SEB plant Wachstum durch Energiewende
Von Tobias Fischer und Bernd Neubacher, Frankfurt
Der neue Deutschlandchef der SEB, Jürgen Baudisch, setzt vor allem auf die Finanzierung der Energiewende sowie auf das eigenkapitalschonende Kapitalmarktgeschäft und das Assetmanagement, um das Wachstum der Gesellschaft voranzutreiben. Der 54-Jährige hat am 1. Januar den Vorstandsvorsitz der SEB Deutschland von Johan Andersson übernommen und wird in einem finalen Schritt am 1. Juli als Country Head zudem die Verantwortung für die in Abwicklung befindliche Tochtergesellschaft DSK Hyp innehaben.
Die Zahl der Mitarbeiter soll in diesem und im nächsten Jahr unterm Strich um insgesamt „um die 10%“ aufgestockt werden, kündigt Baudisch im Gespräch mit der Börsen-Zeitung an. Aktuell beschäftigt SEB Deutschland 230 Personen. Die Erträge sollen stärker wachsen als das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) und als der hiesige Markt, hat er als Ziel ausgegeben. „Wir wollen also Marktanteile gewinnen“, bekräftigt Baudisch. „Unser Anspruch ist zudem, hier stärker zu wachsen als in den anderen Heimatmärkten, das heißt, die Bedeutung Deutschlands wird im Konzern noch weiter zunehmen.“ Nachdem das BIP wegen der Coronakrise 2020 um 4,6% geschrumpft war, wuchs es im vergangenen Jahr einer Schätzung des Statistischen Bundesamts zufolge um 2,7%. 2020 steuerte die SEB Deutschland 7% zum Vorsteuergewinn des Konzerns bei. Das entsprach dem zweithöchsten Länderanteil, wenn auch mit riesigem Abstand zum übermächtigen Heimatmarkt Schweden (s. Grafik).
Im Corporate Banking, der laut Baudisch mit Abstand wichtigsten und größten Geschäftssparte, bedient SEB von München aus auch die Märkte in Österreich und der Schweiz, wo Baudisch einiges Wachstumspotenzial ausgemacht hat. Zudem sei in Deutschland eine erkleckliche Zahl von Nichtkunden identifiziert worden, die in die Zielgruppenstrategie passen – große internationale Unternehmensadressen und gehobener Mittelstand in einer Größenordnung von mindestens 250 Mill. Euro Jahresumsatz.
Ausbau in München
Der Standort München sei auf mittlerweile insgesamt 20 Mitarbeiter ausgebaut, das Corporate Team in der Deutschlandzentrale in Frankfurt zu Jahresbeginn um sechs auf knapp 20 Beschäftigte vergrößert worden. Deren Aufgabe ist, in Österreich und der Schweiz, aber auch in Deutschland neue Firmenkunden zu gewinnen. Bis 2030 soll Baudisch zufolge im Corporate Banking die Zahl der Kundengruppen verdoppelt werden. Aktuell handele es sich um rund 200 Kundengruppen, wobei verschiedene Gesellschaften eines Konzerns als Gruppe gezählt werden.
Mit dem Wechsel an der Führungsspitze werde Kontinuität im Personal wie in der Geschäftsausrichtung auf Corporate und Institutional Banking sowie auf strukturierte Finanzierungen einhergehen, sagt Baudisch. Bestehende Kundenverbindungen sollen stärker ertragbringend ausgeschöpft und neue Kunden gewonnen werden. Und das möglichst kapitalschonend, also in Geschäftsfeldern, die keine oder kaum Eigenkapitalunterlegung erfordern. „Wir möchten jetzt einen Gang hochschalten – sowohl in Bezug auf den Income-Mix als auch die Gesamthöhe der Erträge.“
Zur klassischen, in vielen Geschäftsbeziehungen dominierenden Kreditvergabe sollen sich in verstärktem Maße weitere Geschäfte gesellen. „Viele Kunden definieren ihre Kernbanken über die Kredithöhe. Wir wollen unser Side Business ausbauen, und zwar Geschäft, das weniger Kapital bindet und damit höhere Eigenkapitalrenditen erwirtschaftet.“ Dazu zählt er das Kapitalmarktgeschäft, vor allem Debt Capital, also Anleihen, und das Assetmanagement, verwaltet doch die SEB-Gruppe Vermögen von rund 100 Mrd. Euro. Die Fondsprodukte will Baudisch in Deutschland verstärkt im institutionellen Geschäft absetzen.
