem Neugeschäft auf Vorjahrsniveau.  

Herr Kammann, die privaten Bausparkassen blieben nach Bausparsumme 2024 rund 24% unter Vorjahr. Wie lief es bei Schwäbisch Hall?

Besser als der Markt. Wir haben ein Neugeschäftsvolumen von 28,1 Mrd. Euro erzielt. Damit liegen wir zwar mit 10% unter den Vorjahreswerten, aber wir konnten unseren Marktanteil deutlich ausbauen - um 3,5 Prozentpunkte auf 34,7 % im eingelösten Neugeschäft.

Warum?

Nach den guten Jahrgängen 2022 und 2023 hat beim Bausparen ein Prozess der Normalisierung eingesetzt, der auch auf einen gewissen Sättigungseffekt zurückgeht. Nachdem die Branche 2023 noch knapp 100 Mrd. Euro Neugeschäft geschrieben hat, liegen wir im abgelaufenen Jahr bei knapp 84 Mrd. Euro. Wir als Schwäbisch Hall sind dennoch zufrieden – nicht zuletzt, weil wir unsere relative Wettbewerbsfähigkeit ausgebaut haben.

Woran lag’s?

Ein Erfolgsfaktor ist unser Vertriebsmodell. Wir arbeiten sehr eng und partnerschaftlich mit den genossenschaftlichen Banken zusammen und haben einen starken Außendienst. Ein zweiter ist die Präsenz in der Region. Sowohl die genossenschaftlichen Banken wie auch unser Außendienst sind in der Fläche sehr gut vertreten. Unser dritter Erfolgsfaktor ist die Beratungsqualität bei unseren Vertriebspartnern. Bei so wichtigen Entscheidungen wie einer Immobilienfinanzierung sucht der Kunde nach wie vor die persönliche Beratung.

Wie sieht es im Baufinanzierungsgeschäft insgesamt aus?

Im vergangenen Jahr hat sich der Markt wieder erholt mit einer Steigerung um 20% im Vergleich zu 2023.  Damit liegt das Baufinanzierungsvolumen fast schon wieder auf Höhe des langfristigen Durchschnitts. Als Bausparkasse Schwäbisch Hall konnten wir das Jahr 2024 in einem sehr wettbewerbsintensiven Markt mit einem Neugeschäftsvolumen von 13,6 Mrd. Euro leicht über Vorjahrsniveau halten. Vor allem im Kollektivgeschäft stellen wir ein deutlich anziehendes Bauspardarlehensvolumen fest mit einer Steigerung von 14% auf 3,7 Mrd. Euro. Insgesamt möchte ich betonen, dass Schwäbisch Hall den Fokus auf profitables Wachstum legt und sein Baufinanzierungsgeschäft nicht nur nach Volumen, sondern auch nach Ertrag und Risiko steuert.

Inwieweit haben sich die im Oktober 2024 neu eingeführten Tarife auf die Marktanteile ausgewirkt?

Unser neues Tarifangebot hat das auf jeden Fall unterstützt. Der neue Tarif bildet die aktuelle Zinslandschaft ab und stößt auf positives Interesse bei Kunden und Vertriebspartnern. Im Mittelpunkt stehen Angebote für Vorsorgesparer, junge Leute, Baufinanzierungs-Kunden und Eigentümer, die energetisch sanieren wollen. Mit Sparzinsen bis zu 1,05 % sind die Konditionen deutlich verbessert worden. In der Sparphase haben wir auch die Zuteilungszeiten gekürzt, so dass der Kunde früher auf sein Bauspardarlehen zugreifen kann. Der Darlehenszinssatz im neuen Schwäbisch Hall-Angebot startet bei effektiv 1,95 Prozent und liegt damit immer noch deutlich unter dem derzeitigen Zinssatz für Annuitätendarlehen mit zehnjähriger Zinsfestschreibung.

Speziell für anstehende energetische Modernisierungen hat Schwäbisch Hall die Tarifvariante FuchsEco weiterentwickelt. Diese Option bietet bei einer Regelbesparung eine Ansparzeit von knapp sieben Jahren. Gleichzeitig gibt es bei energetischer Verwendung weitere Zinsvorteile in der Größenordnung von 0,35 % im Bauspardarlehenszins.  

