Schwieriges Umfeld fordert Emittenten
tl Frankfurt
– Die Refinanzierung von Krediten über die Emission von Anleihen wird in den kommenden Monaten nicht viel leichter werden. Das gilt für Pfandbriefe und noch etwas stärker für unbesicherte Bankanleihen. Dies zeigt das Emissionsklima, das der Verband deutscher Pfandbriefbanken (VDP) jetzt erstmals bei Kapitalmarktexperten seiner Mitgliedsinstitute erhob und dessen Ergebnisse die Börsen-Zeitung vorab veröffentlicht. Die Umfrage wird zukünftig zweimal jährlich durchgeführt.
Externe Faktoren verunsichern
„Wir haben eine hohe Inflation, eine Rezession ist wohl unvermeidbar, und es bestehen erhebliche geopolitische Risiken. Wenn angesichts dieser Lage die Situation am Kapitalmarkt nicht herausfordernd ist – wann ist sie es dann“, fragt Sascha Kullig, in der Geschäftsleitung des VDP unter anderem für Pfandbriefe und den Kapitalmarkt zuständig. „Das zeigt sich eben ganz deutlich an den aktuellen Umfrageergebnissen zum VDP-Emissionsklima.“
Der Stimmungsindikator zeigt aktuell bei einer Bandbreite von +100 bis –100 einen Wert von –17 Punkten, was für ein leicht eingetrübtes Stimmungsbild spricht (siehe Grafik). Ein Punktwert von 0 entspräche einem stabilen Kapitalmarktumfeld, in dem Emissionspläne ohne Probleme umgesetzt werden können.
Uneinheitliches Bild
In den beiden Teilmärkten fällt das Bild uneinheitlich aus. Bei den Pfandbriefen ist das Urteil mit –10 besser als das Gesamturteil, bei den unbesicherten Bankanleihen mit –26 etwas schlechter. „Die größte Herausforderung dürfte 2023 in der unbesicherten Refinanzierung liegen“, sagt Kullig. „Hier schlägt das schwierige Umfeld deutlich stärker zu Buche als bei Pfandbriefen.“
Zum Hintergrund verwies Dirk Mewesen, Bereichsleiter Treasury bei der Helaba, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung auf das zurückgehende Kreditneugeschäft, das den Refinanzierungsbedarf zum einen durch Pfandbriefe und zum anderen durch unbesicherte Bankanleihen maßgeblich bestimme. Damit ist klar, dass sich das rekordhohe Neuemissionsgeschäft bei den Hypothekenpfandbriefen von 59,9 Mrd. Euro bis Ende November (+54% im Vergleich zur Vorjahresperiode) im kommenden Jahr nicht wiederholen wird. Der VDP berichtet aus dem Kreis seiner Mitgliedsinstitute von Plänen, 2023 neue Hypothekenpfandbriefe über knapp 41 Mrd. Euro emittieren zu wollen. Bei Fälligkeiten von knapp 28 Mrd. Euro entspräche das geplanten Nettoneuemissionen von etwa 13 Mrd. Euro.
Mit Hypothekenpfandbriefen kann nur deckungsfähiges Immobilienfinanzierungsgeschäft refinanziert werden, allerdings nur bis zur Schwelle von 60 % des Beleihungswertes. Der Rest muss unter anderem über unbesicherte Bankanleihen oder Einlagen beschafft werden. Darüber hinaus machen Banken wie die Helaba auch Unternehmenskredit- und Projektfinanzierungsgeschäft, das nicht pfandbrieffähig ist und ausschließlich ungedeckt refinanziert werden muss. Für die Helaba beziffert Mewesen das Verhältnis besicherte zu unbesicherte Refinanzierung grob auf ein Drittel zu zwei Drittel, wobei Letztere auch aus Einlagen generiert werden kann.
Die nächste Alternative
Traditionell gelten Bundesanleihen als nächste Alternative zum Pfandbrief. Dazu erklärt Mewesen: „Bundesanleihen sind in der jüngeren Vergangenheit extrem teuer geworden, unter anderem durch die auf Staatsanleihen fokussierten Ankaufsprogramme der EZB.“ Bei dem hohen Spread-Unterschied zwischen Bundesanleihen und Pfandbriefen sind Letztere für viele sicherheitsorientierte Investoren wieder attraktiv geworden, ergänzte Kullig. Die Spread-Differenz werde sich einengen, da der Bund-Swap-Spread im kommenden Jahr durch das Zurückfahren der EZB-Ankaufprogramme wieder auf ein Normalausmaß zurückkehren dürfte.
Mit –75 Punkten am stärksten negativ ausgeprägt fällt das Urteil über das aktuelle Asset-Swap-Spread-Niveau bei unbesicherten Anleihen aus. Hintergrund sei, dass sich die Credit Spreads bis zum Sommer angesichts von Zinswende, Krieg und stark steigender Inflation um den Faktor 3 bis 4 ausgeweitet hätten, so Mewesen. „Inzwischen haben sich die Spreads zwar wieder reduziert. Dennoch bleibt die Refinanzierung über unbesicherte Bankanleihen teuer.“
Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich auch bei der Investorennachfrage, die im Rückblick bei unbesicherten Papieren bei nur −48 lag. Hingegen zeigt sich der Pfandbrief mit +21 wieder als Stabilitätsanker. Die besseren Werte bei der aktuellen Beurteilung zeigen für Mewesen, dass sich die Investoren in beschränktem Maße an die Unsicherheiten und vor allem das höhere Zinsniveau gewöhnt haben.
Mit Blick auf die Zinsentwicklung werden beide Anleihegattungen als vergleichsweise positiv bewertet (+37 Punkte), da sie wieder nennenswerte Kupons aufweisen. „Das ist gut für Investoren, aber auch gut für Banken, weil damit ihr Anlageangebot für Investoren attraktiver wird“, kommentiert Mewesen. Die EZB dürfte zukünftig wohl deutlich weniger Pfandbriefe als bisher kaufen. Dadurch entfällt diese Unterstützung (Support) für den Pfandbriefmarkt, was andererseits aber auch als Ende einer Marktverzerrung (eine Art Crowding-out der „normalen“ Pfandbriefinvestoren) gesehen werden kann. „Die Europäische Zentralbank, die bis zu 30 % einer Emission abgenommen hat, sorgte damit auch für ein relativ niedriges Spreadniveau.“
Verringertes Neugeschäft
Der erwartete Wegfall der EZB-Liquidität am Pfandbriefmarkt geht aber einher mit dem von den Banken erwarteten und geplanten verringerten Neugeschäft. Da nun auch traditionelle Investoren wie Versicherer und Versorgungswerke wieder zum Zuge kommen, spricht Mewesen von einer „Normalisierung“ des Pfandbrief-Primärmarkts.
Mit dem VDP-Emissionsklima, das der Verband nun regelmäßig alle sechs Monate erheben und veröffentlichen will, strebt der VDP einen besseren Überblick für alle Marktteilnehmer über die Stimmung der Emittenten an. Helaba-Treasurer Mewesen bestätigte, dass es durchaus nützlich sei, mit Hilfe eines solchen Indikators eigene Markteinschätzungen mit den Einschätzungen der Kollegen anderer Häuser zu vergleichen.