SEB Deutschland will Cleantech-Übernahmen begleiten
Im Gespräch: Jürgen Baudisch
SEB will Cleantech-Übernahmen begleiten
Deutschland-Chef positioniert sein Haus als Mittler zwischen deutschen Käufern und skandinavischen Start-ups – Boom bei grünen Finanzierungen
Von Tobias Fischer, Frankfurt
Die SEB Deutschland erwartet, dass deutsche Unternehmen verstärkt sogenannte Cleantechs übernehmen, und empfiehlt sich als Begleiter solcher Transaktionen. Chancen rechnet sich der Vorstandschef der deutschen Zweigniederlassung der schwedischen Großbank, Jürgen Baudisch, vor allem als Mittler zwischen deutschen kaufwilligen Unternehmen und skandinavischen Start-ups aus, die technologische Lösungen für Klima- und Umweltschutz anbieten. Auch in der Projektfinanzierung, etwa von Windparks, sieht Baudisch sein Haus, das sich auf das Geschäft mit Firmen- und institutionellen Kunden fokussiert, in vorderster Reihe. „Deutsche Unternehmen haben den Wunsch, sich in Cleantech-Unternehmen einzukaufen“, sagt Baudisch im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Als Beispiele nennt er die Erzeugung von Wasserstoff und Verfahren der CO2-Abscheidung.
„Im vergangenen Jahr haben wir eine unglaubliche Nachfrage, einen Schub von Finanzierungen von grüner Energie gespürt“, berichtet er. Als einen Grund für die Beschleunigung nennt er den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, der als Katalysator gewirkt habe, um sich aus der Energieabhängigkeit zu befreien. Davon unbenommen herrsche in der deutschen Wirtschaft ein gigantischer Investitionsbedarf, um die klimaschädlichen Treibhausgasemissionen zu senken.
Nordische Firmen zeigen Interesse
Dieser Trend werde anhalten, zeigt sich Baudisch sicher. „Ich glaube, dass in diesem Jahr die ersten größeren Cleantech-Transaktionen abgeschlossen werden und sich auch auf der Projektfinanzierungsseite einiges tut, zum Beispiel wenn es um Lithium-Batterie-Fabriken geht.“ Das Interesse an grünen Deals beschränke sich nicht auf die deutsche Seite. So hätten Manager nordischer Firmen ein Auge auf Deutschland geworfen. „Da wird viel passieren.“ Außerdem werde anhaltend in digitale Infrastruktur in Deutschland wie Glasfaser und Technologie der fünfte Mobilfunkgeneration (5G) investiert.
Er erlebe einen Geschäftsboom, der sich aus mehreren Kundensegmenten speise, sagt Baudisch. Zum einen aus der Gruppe der sogenannten Financial Sponsers, die in grünen Infrastrukturprojekten mit ihren Infrastrukturfonds engagiert seien, zum anderen großer energieintensiver Unternehmen, die sich mittlerweile selbst bemühten, Kapazitäten aufzubauen.
Als prominentes Beispiel nennt er BASF, die mit Vattenfall und Allianz vor der niederländischen Küste den Windpark Hollandse Kust Zuid baut. „Das ist ein Trend, den wir nicht nur bei BASF sehen, sondern auch bei anderen Konzernen: Corporates tun sich mit Partnern zusammen, denn BASF kann keinen Windpark betreiben.“ Als weitere Kundengruppe zählt Baudisch Energieunternehmen auf, die stark in den Stromtransport investieren. Schließlich muss beispielsweise der in den Windanlagen im Norden erzeugte Strom in den Süden und Westen der Republik, wo die großen industriellen Abnehmer sitzen, verfrachtet werden.
Produktion verlagern
Die SEB-Unternehmensklientel habe hohen Finanzierungsbedarf nicht nur wegen der Nachhaltigkeitsthematik, sondern auch, um zu expandieren. So führe das US-Gesetzpaket Inflation Reduction Act, das auch die Förderung grüner Technologie vorsieht, zu einem Aufbau von Produktionsstätten außerhalb Deutschlands. SEB werde Unternehmen, die in China, den USA oder andernorts investieren wollen, begleiten.
Nachhaltigkeitsthemen böten SEB nicht nur die Möglichkeit, die Finanzierung zu übernehmen, sondern auch Beratungsexpertise auszuspielen. Bislang habe die Bank als Structural Advisor für drei deutsche Konzerne sogenannte Green Finance Frameworks erarbeitet: für Deutsche Post/DHL, die Mercedes-Benz Group und den Netzbetreiber Ambrion. Das bringe SEB in eine hervorgehobene Position, wenn es darum gehe, später Kapitalmarktprodukte zu platzieren. „Der Green Finance Advisor kennt das dahinter liegende Konstrukt, den Nachhaltigkeitsreport und auch die Philosophie des Unternehmens viel besser als andere am Kapitalmarkt.“ Das erhöhe die Chance auf weitere Aufträge wie etwa die Teilnahme an Bondtransaktionen.