Die neuen Tarife sorgten für einen Schlussverkaufseffekt. Im Kern wurden Tarifen die Darlehenszinsen stärker erhöht als die Guthabenzinsen. Wo ist der Gewinn für den Sparer?

In der Sicherheit und Planbarkeit. Die Mehrzahl der Menschen wollen in den eigenen vier Wänden leben. Umfragen bestätigen diesen Wunsch nach der eigenen Immobilie auch bei jungen Leuten immer wieder. Eine – wieder – sehr wichtige Voraussetzung, dass das gelingt, ist der Aufbau von Eigenkapital. Bausparen ist dafür ein perfektes Instrument und wird auch vom Staat gefördert – sogar dreifach. Auch die Zinsentwicklung spricht für einen Bausparvertrag. Die jetzt festgelegten Darlehenszinsen werden bei wieder anziehender Konjunktur in fünf bis zehn Jahren noch attraktiver sein, als sie es heute schon sind.

Wie schlägt sich die Entwicklung in Ihrem Ergebnis nieder?

Unser Ergebnis beträgt 64 Millionen Euro vor Steuern nach IFRS, gegenüber 20 Mill. Euro im Vorjahr. Wir profitieren zunehmend von dem nachhaltig höheren Zinsniveau durch höhere Zinserträge auf der Aktivseite sowie von geringeren Zinsaufwendungen auf der Passivseite. In der Folge widerspiegeln sich die Effekte des Zinsanstiegs immer deutlicher im Ergebnis. Unterstützt wurde das Gewinnwachstum auch von einem um fünf Prozent reduzierten Verwaltungsaufwand. Mit Blick auf das Jahr 2025 erwarten wir eine weitere Ergebnisverbesserung und ein Ergebnis im dreistelligen Millionenbereich.

Wie entwickelt sich Ihre digitale B-to-B-Plattform Baufinex?

Baufinex bringt 525 Produktpartner für die digitale Baufinanzierung zusammen und machte in einem stark wachsenden Plattform-Markt 2024 einen Riesensprung von knapp 60 Prozent auf ein Transaktionsvolumen von 13,2 Mrd. Euro, womit wir die Nummer 2 unter den deutschen Vermittlermarktplätzen sind und zum Sprung an die Spitze ansetzen.

Wohin geht‘s mit den Zinsen 2025?

Angesichts der zu erwartenden EZB-Zinspolitik ist das wahrscheinlichste Szenario eine seitwärts bis leicht rückläufige Bewegung der Bauzinsen - vermutlich in einem Korridor zwischen 3,0 und 3,5 Prozent bis Jahresende 2025, so unsere Prognose. Wohlgemerkt, Zinsschritte der EZB wirken sich nicht eins zu eins auf die Baufinanzierungszinsen aus. 

Was erwarten Sie sowohl für den Bausparmarkt als auch für das Baufinanzierungsgeschäft?

Wir gehen davon aus, dass sich der Markt nach den Boomjahren 2022 und 2023 eher auf dem Niveau von 2024 – also bei einem Neugeschäft zwischen 80 und 90 Mrd. Euro – einpendelt. Zum Vergleich: In einem Bausparjahr vor der Zinswende wie 2021 belief sich die Bausparsumme auf knapp 80 Mrd. Euro. Für uns rechnen wir in diesem Jahr mit einem Neugeschäft in etwa auf Vorjahresniveau. Das Baufinanzierungsgeschäft dürfte insgesamt um fünf Prozent anziehen, womit sich der Markt wieder im langfristigen Durchschnitt zwischen 190 und 230 Mrd. Euro bewegen würde. Wir rechnen damit, in diesem Jahr stärker an der wieder anziehenden Baufinanzierung zu partizipieren.

Also doch alles bestens?

So würde ich das nicht sagen. Der Markt ist schließlich weiterhin geprägt von Attentismus. Aufgrund unklarer Gesetzgebungen, volatiler Förderlandschaften sowie weiterhin hoher Baukosten kommt die Erholung langsamer als erhofft voran.

Und doch gibt es einen enormen Bedarf…

In der Tat, für 2025 und 2026 gehen wir von einem steigenden Finanzierungsbedarf aus, weil sich die Lücke zwischen der Wohnnachfrage und der Bauleistung in den letzten beiden Jahren deutlich vergrößert hat. Außerdem bleibt die energetische Sanierung des Gebäudebestandes, deren Finanzierungsvolumen wir auf rund 80 Mrd. Euro pro Jahr schätzen, nach wie vor eine wichtige Aufgabe.

