Schweizer Bankiers auf Goodwill-Tour

Von Daniel Zulauf, Zürich Börsen-Zeitung, 27.3.2020 Die Schweizer Banken erleben in diesen Zeiten gerade ein neues Gefühl. Das Land braucht sie. Unzählige der rund 600 000 Kleinunternehmer sind froh zu wissen, wohin sie sich mit ihren Problemen...

Schweizer Bankiers auf Goodwill-Tour

Von Daniel Zulauf, ZürichDie Schweizer Banken erleben in diesen Zeiten gerade ein neues Gefühl. Das Land braucht sie. Unzählige der rund 600 000 Kleinunternehmer sind froh zu wissen, wohin sie sich mit ihren Problemen wenden können. Von höchster Stelle in der Regierung erhalten die Banken Lob für ihre Effizienz. Dank ihnen konnte die Schweiz ihren 20-Mrd.-Franken-Rettungsschirm innerhalb weniger Tage über Gewerbe und Mittelstand aufspannen.Seit gestern fließt Geld an Tausende von kleineren Firmen, die jetzt nichts mehr verkaufen und deshalb schon bald keine Rechnungen mehr begleichen können. “Die ersten UBS-Kunden haben den angefragten Betrag aus der Covid-19-Fazilität 1 bereits kurz nach dem offiziellen Start auf ihrem UBS-Konto gutgeschrieben erhalten”, teilte die größte Bank des Landes gestern in einer eigens verfassten Mitteilung mit. “Wir bauen heute nach dem erfolgreichen Start die Kapazitäten weiter aus und setzen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln alles daran, unseren Kunden die Überbrückungsfinanzierungen so schnell wie möglich bereitzustellen”, versichert das Kreditinstitut in einem Tonfall der Dringlichkeit, der vor allem eines klarstellen soll: Die Schweizer Banken tragen eine große volkswirtschaftliche Verantwortung, und sie sind sich dieser auch sehr bewusst.Entsprechend salbungsvoll betont auch die Schweizerische Bankiervereinigung in einer Pressemeldung, welche die Zusammenarbeit der Branche mit der Regierung preist: “Die Banken stehen auch in dieser anspruchsvollen Zeit uneingeschränkt zu ihrer Verantwortung als Kreditversorger der Wirtschaft.”Den Verantwortungsorden mussten sich die Kreditinstitute nicht einmal selber anstecken. Er wurde ihnen gleichsam angehängt – von so geachteten Autoritäten wie dem Notenbankchef oder dem Finanzminister zum Beispiel.So viel Ehre wurde den Schweizer Bankiers seit Jahrzehnten nicht mehr zuteil. Und man ist offensichtlich bemüht, die hohen Erwartungen nicht zu enttäuschen. Credit-Suisse-Chef Thomas Gottstein versprach Schweizer Medien, seine Bank wolle an dem staatlich gestützten Rettungsprogramm kein Geld verdienen. “Wenn dies doch der Fall sein sollte, dann werden wir einen allfälligen Nettogewinn zugunsten von Projekten zur Unterstützung von Schweizer Unternehmen in Notlage spenden.”Von der Nachkriegszeit bis in die späten 1990er Jahre gehörten die Lobbyisten der Kreditwirtschaft zu den einflussreichsten Einflüsterern der eidgenössischen Milizparlamentarier. Doch dann häuften sich die Krisen, die der Reputation der Branche, aber auch dem ganzen Land Schaden zufügten. Dem unsäglichen Versteckspiel um verschollene Gelder von Holocaust-Opfern folgten Jahre der ungezügelten Arroganz und eine ungebremste Bonus-Bonanza, bis 2008 der große Absturz die staatliche Rettung der UBS nötig machte. Auf dieses Ereignis folgten die durch ausländischen Druck erzwungene Abschaffung des Bankgeheimnisses und eine Reihe von heftigen Steuerstreiten, die teilweise bis heute andauern.Kein Zweifel: Seit den Zeiten der Finanzkrise haben sich Banken und Politik in der Schweiz gehörig auseinandergelebt. Die nun stattfindende Wiederannäherung kommt zur richtigen Zeit – nicht nur, weil sie für die Bewältigung der Coronakrise hilfreich ist. Seit der Finanzkrise hat das Gewicht der Branche an der nationalen Wertschöpfung stark abgenommen. Banker sind weniger wichtig als damals, und dementsprechend genießen sie auch weniger mediale Aufmerksamkeit. Für das Land hat dies den Vorteil, dass das von der Branche ausgehende Potenzial für Reputationsschäden deutlich kleiner geworden ist. Zum Leidwesen der Branche wird damit aber auch die Wirkung der derzeitigen Goodwill-Tour beschränkt bleiben.——Die eidgenössischen Geldhäuser betonen ihre Verantwortung zur Lösung der Krise.——