Wirecard-Jurist berichtet von Reibereien mit KPMG
Wirecard-Jurist berichtet von Reibereien mit KPMG
Ehemaliger Leiter Compliance bezeichnet angeklagten Ex-Vorstand von Erffa im Zeugenstand als aufbrausend
Die dritte Zeugenaussage des früheren Leiters Compliance des insolventen Zahlungsdienstleisters zeichnet ein Bild vom rauen internen Umgangston und dem angespannten Verhältnis zu den Wirtschaftsprüfern.
Von Stefan Kroneck, München
Im Strafprozess um die Bilanzfälschungen beim zusammengebrochenen Zahlungsabwickler Wirecard hat ein ehemaliger Hausjurist vor dem Landgericht München über das Innenverhältnis im Unternehmen und über die Zusammenarbeit mit dem damaligen Sonderprüfer KPMG berichtet. In seiner Vernehmung im Zeugenstand beschrieb Daniel Steinhoff, früherer Leiter des Stabsbereichs Compliance von Wirecard, den Mitangeklagten Stephan von Erffa als zwar im Kollegenkreis weitgehend umgängliche Person, die sich allerdings bisweilen „aufbrausend“ und „etwas ruppiger als andere“ verhalten habe. „Ich bin aber mit ihm gut ausgekommen“, sagte der 40-Jährige auf anschließende Fragen eines Sachverständigen nach dem Abschluss seiner Vernehmung durch den Vorsitzenden Richter Markus Födisch. „Er ist in seinem Verhalten im Vergleich zu anderen Kollegen nicht besonders herausgestochen“, so Steinhoff über von Erffa.
Der Ex-Konzernbilanzchef sitzt neben dem ehemaligen CEO Markus Braun und Oliver Bellenhaus, dem früheren Konzernstatthalter in Dubai, mit auf der Anklagebank. Während Braun alle Anklagepunkte abstreitet, hat Bellenhaus in seiner Rolle als Kronzeuge der Staatsanwaltschaft München sämtliche Tatvorwürfe vollumfänglich gestanden. Die Strafermittler werfen dem Trio gewerbsmäßigen Bandenbetrug, Marktmanipulationen, Untreue und unrichtige Darstellung von Bilanzen vor. Im bislang größten Wirtschaftsstrafprozess des Jahrzehnts war Steinhoff zum dritten Mal als Zeuge geladen.
Zuvor hatte er über „Auffälligkeiten“ bei den Finanzzielen des Vorstands von Wirecard berichtet sowie über seine zunehmenden Zweifel daran, dass das sogenannte Drittpartnergeschäft (TPA) tatsächlich existiert habe (vgl. BZ vom 28. März). Nach einer Sonderprüfung durch KPMG flog im Frühsommer 2020 der Bilanzskandal auf. Die angeblichen Treuhandkonten in Südostasien in Höhe von 1,9 Mrd. Euro bestanden nicht. Daraufhin kollabierte Wirecard unter der Last hoher Finanzschulden von 3,1 Mrd. Euro. Ende Juni 2020 meldete der einstige Dax-Aufsteiger Insolvenz an.
Drittpartnergeschäfte inexistent
Seitdem befindet sich die Restfirma unter der Regie des Insolvenzverwalters Michael Jaffé. Steinhoff selbst arbeitete diesem bei der Aufklärung der Sachverhalte zu. Dabei ging es um hausinterne Untersuchungen zu dem TPA-Geschäft. Anlass dafür war unter anderem ein Auskunftsersuchen der Staatsanwaltschaft München Anfang Dezember 2021. Auf Basis dieser Recherchen kam Jaffé in seinen Gutachten ebenfalls zu dem Schluss, dass das Drittpartnergeschäft eine Fälschung gewesen sei. Es habe nie existiert.
Geschäftskontakte nicht bestätigt
Steinhoff, der nach eigenen Angaben mit zwei Kolleginnen die Ergebnisse der Nachprüfungen zusammenstellte, sagte dass die in den Transaktionslisten als Partner angegebenen Firmen keine Geschäftskontakte zu Wirecard bestätigen konnten. In der Befragung durch Brauns Verteidiger, Alfred Dierlamm, räumte er ein, dass es während der damaligen Sonderprüfung durch KPMG Reibereien mit dem mandatierten Wirtschaftsprüfer gegeben habe. Er habe damals gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden Thomas Eichelmann geäußert, „eher eine Kanzlei“ in der Angelegenheit einzuschalten.
Steinhoff berichtete auch über eine direkte Auseinandersetzung mit einem Prüfer von KPMG, an deren konkreten Grund er sich jedoch nicht mehr erinnere. Er habe den Verdacht gehegt, dass KPMG dieses Mandat nutze, um weitere Aufträge einzuwerben. „Es gab Fragen, was das eigentliche Ziel der KPMG-Sonderprüfung ist“.
Im Herbst 2019 beauftragte Eichelmann KPMG damit, die Bilanzen von Wirecard für die Jahre 2016 bis 2018 zu durchleuchten. Später erweiterte der damalige Chefaufseher dieses Mandat auch auf das Jahr 2019. Als KPMG Ende Mai 2020 zu dem Schluss kam, dass ein Prüfungsergebnis schwierig zu erstellen sei, da Wirecard angeforderte Dokumente nicht nachliefere, verweigerte der Abschlussprüfer EY sein Testat für 2019.
Für die mutmaßliche Verletzung von Berufspflichten verhängte die Wirtschaftsprüferaufsicht Apas kürzlich harte Strafen gegen EY. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft darf zwei Jahre lang keine neuen Mandate bei Unternehmen von öffentlichem Interesse übernehmen und muss eine Geldstrafe von 500.000 Euro zahlen.
Nach Steinhoffs Angaben war EY „immer präsent“ in den Gesprächen mit KPMG. Den Abschlussprüfer bezeichnete er als „selbstbewusst“. Es habe im April 2020 keine „diametral unterschiedlichen Auffassungen“ gegeben, so der Zeuge: „Ich hatte den Eindruck, es herrscht ein Konsens, dass die von KPMG angeforderten Daten beschaffbar sind.“