Welche Rolle schreiben Sie dem Instrument des Bausparvertrags bei der energetischen Sanierung zu?

Zwei Drittel der Bausparmittel setzen unsere Kunden heute für Sanierung, Renovierung und Modernisierung ihrer Immobilie ein. Bausparer sanieren häufiger als Menschen ohne Bausparvertrag. Die Finanzierungshöhe energetischer Sanierungsmaßnahmen passt gut in einen Bausparvertrag. Beim Bausparen gibt es den Vorteil, dass sonst übliche Kleindarlehenszuschläge entfallen. Außerdem ist ein schlanker Prozess ohne größere Formalien wie zum Beispiel Grundbucheintrag von Vorteil. In der Regel deckt ein üblicher Bausparvertrag den Großteil der für eine energetische Sanierung typischen Investitionssummen ab.

Warum geht es dennoch nur zögerlich voran?

Es gibt eben auch in der Sanierung eine hohe Verunsicherung der Immobilienbesitzer durch die Politik. Nach dem Ampel-Aus und dem nicht verabschiedeten Bundeshaushalt fragen sich die Leute, was aus Vorgaben wie dem Heizungsgesetz wird. Wird es 2025 noch ausreichend Fördergelder für Neubau und Sanierung geben? Welche Möglichkeiten habe ich konkret mit meiner eigenen Immobilie?

Und das bedeutet?

In der Folge suchen die Kunden Orientierung und Beratung bei der Modernisierung ihrer Immobilie – sowohl bezüglich der Finanzierung als auch für die Vernetzung mit Handwerkern oder hinsichtlich passender Förderungen. Wir unterstützen unsere Kunden mit speziellen Angeboten und Tools, wofür wir mehr als 2.000 Berater in unserem Außendienst und weitere in den Banken zu Modernisierungs- und Fördermittelberater ausgebildet haben.

Gesetzt den Fall, Sie hätten drei Wünsche frei, die Sie an die nächste Bundesregierung richten könnten?

Dass sie die Probleme anpackt, mit Mut und Kompetenz. Die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt ist ein Problem und birgt enormen sozialen Sprengstoff. Dazu müssen wir erstens die Baukosten in den Griff bekommen und günstiger statt immer teurer bauen. Um eine Trendumkehr zu erreichen, müssen Bauvorschriften reduziert, Bauordnungen länderübergreifend vereinheitlicht und Nebenkosten gesenkt werden. Angesichts von Kaltmieten in der Spitze zwischen 20 und 25 Euro muss man sich klar werden, wieviel sozialen Sprengstoff das Thema birgt. Salopp gesagt: Es brennt die Hütte!

Nummer zwei?

Es gilt, verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen und damit die Nachfrageseite zu stabilisieren, sowohl für den Kauf oder Bau als auch für die Sanierung. Der Umgang etwa mit dem Heizungsgesetz oder die kurzfristige Streichung von Förderungen führt zu Zurückhaltung bei den Immobilienbesitzern und Käufern.

Ein wesentliches Hemmnis ist auch mangelndes Eigenkapital für den Wohneigentumserwerb für breite Bevölkerungsschichten. Notwendig ist es daher, die bewährten Förderinstrumente zur Eigenkapitalbildung, Wohnungsbauprämie und Arbeitnehmersparzulage, attraktiver zu gestalten.

Nach Wohnungsmarkt und Heizung würde Klima passen...

Richtig, die Klimaschutzziele für den Gebäudesektor drohen verfehlt zu werden. Es bedarf eines Maßnahmenbündels, das die Reduzierung von CO2-Emissionen statt der Endenergieeffizienz, qualifizierte Beratung und ausreichend Kapazitäten im Baugewerbe in den Mittelpunkt rückt.

Wenn Sie noch einen Wunsch hätten?

Privates Wohneigentum gilt es als Bestandteil der geförderten Altersvorsorge auszubauen. Die geförderte Eigenheimrente muss aus Kunden- und Anbietersicht weiterentwickelt werden.

Das Interview führte Thomas Spengler

Im Interview: Mike Kammann

„Salopp gesagt: Es brennt die Hütte!“

Das Interview führte Thomas Spengler.

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