Aus dem Geschäftsbericht geht hervor, dass die SEB in Deutschland im vergangenen Jahr vor Steuern 1,8 Mrd. skr (154 Mill. Euro) verdient hat nach 1,55 Mrd. skr (133 Mill. Euro) im Jahr zuvor. Die Bruttoerträge legte dabei um ein Drittel auf 3 Mrd. skr zu. In Deutschland arbeiten etwa 230 der insgesamt rund 15.500 Konzernbeschäftigten.
Als Ziel gibt Baudisch für das laufende Jahr aus, das Niveau des vergangenen „Rekordjahres“ zu halten. Ihm zufolge hat sich die Interaktion der SEB Deutschland mit den Unternehmenskunden in diesem Jahr stark erhöht, was zeige, dass sie ihre Aktivitäten im Vergleich mit dem Vorjahr hochgefahren hätten. Und im Institutional Banking sei die Nachfrage nach nordischen Assets ungebrochen. „Jeder Fondsmanager will nachhaltig investieren. Es gibt viele Zuflüsse, doch woran es mangelt, sind die entsprechenden Assets. Hier können wir helfen: Wir haben sie.“
Alles in allem gibt er sich zuversichtlich, dass die positive Entwicklung anhält. Andererseits sei es nach der Volatilität auf dem Energie- und auf dem Devisenmarkt im Zuge des Ukraine-Kriegs ruhiger geworden, was den Bedarf an entsprechenden Finanzierungen und an Absicherungsgeschäften gedrosselt habe.
Wenn es um Ertrags- und Gewinnzahlen geht, hält sich Baudisch zurück. Die Bank habe die Bilanz im vergangenen Jahr deutlich ausgeweitet, und dies habe sich im laufenden Jahr fortgesetzt. Den Einlagenzuwachs gibt er, ohne absolute Zahlen nennen zu wollen, in den ersten Monaten des Jahres mit etwa 20% an. Um mehr Einlagen zu generieren, setze sein Haus nicht nur auf Neukundengewinnung, sondern auch auf Uptiering, also auf die Vertiefung der Geschäftsbeziehungen mit Bestandskunden. Hier sei die Bank auf einem guten Weg.
Profitables Wachstum
„Wichtig ist, dass wir profitabel wachsen. Das gewinnt auch angesichts der jüngsten Verwerfungen im Bankenmarkt mehr und mehr an Bedeutung. Die Größe schützt nicht vor Problemen“, sagt er, ohne auf die Turbulenzen bei der Credit Suisse einzugehen. 2022 hat die SEB-Gruppe eine Eigenkapitalrendite (RoE) von 14,5% erwirtschaftet, nach 13,9% im Jahr 2021. In Deutschland erreiche die SEB annähernd dieses Niveau, das sich weit über dem hiesigen Marktniveau befinde, sagt Baudisch. „Das liegt im Wesentlichen an unserer Nischenhaftigkeit. Wir sind nicht der Hans Dampf in allen Gassen für alle Unternehmen und alle Kunden, sondern wir sind selektiv unterwegs.“ Durch Abgabe des Privatkundengeschäfts samt Filialen an die Santander Consumer Bank im Jahr 2010, die Konzentration auf das Firmenkundengeschäft und 2018 den Übergang zu einer Zweigniederlassung habe sich der Kostendruck reduziert und die Entscheidungsfreiheit, mit wem man Geschäfte eingehen wolle, vergrößert, sagt Baudisch.
Potenzial für Family Offices
Die SEB in Deutschland ist in vier großen Kundenbereichen unterwegs: Corporate Banking, Institutional Banking, Financial Sponsors sowie das 2022 als eigenständiger Geschäftsbereich gegründete Private Wealth Management & Family Office. Um das neue Geschäft voranzubringen, ist Ende vergangenen Jahres Thilo Zimmermann als Niederlassungsleiter der SEB in Schanghai nach Frankfurt gewechselt. „In Deutschland sehen wir enormes Potenzial für Family Offices, da viele unserer Corporate-Kunden natürlich auch Familienhintergründe haben. Deshalb verbinden wir den Bereich Investment Banking, vor allem M&A, mit Professional Family Offices“, berichtet Baudisch.
Wegen des Aus- und Aufbaus der Corporate-Aktivitäten habe SEB Deutschland in der Vergangenheit bereits geschäftlich mit dem einen oder anderen Familienunternehmen zu tun gehabt und Erfahrungen mit Family Offices gesammelt. „Wir kehren die Treppe von oben: Das sind große Akteure mit ähnlichen Überlegungen wie Dax-Unternehmen. Wir haben sie begleitet in der Akquisitionsfinanzierung, haben Ziele für sie gesucht und Portfolioverkäufe gesteuert. Also all das, was eigentlich im Investment Banking vorkommt. Dies war der Treiber für uns, zur Vereinfachung für den Kunden diese Schnittstelle rauszunehmen.“
Die SEB Deutschland peilt nach Aussage ihres Chefs Jürgen Baudisch für 2023 an, es dem vergangenen „Rekordjahr“ gleichzutun. Ein hoher Finanzierungsbedarf in der Energiewende stimme ihn zuversichtlich. Dabei will er das Haus als Mittler zwischen deutschen Firmen und nordischen Cleantechs positionieren.
Jürgen Baudisch, Chef der SEB Deutschland