IM GESPRÄCH: STEPHEN LINDSAY UND PAUL JANSSENS, SWIFT

"Schwierig, globales Bild zu erhalten"

Die Standardisierungsexperten über fehlende Harmonisierung im Transaktionsreporting und ISO 20022

"Schwierig, globales Bild zu erhalten"

Die Finanzstabilität soll durch weltweit einheitliche Reporting-Standards verbessert werden. Im Derivate-Bereich ist dies nur unvollständig der Fall. Die Standardisierungsexperten des Finanztransaktionsdienstleisters Swift rufen deshalb dazu auf, den flexiblen Nachrichtenstandard ISO 20022 dazu einzusetzen.Von Dietegen Müller, FrankfurtIn der Finanzkrise waren sie ein Brandbeschleuniger: außerbörslich gehandelte Derivate, von denen niemand zu wissen schien, wo und in welchen Summen sie im Markt verteilt waren. Dies soll nicht mehr vorkommen, und ein Thema, das die Aufsicht beschäftigt, ist die nach wie vor mangelhafte Datenqualität im Bereich der Derivate. Dabei müssten Transaktionen mit Derivaten gemeldet werden – doch die Art und Weise, wie die Daten erfasst werden, unterscheiden sich doch beachtlich, so dass immer wieder Kritik zu hören ist, dass die versprochene Transparenz nicht ausreichend geliefert werde.Stephen Lindsay, Leiter Standards bei dem Finanztransaktionsdienstleister Swift, weist im Gespräch mit der Börsen-Zeitung darauf hin, dass die Transaktionsregister – die sogenannten Trade Repositories – unter dem Druck der Vorgaben des Finanzstabilitätsrats FSB und der G20-Staaten “sehr schnell aufgesetzt” wurden, aber zu wenig Standardisierungsdenken eingeflossen sei. “So ist es sehr schwierig, ein globales, vergleichbares Bild zu erhalten. Die Register sammeln Daten auf verschiedene Weise, einige nur von einer Transaktionspartei, andere von beiden Parteien.” Besseres Derivate-ReportingEin Ziel sei, den globalen Nachrichtenstandard ISO 20022 auch für das Derivate-Reporting weltweit einzusetzen. “Über dieses Ziel haben wir lange mit Aufsichtsbehörden gesprochen, auch die europäische Marktaufsicht ESMA hat dies nun aufgenommen”, sagt Lindsay. Diese Bewegung habe “noch nicht überall stattgefunden”, aber dies wäre “vorteilhaft für alle Beteiligten, um aussagekräftige Daten sammeln zu können. Die Standardisierung durch ein globales Nachrichtenformat sei eine Voraussetzung dazu. “In Europa gibt es viel Interesse und Zugkraft in dieser Sache, hilfreich ist auch, dass die EZB in Frankfurt ein großes Interesse an Standards hat”, stellt Lindsay fest. Die Systeme der Europäischen Zentralbank (EZB) – also das Zahlungsverkehrssystem T2, das europäische Wertpapierabwicklungssystem T2S, das geplante Collateral-Managementsystem ECMS sowie das Echtzeitzahlungssystem TIPS basieren allesamt auf dem ISO-20022-Standard.”Es ist bereits viel gemacht worden, aber die Umsetzung von Standards durch Marktinfrastrukturanbieter wird dauern, das liegt auch an den Zentralbanken”, sagt Lindsay. In den USA werden etwa Kapitalmaßnahmen – sogenannte Corporate Actions – vom Marktinfrastrukturdienstleister DTCC über den ISO- 20022-Standard an die Marktteilnehmer kommuniziert. “Wir sind immer glücklich, dies zu tun, beispielsweise auch im Bereich Steuern ist dies möglich”, meint der Standardisierungsexperte. Möglich ist dies, weil Swift das “Back Office” der ISO-20022-Registrierungsstelle betreibt, das den Standard veröffentlicht und verwaltet. Es sei ein “weltweiter, offener Standard”, sagt Lindsay. Derzeit wird er im Bereich Zahlungsverkehr bei rund 10 000 Banken weltweit eingeführt – eines der größten Projekte der vergangenen Jahre.Im Derivate-Reporting ist die Verwendung des Legal Entity Identifiers (LEI) Pflicht. “Der Umfang ist ziemlich weitreichend, 1,4 Millionen LEI sind ausstehend, wegen der gesetzlich vorgeschriebenen Verwendung ist die