Schweizer und Briten kommen sich näher

Nach dem Brexit wollen die beiden Länder den Austausch von Finanzdienstleistungen intensivieren

Schweizer und Briten kommen sich näher

dz Zürich – Nur Stunden nachdem Chefunterhändler Michel Barnier die britischen Vorschläge für ein Finanzdienstleistungsabkommen mit der EU als “inakzeptabel” zurückgewiesen hat (siehe Bericht oben), einigten sich das Vereinigte Königreich (UK) und die Schweiz auf das gemeinsame Ziel einer engen Zusammenarbeit ihrer Finanzplätze. Die zuständigen Minister Ueli Maurer auf Schweizer und Rishi Sunak auf britischer Seite vereinbarten einen ehrgeizigen Zeitplan, in dem ein Abkommen über den gegenseitigen Marktzugang für eine breite Palette von Finanzdienstleistungen entstehen soll.Der unmittelbar nach der Brexit-Abstimmung aufgenommene lose Dialog zwischen den beiden Ländern soll nun mit Blick auf das nächste bilaterale Treffen am 8. September intensiviert werden. Die technischen Vorarbeiten sollen bis zu diesem Datum soweit vorangetrieben werden, dass anlässlich dieses nächsten bilateralen “Finanzdialogs” die Umsetzung der in einer gemeinsamen Erklärung festgehaltenen Zielsetzungen vereinbart werden kann. Ende 2020 wollen die beiden Länder eine Zwischenbilanz ziehen.Neben Versicherungs-, Bank- und Assetmanagement-Dienstleistungen soll der Geltungsbereich auch die Kapitalmarktinfrastrukturen und damit namentlich die Börse umfassen. Die Minister stellten in Aussicht, dass der gegenseitige Zugang zu den Börsen mittels gegenseitiger Anerkennung der zugrunde liegenden Regulierung ermöglicht werden soll, “sobald beide Seiten nach dem Ende der Übergangsperiode für das Königreich gegenüber der EU die hierfür notwendigen Schritte umgesetzt haben”. Die etwas umständliche Formulierung in der Pressemitteilung des Schweizer Finanzministeriums bedeutet im Prinzip nichts anderes, als dass die beiden Länder den gegenseitigen Handel mit britischen und schweizerischen Aktien auf ihren jeweiligen Heimbörsen wieder zulassen wollen, sobald Großbritannien nach Ablauf der mit der EU vereinbarten Austrittsfrist freie Hand dazu bekommt. Zwischen der EU und der Schweiz herrscht ein gegenseitiger Boykott beim Aktienhandel, nachdem die EU der Schweiz die Anerkennung der Regulierungsäquivalenz 2019 entzogen hatte.Das geplante Abkommen soll generell auf dem Prinzip gegenseitiger Anerkennung der jeweiligen Regulierung und des Aufsichtsrahmens basieren. Am einfachsten und schnellsten ist dies im Geschäft mit qualifizierten Großkunden möglich, die in der Erklärung auch explizit in den Fokus der Bemühungen gestellt werden. Die Schweizerische Bankiervereinigung spricht in einer eigenen Medienmitteilung von einem “wichtigen Kundensegment für die Schweizer Banken”. Mindestens auf dem Papier erscheint das Potenzial eines Finanzdienstleistungsabkommens sehr groß. 2018 war das Königreich die weltgrößte Exporteurin von Finanzdienstleistungen im Wert von knapp 83 Mrd. Dollar. Dahinter folgten die USA (63 Mrd. Dollar) und die Schweiz (23 Mrd. Dollar).An fünfter und sechster Stelle hinter Luxemburg (22 Mrd. Dollar) stehen Singapur und Hongkong mit 21 Mrd. bzw. 18 Mrd. Dollar. Die Schweizer Handels- und Finanzplatzdiplomatie bemüht sich schon seit 2012 um ein näheres Zusammenrücken der Finanzplätze London, Hongkong, Singapur und Schweiz. Das Finanzministerium möchte das künftige Abkommen “als Beispiel für eine mögliche Form der internationalen Zusammenarbeit im Bereich der Finanzdienstleistungen” sehen.