Wachstum verheißen auch die enormen Investitionen im Zuge der nachhaltigen Transformation der Wirtschaft. Allein bis 2030 würden in Deutschland 1 Bill. Euro benötigt, erwartet Baudisch. „Wir wollen unsere Kenntnisse in Sachen Nachhaltigkeit auch in Sektoren wie beispielsweise Automobil-, Chemie- und Bauindustrie ausrollen und in allen, die sich transformieren müssen. Kunden begleiten wir entlang der gesamten Wertschöpfungskette.“ Akzente setzen möchte der SEB-Landeschef ebenfalls bei den institutionellen Kunden, und hier vor allem bei Pensionsfonds sowie Alternative Investment Funds (AIF). Zwecks (Zwischen-)Finanzierung von Windparks und anderen grünen Projekten will er sich mit AIF verbünden.
Große Nachfrage
Dass die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten seiner Einschätzung nach aktuell bei weitem das Angebot übersteige, erachtet er als mögliches Problem. „Hier kann es zu Fehlallokationen kommen. Wir müssen aufpassen, dass sich keine Industrie herausbildet, die versucht, Dinge grün anzumalen, die nicht grün sind. Dann hat die Finanzindustrie ein Reputationsthema.“ Als Beispiel nennt er sogenannte ESG-Linked Loans, deren Kreditkonditionen an die Erreichung bestimmter Nachhaltigkeitsziele der kreditnehmenden Firma geknüpft sind und die es in zwei Ausprägungen gibt. So kann ein Darlehen an ESG-Ratings gekoppelt oder mit Nachhaltigkeitskennzahlen (KPI) wie etwa Reduzierung der CO2-Emission verknüpft werden. In der Vergangenheit hätten sich viele Unternehmen für externe Ratings entschieden.
Warnung vor Greenwashing
Baudisch sieht das kritisch, weil der Ratingmarkt unreguliert sei und Ratings Sammelsurien aller möglichen Facetten von Nachhaltigkeit seien. Hier warnt er davor, dass sich Nachhaltigkeitsratings von den realen Herausforderungen der Unternehmen entkoppeln. „Die Gefahr, die ich sehe, ist, dass sich Banken in einen Wettbewerb begeben, der dazu führt, dass es den Unternehmen über Nachhaltigkeitsratings möglichst leicht gemacht wird, nachhaltige Finanzierungsinstrumente einzusetzen. Wenn man diesen Weg beschreitet, losgelöst von den materiellen Fragestellungen der Unternehmen, dann besteht die Gefahr, sich auf die falschen oder auf irrelevante Aspekte zu konzentrieren.“
Ein Beispiel macht er an einem Zementhersteller fest: Hier würde es am meisten Sinn ergeben, im Kreditvertrag KPI zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes zu vereinbaren. Würde sich der Zementhersteller hingegen einem Rating unterziehen, flössen alle möglichen Facetten mit ein, gibt Baudisch zu bedenken. „Dann könnte das Unternehmen sein Rating halten, obwohl es sich beim wichtigsten ESG-Faktor CO2-Reduzierung nicht verbessert, dies aber durch andere Faktoren wie etwa die Diversifizierung im Vorstand bzw. Aufsichtsrat kompensiert.“ Dann könne sich das Management rasch den Vorwurf des Greenwashing einhandeln und die kreditgebenden Banken den der Beihilfe zum Greenwashing. „Deswegen plädiere ich dafür, sich auf materielle KPIs zu beziehen, die wirklich relevant für das Unternehmen sind.“
Als einfaches Mitglied eines Kreditsyndikats, das einen ratingbasierten ESG-Linked Loan vergibt, würde die SEB bei Vorbehalten zwar mit dabei bleiben, den Kredit intern aber nicht als grün deklarieren, erklärt Baudisch. Als tonangebender Loan Arranger begleite die Bank aber ausschließlich KPI-basierte Kredite, macht der Vorstandschef deutlich.