Zahl in Europa und den USA am größten”, sagt Paul Janssens, Experte für Derivate-Reporting bei Swift. “Wir haben den LEI bereits mit dem Bankidentifizierungscode BIC verknüpft, nun gibt es eine Initiative zur Verknüpfung zwischen LEI und der internationalen Wertpapierkennnummer ISIN. Über den LEI gibt es einen Link zum Eigentümer und einen Link zu den Instrumenten, die mit diesen Emittenten verbunden sind. Ein Who’s who und Who owns whom und who does what?”, meint Janssens. Die Aufsicht wolle schließlich wissen, wo die Risiken liegen. “In Europa haben ESMA und nationale Aufseher ISO 20022 übernommen und ein Reporting für die verschiedenen Derivatetransaktionen zwischen ESMA und nationalen Aufsichtsbehörden und Transaktionsregistern aufgesetzt. Es wäre hilfreich, wenn ein unterschiedlicher Geschmack der gleichen Nachrichten auch anderswo genutzt werden könnte.”Janssens beschreibt, wie sich verschiedene Varianten des Standards entwickeln können: “Es gibt regulatorische Vorgaben, etwa in Europa die Regulatorischen Technischen Standards – RTS – der Marktaufsicht ESMA. Die Nachricht muss diesen RTS erfüllen, und um aussagekräftige Daten zu erzeugen, werden verschiedene Dinge gruppiert. Es gibt also eine zusätzliche logische Ebene in einem technischen Standard, wenn man so will.” Janssens beschreibt den technischen Standard als “ein flaches Blatt Papier”. Das Daten-File – das XML-File – macht ihn erst validierbar, ist aber eine Umwandlung dieses Standards, so der Swift-Experte. Lokale TraditionenZwischen den unterschiedlichen nationalen Gerichtsbarkeiten gebe es Unterschiede, hält er fest. So seien einige Gesetzgebungen restriktiver als andere, oder die Prozesse unterscheiden sich. “In jeder Jurisdiktion, die Berichtspflichten einführt, gibt es lokale Traditionen. Ein globales Transaktionsregister muss also die unterschiedlichsten Anforderungen zur Umsetzung erfüllen. Würden alle Beteiligten den ISO-20022-Standard anwenden, würde dies die Umsetzung vereinfachen. Einfach ist dies aber nicht.”In Europa sieht Janssens das Problem, dass es unterschiedlichste Regulierungsvorgaben gibt, für Derivate die Verordnung Emir, für den Geldmarkt die Europäische Zentralbank, für Aktien die Finanzmarktverordnungen Mifir sowie die Zentralverwahrerverordnung CSDR und die Wertpapierfinanzierungsverordnung SFTR. “Das kommt alles Schritt um Schritt. Verbesserungen sind immer möglich. Aber die Entscheidungen, die in Europa getroffen wurden, müssen harmonisiert sein und gut verstanden werden können”. Kritische Daten-ElementeDie letzte Fassung der Gesetzgebung sei immer besser, weil es eine Lernkurve gebe, sagt Janssens auch mit Blick auf die Reform der Derivateverordnung Emir. “Es ist auch ein kulturelles Phänomen, ob man Regeln mag oder nicht, aber wir wissen, wie hoch die Kosten der Finanzkrise waren. Transparenz ist wichtig, wir haben als Individuen die Parlamente gewählt, die diese Regeln aufgestellt haben, weil wir unsere Gelder geschützt wissen wollten.”Im Derivatebereich wird es zu einer weltweiten Standardisierung auf dieser Basis kommen, sagt der Swift-Manager und verweist auf die Expertengremien CPMI (The Committee on Payments and Market Infrastructures) und den internationalen Verband der Wertpapieraufseher IOSCO (International Organization of Securities Commissions), welche über den Unique Transaction Identifier (UTI) und Unique Product Identifier (UPI) sowie angepasste Vorgaben der Critical Data Elements eine stärkere Harmonisierung voranbringen wollen.Mit kritischen Datenelementen werden in der Informationstechnologie-Branche ganz einfach die Daten bezeichnet, die zum Erfolg notwendig sind, wie es heißt. Hier wartet auf die Finanzmarktakteure also noch viel Arbeit.