Schweizer trennen ihre Post und deren Bank behutsam
Von Daniel Zulauf, ZürichDie Schweizer sind keine Privatisierungsturbos. An einen Verkauf der Bundesbahnen wagen selbst die liberalsten Politiker nicht einmal im Traum zu denken. Und sogar die Swisscom, die in den neunziger Jahren aus der staatlichen PTT (Post, Telegraph, Telefon) in eine separate Aktiengesellschaft überführt wurde, steht weiterhin und unangefochten im Mehrheitsbesitz der Eidgenossenschaft. Liberalisierung mit BedachtLiberalisierungsschritte werden in der Alpenrepublik seit jeher mit viel Bedacht und zeitlichem Vorlauf eingeleitet. Das gilt auch für das Briefmonopol, das im Rahmen des Anfang des Monats in Kraft getretenen neuen Postgesetzes schrittweise über die nächsten Jahre aufgehoben oder vielleicht auch nur weiter gelockert werden wird.In Vorwegnahme dieser Entwicklung ging die Schweizer Post schon vor 15 Jahren in die Offensive und zimmerte aus ihrem traditionellen Zahlungsverkehrsgeschäft ein Finanzunternehmen, das sich unter dem Namen Postfinance landesweit als erste Adresse für Sparer mit herkömmlichem Anlage- und Finanzierungsbedarf empfiehlt.Der Erfolg der Postfinance ist in der Tat bemerkenswert. Das Unternehmen verwaltete Ende September ein Sparvermögen von 103 Mrd. sfr und kommt damit den Großbanken je nach Definition erstaunlich nahe. Und der Erfolg nimmt weiter zu: In den ersten neun Monaten des Jahres hat die Postfinance so viele Neukunden gewonnen wie noch nie, seit die Finanzkrise vor sechs Jahren ausgebrochen ist. 100 000 Sparer transferierten zwischen Anfang Januar und Ende September insgesamt 10,6 Mrd. sfr auf ihre frisch eröffneten “gelben” Konten, wie das Unternehmen diese Woche mitteilte. Sogar in den schlimmsten Krisenjahren 2008 und 2009, als im Zug des Lehman-Konkurses das ganze Weltfinanzsystem ins Wanken geriet und die UBS vom Staat gerettet werden musste, hatten weniger Kunden bei der Postfinance Zuflucht gesucht.Dieses erfolgreiche Staatsunternehmen, das im Neunmonatszeitraum einen Gewinn von 499 Mill. sfr ausweisen konnte, wird nun langsam, aber sicher für eine Zukunft in der Privatwirtschaft umgerüstet. Ähnlich wie 1998 die Swisscom soll die Gesellschaft im kommenden Jahr organisatorisch aus der öffentlich-rechtlichen Post in eine Aktiengesellschaft ausgegliedert werden. Besitzverhältnisse bleibenZwar ändert sich damit vorerst gar nichts an den Besitzverhältnissen. Doch die Politik verliert ihre Aufsichtsfunktion. Noch in diesem Jahr erwartet die Postfinance nämlich die Erteilung einer Banklizenz durch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma), die danach auch die aufsichtsrechtliche Verantwortung über den Konzern erhält. Die Professionalisierung der Aufsicht geht einher mit der Aufhebung der bislang unbegrenzten Staatsgarantie. Ab 2013 sind Posteinlagen im Konkursfall, wie bei allen Banken, bis zu höchstens 100 000 sfr pro Kunde garantiert.In der Person des in der Schweiz bekannten Zürcher Wirtschaftsanwaltes Rolf Watter (Kanzlei Bär & Karrer) erhält die neue Postfinance AG einen Verwaltungsratspräsidenten, der nicht nur in der Zulassungsstelle der Schweizer Börse sitzt, seine profunden Kapitalmarktkenntnisse nicht nur im Stundentarif verkauft, sondern diese als Aufsichtsrat auch ganz direkt in verschiedene börsennotierte Gesellschaften einbringt. Watters Berufung wirft selbstredend die Frage auf, ob ein Privatisierungsprojekt für die Postfinance bereits gestartet ist.”Zu früh”, erklärte dazu Konzernchef Hansruedi Köng diese Woche im Gespräch mit der Schweizer Halbwochenzeitschrift “Finanz und Wirtschaft”. Doch schon im nächsten Satz fügte Köng vielsagend an: Wenn der Umwandlungsprozess in eine AG erfolgreich bewältigt, ein bis zwei Jahresabschlüsse auf dem Tisch lägen und die Kapitalplanung zeigen sollte, dass mehr Wachstum möglich und mehr Kapital nötig wäre, “dann könnte der Gang an die Börse für die Eigentümerin ein Thema werden”.Mindestens ein regulatorisches Problem gilt es bis dahin für die Postfinance aber noch zu lösen. Das neue Postgesetz verbietet dem Unternehmen nämlich weiterhin die Vergabe von Krediten und Hypotheken in Eigenregie. Diese Restriktion vermochte die in jüngster Zeit so oft zerstrittene Schweizer Bankenlobby politisch durchzusetzen. Aus eigener Kraft wachsen kann die Postfinance bis auf Weiteres also nur in den Bereichen Sparen und Anlegen, während sie bei der Kreditgewährung auf ihre beiden Kooperationspartner, die Münchner Hypothekenbank und die Schweizer Regionalbankengruppe Valiant , angewiesen bleibt. Anlage am FinanzmarktEine direkte Folge dieser Einschränkung ist, dass die Postfinance ihre vielen Spargelder auf dem Finanzmarkt anlegen muss. Die Turbulenzen im Euroraum haben diese Aufgabe nicht einfacher gemacht. Per Ende September war ein Drittel der Kundengelder (35 Mrd. sfr) zinslos bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB) angelegt. Damit hat sich der Saldo auf dem SNB-Girokonto der Postfinance innerhalb von nur neun Monaten verdoppelt.Die künftige Postbank hat nicht nur sämtliche Neugelder zur SNB getragen, auch ausgelaufene Anlagen wurden in diesen sicheren Kanal umgelenkt. Obwohl die Politik der Postfinance vielmehr auf Sicherheit als auf Rendite setzt, erlebt das Unternehmen einen beispiellosen Kundenansturm. Das allein lässt tief in die Seelen der Schweizer Sparer blicken.