Ein Reputationsthema der anderen Art hat sich die SEB Deutschland über ihre Tochtergesellschaft DSK Hyp eingehandelt. Diese sieht sich Forderungen des deutschen Fiskus nach Rückerstattungen von Kapitalertragsteuern aus Aktiengeschäften um den Dividendenstichtag von mittlerweile insgesamt 936 Mill. Euro ausgesetzt – dem Siebenfachen des 2020 erzielten Vorsteuergewinns von 135 Mill. Euro. Nach Informationen der Börsen-Zeitung geht es dabei um Cum-cum-Geschäfte. Teil dieser Summe ist eine Mitte Dezember 2021 erhobene zusätzliche Forderung an DSK Hyp über 511 Mill. Euro, exklusive aufgelaufener Zinsen. Weitere Nachforderungen sind möglich. Laut SEB beläuft sich die gesamte, zwischen 2008 und 2015 im Kundengeschäft der DSK Hyp aufgelaufene Kapitalertragsteuer auf etwa 1,5 Mrd. Euro. Zum laufenden Verfahren möchte Baudisch nicht Stellung nehmen. Er verweist auf Informationen in zwei Pressemitteilungen, welche Bank im Zuge einer Razzia im Dezember herausgegeben hat. Diese galt gleichwohl Cum-ex-Geschäften. Demnach beabsichtigt die DSK Hyp, die Forderungen anzufechten (vgl. BZ vom 16.12.2021). Für die Jahre 2008 bis 2013 hat die Bank 425 Mill. Euro ans Finanzamt überwiesen, gegen die entsprechenden Steuerbescheide Einspruch eingelegt und für Zinsen zudem 76 Mill. zurückgestellt, wie es im Geschäftsbericht heißt.
Tochterfirma in Abwicklung
Die DSK Hyp befindet sich seit 2018 in Abwicklung. Damals wurde im Zuge der Fokussierung der SEB in Deutschland auf Firmen und institutionelle Kunden das entsprechende Geschäft auf die Zweigniederlassung SEB AB Frankfurt Branch übertragen und Pfandbriefe in der in DSK Hyp umbenannten SEB AG gebündelt. Ziel sei, sagt Baudisch, das operative DSK-Geschäft Ende des Jahres aufzugeben – sofern noch ausstehende Pfandbriefe dem keinen Strich durch die Rechnung machen. Laufen sie bis dahin nicht ohnehin aus, werde versucht, die Pfandbriefe zurückzukaufen. Erst wenn alle eingesammelt sind, kann die Banklizenz zurückgegeben werden.
Zufrieden mit Jahresergebnis
Mit dem Jahr 2021 zeigt Baudisch sich sehr zufrieden. Konnten die Erträge in etwa den Wert von 2020 erreichen, so sei der Gewinn dank Auflösung eines guten Teils der im Corona-Krisenjahr aufgestockten Risikovorsorge deutlich gestiegen, berichtet er, ohne Details zu nennen. 2020 erzielte SEB Deutschland Bruttoerträge von 235 Mill. und einen Vorsteuergewinn von 135 Mill. Euro. Wegen Omikron erneut die Vorsorge hochzufahren, erwägt Baudisch aktuell nicht. „Ich sehe keinen Anlass, etwas an der Risikopolitik zu verändern, und erwarte auch keine großen Verwerfungen.“
Wichtig sei, an der Profitabilität zu arbeiten, die an Cost-Income-Ratio (CIR) und Return on Equity (RoE) abzulesen sei. Erstere sei vergleichbar mit der CIR in skandinavischen Ländern. Die Eigenkapitalrentabilität wiederum nähere sich dem Konzernziel an. Der Konzern weist für das dritte Quartal 2021 eine CIR von 41% und einen RoE von 14,1% aus.