"Schwarzen Peter nicht weiterreichen"
jsc Frankfurt – Der Finanzwirtschaft droht in der Debatte über mehr Transparenz in der Nachhaltigkeitsberichterstattung Gegenwind aus Wirtschaft und Politik. Während Banken und Investoren weitere Daten von Firmen einforderten und im Rahmen der EU-Offenlegungsverordnung auf Vergleichbarkeit pochten, drohe kleinen und mittelständischen Unternehmen durch die Berichtspflichten eine unverhältnismäßig hohe Last, warnte FDP-Politikerin Nicola Beer, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, am Mittwoch in einer Online-Konferenz des hessischen Europaministeriums. “Der normale Mittelständler ist nicht in der Lage, all diesen zusätzlichen Berichtspflichten nachzukommen”, sagte sie. “Hier kann nicht aus der Finanzwirtschaft der Schwarze Peter weitergereicht werden.”Zuvor hatte die Deutsche Bank, die ebenfalls hinter der Veranstaltung steht, die Bedeutung vergleichbarer Daten bekräftigt, damit die Finanzwirtschaft die angestrebte Transformation der Wirtschaft begleiten könne. “Finanzmärkte wachsen immer gut, wenn wir Skalierung und Standardisierung haben”, sagte Gerald Podobnik, Finanzchef der Corporate Bank im Deutsche-Bank-Konzern. Die Taxonomie, also das geplante EU-Klassifizierungssystem für nachhaltige Wirtschaftszweige, sei bereits ein wichtiger Schritt, eine Reform der nichtfinanziellen Berichterstattung von Unternehmen müsse folgen. Allerdings sollte auch darauf geachtet werden, dass die Taxonomie für unterschiedliche Branchen und Firmengrößen “so gut wie möglich anwendbar” sei, sagte er.Der Zielkonflikt der Regulierung – die Einbindung möglichst vieler Unternehmen einerseits und die Handhabbarkeit der Vorgaben andererseits – sorgt schon seit Monaten für Diskussionen. FDP-Politikerin Beer sieht in der Debatte eine Schieflage. In den Fachgremien der EU seien zwar zuweilen Vertreter aus größeren Konzernen anzutreffen, aber “so gut wie keine” Vertreter aus dem Mittelstand, beklagte sie. Im Rahmen der Offenlegungsverordnung sind Firmen am Kapitalmarkt bereits ab 2022 verpflichtet, über die Nachhaltigkeit ihres Geschäfts genauer zu informieren – ein kaum erreichbares Ziel, wie sie betonte. “Ich halte das für Wahnsinn. Das wird auch gar nicht leistbar sein.”Derweil sieht sich die EU-Kommission, die derzeit an Vorgaben für die nichtfinanzielle Berichterstattung von Unternehmen arbeitet, unter Erwartungsdruck. In etlichen Stellungnahmen, die in der Kommission eingingen, werde Engagement auf dem Pfad zur Nachhaltigkeit eingefordert, wie Martin Spolc sagte, Referatsleiter der Generaldirektion Fisma der Kommission. Im Rahmen einer “inklusiven Transformation” sollten demnach Firmen eingebunden und Fortschritte eingefordert werden.Zwischen den Stühlen sitzt derweil der Chemiekonzern BASF in der Debatte. Der Konzern kommt mit der Berichterstattung zur Taxonomie trotz einer hohen Komplexität “gut zurecht”, wie Stefan Schnell sagte, Senior Vice President für die Gruppenberichterstattung von BASF und für das Performance Management des Konzerns. Vergleichbare Standards seien “im Sinne der Industrie”, um Daten “über die Lieferkette hinweg” zu vergleichen und zu verarbeiten. Zugleich müssten die Vorgaben praktikabel sein, sagte auch er. Fein justierter grüner FaktorWeiterhin steht die Idee von Abschlägen der Kapitalvorgaben für die Finanzierung nachhaltiger Projekte im Raum: Beer sprach sich gegen einen pauschalen “grünen Faktor” aus und brachte damit auch die vorherrschende Haltung im EU-Parlament auf den Punkt. Die Deutsche Bank befürwortet “abweichende Kapitalanforderungen” als zusätzlichen Anreiz für die Kreditwirtschaft, wie Stefan Simon ausführte, Vorstandsmitglied und Chief Administrative Officer der Bank.Einen möglichen Weg zeigte EU-Kommissionsvertreter Spolc auf: Nicht als grüne Faktoren per se, wohl aber im Rahmen des Risikomanagements könnten Nachhaltigkeitskriterien eine Rolle spielen, wie er ausführte. “Das wird sehr fein justiert werden.” Die Kommission tausche sich daher mit der Bankenaufsicht aus. Ergebnisse seien allerdings nicht vor Ablauf des Frühjahrs realistisch.