Schweizer Banken hoffen auf Payment

Personifizierte Dienstleistungen machen Zahlungsverkehr wieder attraktiv

Schweizer Banken hoffen auf Payment

dz Zürich – Es ist keine zehn Jahre her, als die Schweizer Banken den Zahlungsverkehr noch primär als Kostenfaktor und als notwendiges Übel betrachteten. Arbeitsteilung mit der staatlichen Postfinance war damals das Gebot der Stunde. Inzwischen sehen die Banken in diesem Geschäft einen Schlüsselmarkt der Zukunft, und sie liefern sich mit der Postfinance einen erbitterten Kampf.”Wir reorganisieren unsere ganze Firma, um den Herausforderungen des Zahlungsverkehrs gerecht werden zu können”, erklärte Jürg Weber, Leiter der Division Payment Services Six Group, bei einer Medienveranstaltung in Zürich. Die Six Group betreibt im Auftrag von 140 in der Schweiz tätigen Banken die Finanzmarktinfrastruktur, zu der neben der Börse und Wertschriftenabwicklung auch der Zahlungsverkehr gehört, der im Umbruch steckt. Neue, smartphonegängige Lösungen verdrängen sukzessive bestehende Bezahlhilfsmittel wie EC-Karten, aber auch das Bargeld. Dies ist zumindest die Erwartung, an der sich die Branche derzeit orientiert: “Wenn unsere Kinder so alt sind wie wir, werden sie sicher nicht mehr mit der Plastikkarte bezahlen”, prophezeite der Mittfünfziger Weber. Attacke auf PostfinanceDie Banken und die Six Group haben es mit der Entwicklung ihres eigenen smartphonefähigen Bezahlsystems Paymit eilig: Zum Jahresende soll es landesweit im Einsatz sein. Die Voraussetzung dafür ist, dass Six in den nächsten Monaten von Genf bis St. Gallen und von Lugano bis Basel Tausende von Kartenterminals aufrüstet. Gemäß Six steht ein solcher Terminal in sechs von zehn Läden. Was die Initiative kostet, behält die Firma für sich.Die Banken blasen zum Angriff auf die Postfinance, die größte Akteurin im Schweizer Zahlungsverkehr. Sie liegt mit ihrem eigenen System Twint auch in puncto moderne Zahlungsmethoden vorn. Weshalb aber konzentrieren sich die Banken nun auf das Geschäft mit dem Zahlungsverkehr, von dem sie sich vor wenigen Jahren noch liebend gern getrennt hätten? Die Gründe sind mehrschichtig, aber ein zentrales Element der Antwort ist die Veränderung der Kundenbeziehung. Die physischen Kontakte zwischen Bank und Kunde werden immer seltener, während die elektronischen Berührungspunkte zunehmen. Elektronische Kundenkontakte haben für die Banken den Vorteil, dass sie mittels Einsatz intelligenter Software die Entwicklung personifizierter Dienstleistungsangebote zulassen. Nach Auffassung von Branchenexperten bewegt sich das Bankgeschäft der Zukunft exakt in diese Richtung. Standards vorgebenDie Elektronisierung des Geschäfts ist aber auch die Chance für Technologiekonzerne wie Apple, Google und Samsung. “Firmen wie Apple wollen die Kundenbindung mit der Einführung von Bezahlfunktionen verstärken”, sagte Weber. Apple Pay und andere Systeme sind in manchen Ländern bereits im Einsatz. Die Schweizer Banken und auch die Postfinance treiben die Verbreitung ihrer eigenen Systeme nun unter Einsatz aller Kräfte rasch voran. Ihr Ziel ist es, den erwarteten Neuankömmlingen im Markt einen Standard vorzugeben, dem sich diese zwangsläufig unterordnen müssen. Das Ziel sei sehr ehrgeizig, meinen Branchenkenner – zumal die Banken und die Postfinance gegen die neuen Wettbewerber nicht zusammenstehen.Dem Gesamtinteresse des Finanzplatzes sei diese Konkurrenzsituation abträglich, meint Andreas Dietrich, Bankenprofessor an der Hochschule Luzern. Das Rennen um die Vorherrschaft im Zahlungsverkehr hat ihm zufolge erst begonnen. Bis der Sieger feststeht, werde es noch einige Jahre dauern. Da für mehr als zwei Bezahl-Applikationen auf dem Smartphone eines Durchschnittskonsumenten kein Platz sein werde, müsse es Verlierer geben. Und danach? Branchenkenner glauben, dass Apple und Co. die Kreditwirtschaft sogar mit eigenen Banken aufmischen könnten.