Wirecard-Prozess

Markus Braun gerät schwer unter Druck

Im Wirecard-Strafprozess ist der Hauptangeklagte Markus Braun erneut deutlich unter Druck geraten. Nach dem Kronzeugen Oliver Bellenhaus belastete ein Vorstand der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG den Ex-CEO des Zahlungsabwicklers ebenfalls schwer.

Markus Braun gerät schwer unter Druck

“Es hat uns nie überzeugt, was wir gesehen haben”

Im Wirecard-Strafprozess belastet ein KPMG-Vorstand den Haupangeklagten schwer – Treuhandkonten konnten nie ausfindig gemacht werden

Der frühere Wirecard-Chef Markus Braun gerät immer stärker unter Druck. Im Betrugsprozess vor dem Landgericht München sagte ein leitender Wirtschaftsprüfer gegen den Angeklagten aus.

Von Stefan Kroneck, München

Im Strafprozess um die Bilanzfälschungen beim kollabierten Zahlungsabwickler Wirecard ist vor dem Landgericht München I der Hauptangeklagte, Ex-Vorstandschef Markus Braun, abermals schwer belastet worden. Bei seiner Vernehmung im Zeugenstand berichtete Sven-Olaf Leitz, Vorstandsmitglied des Wirtschaftsprüfers KPMG, von extremen Schwierigkeiten während der von Wirecard-Aufsichtsrat Thomas Eichelmann beauftragten Sonderprüfung der Konzernbilanzen im ersten Halbjahr 2020. Diese gingen nach seiner Aussage so weit, dass die Konzernführung und Stabsstellen des einstigen Dax-Mitglieds sogar versucht hätten, die Untersuchung zu behindern. „Es hat uns nie überzeugt, was wir gesehen haben“, sagte der Zeuge auf Fragen des Vorsitzenden Richters Markus Födisch. Leitz‘ zufolge hat Wirecard seinerzeit die von KPMG geforderten Dokumente nie übermittelt. „All diese Unterlagen haben wir nicht bekommen.“ Leitz war nach eigener Darstellung mitverantwortlich für die Führung der Sonderprüfung. Dabei sollte ein Team von rund 40 Prüfern vor allem die Aktivitäten um das dubiose Drittpartnergeschäft (TPA) einschließlich der Händler und angegebener Treuhandkonten sowie die Geschäfte in Indien durchleuchten. „Eine Einschränkung des Mandats lag nicht vor“, so Leitz. „Uns war es wichtig, die Nachweise zu bekommen.“

Es fehlte alles

Dem Zeugen zufolge konzentrierte sich das Prüferteam auf Zahlungstransaktionen, Geldflüsse, Buchungsbelege, Kontobewegungen und Verträge mit den Merchants. „Es fehlte alles, um Umsatzerlöse nachzuweisen. es war alles sehr, sehr zäh“. Das Fortschreiten der Prüfung sei „ungewöhnlich langsam“ gewesen. In einem Gespräch mit Braun am 16. Januar 2020 erhöhte Leitz den Druck, die Dokumente bereit zu stellen. Braun habe darauf „ungewöhnlich gelassen“ reagiert. „In vergleichbaren Situationen der Vergangenheit habe ich von CEOs anderes erlebt.“ Braun habe lediglich geantwortet, dass die Dokumente „verfügbar“ sein müssten. Auf den Druck der Wirtschaftsprüfer reagierten die Verantwortlichen des Unternehmens mit Gegendruck. „Den Versuch, uns zu beeinflussen, den gab‘s mehrfach“, schilderte der Zeuge. Braun habe im April 2020 nachgefragt, ob KPMG ihren Zwischenstandbericht verschieben könne. Dieser lag dann am 27. April des Jahres vor. Darin berichtete das Prüferteam über „Untersuchungshemmnisse“. Das heißt, dass eine Beurteilung der Sachlage zu diesem Zeitpunkt gar nicht möglich war, da Wirecard nicht in der Lage war, die erforderlichen Unterlagen zu präsentieren. „Die Daten von 2016 bis 2018 konnten uns nicht zur Verfügung gestellt werden.“

Auch die auf den 2019 ausgeweitete Prüfung brachte keine Fortschritte. „Wir konnten auch anhand der Stichproben vom Dezember 2019 nicht nachvollziehen, dass es diese TPA-Transaktionen gab,“ sagte Leitz. Für ihn sei von diesem Zeitpunkt an gegenüber Wirecard „das Vertrauen aufgebraucht“ gewesen. Dies habe er damals Braun auch so gesagt. Der drohte KPMG daraufhin „mit rechtlichen Schritten“, so der Zeuge. Leitz berichtete von dem Versuch, einzelne Personen aus dem Prüferteam auswechseln zu lassen. KPMG sei vorgehalten worden, viel zu umfangreich zu prüfen. Wirecard habe Beurteilungslisten zu den einzelnen Prüfern erstellt. „Das hat zu keiner Veränderung unseres Vorgehens geführt.“ Leitz berichtete zudem über ein Gespräch mit Braun im März 2020, bei dem bei den Wirtschaftsprüfern „die Alarmglocken schrillten.“ Braun habe gesagt, dass KPMG ihm, Braun, „vertrauen“ solle. „Das TPA-Geschäft ist da. Ich habe das absolute Herrschaftswissen“, zitierte er den CEO. Auch das Thema Treuhandkonten erwies sich für die Prüfer als dubios. Für ihn, so Leitz, war es nicht nachvollziehbar, warum Wirecard 1,9 Mrd. Euro in Manila horten musste. Wirecard konnte nicht nachweisen, dass dieses Geld überhaupt existiert.

sck München