SEB umwirbt Firmen in Mitteleuropa
Von Tobias Fischer, Frankfurt
Die schwedische Großbank SEB baut ihr Geschäft mit großen Firmenkunden in Mitteleuropa aus. Insbesondere für die Stärkung des Geschäfts in Österreich und der Schweiz soll die Zahl der Mitarbeiter im Münchener Büro, das auch Baden-Württemberg und Bayern abdeckt, auf rund 20 verdoppelt werden. Im Blick haben die Schweden außerdem die Niederlande mit perspektivisch weiteren zehn Mitarbeitern und damit einen Markt, den sie bislang noch nicht beackert haben. Der soll zunächst vor allem von bestehenden Kapazitäten, von Schweden aus, aber auch von anderen Ländern wie Deutschland, betreut werden. „In den vergangenen Jahren haben wir neue Kunden in Österreich und der Schweiz gewonnen und Beziehungen zu bestehenden Kunden ausgebaut. Die Stärkung des Standorts in München ist nun der natürliche nächste Schritt, um in diesen Märkten weiter zu wachsen“, sagt William Paus, seit 2018 Co-Firmenkundenvorstand und Co-Chef Large Corporates & Financial Institutions der SEB.
Sprung in die Niederlande
Von Deutschland aus soll Expertise in ausgewählten Produkten, zum Beispiel zu forderungsbesicherten Wertpapieren (ABS), geliefert werden, heißt es von einer Sprecherin. Dafür seien vorerst keine neuen Ressourcen eingeplant. Werde die Nachfrage stark genug anziehen, würden Kapazitäten aufgebaut. Sobald sich erste Erfolge abzeichneten und sich die Geschäftstätigkeit festige, werde ein Standort in den Niederlanden angestrebt mit etwa zehn Mitarbeitern.
Insgesamt beschäftigt die Deutschland-Tochter SEB AB Frankfurt Branch aktuell 230 Mitarbeiter, die sich von der Zentrale in Frankfurt und dem Büro in München um Firmen- und institutionelle Kunden kümmern. Obwohl Paus Deutschland angesichts des starken Wettbewerbsdrucks für einen schwierigen Markt hält, spricht er ihm einiges an Relevanz zu. „Die Industriestruktur in Deutschland und teils auch Österreich und der Schweiz sind ähnlich wie in Schweden. Das sind Kunden, die wir gut verstehen. Deutschland hat deshalb Potenzial für uns“, sagt der Norweger.
Der recht vagen Vorgabe, hier „überdurchschnittlich“ wachsen zu wollen, ist das Institut auf Konzernebene zuletzt nachgekommen. Im Deutschland-Geschäft legte der Vorsteuergewinn 2020 um 55% auf 1,39 Mrd. skr (138 Mill. Euro) zu, die operativen Erträge stiegen um 22% auf 2,23 Mrd skr. Zugleich gaben konzernweit die Erträge um 1% nach und schrumpfte der Gewinn um 16%. Damit wächst die Bedeutung Deutschlands im Konzern wieder, wenn auch auf niedrigem Niveau. Die Kernmärkte der Bank liegen in Skandinavien, im Baltikum und in Großbritannien. Zehn Jahre ist es her, als SEB die Privatkundensparte an Santander losschlug und später die Deutschland-Tochter in der Rechtsform einer AG zur Niederlassung herabstufte.
Wurden 2019 noch 3,6% des Vorsteuergewinns des Konzerns in Deutschland verdient, so waren es im vergangenen Jahr 6,7% (siehe Grafik). „Wir können in Deutschland mit anderen Heimatmärkten – Großbritannien, Norwegen, Finnland, Dänemark – vergleichbare Renditen erzielen“, sagt Paus, der in Mannheim studierte und von 2001 bis 2007 als Head of Merchant Banking bei SEB in Frankfurt arbeitete. Zugute komme der Bank dabei eine hohe Kosteneffizienz. Wie hoch die hierzulande ist, darüber schweigt er sich aus. Nur so viel sei gesagt: Deutschland habe zumindest keinen negativen Effekt auf die durchschnittliche Cost-Income-Ratio des Konzerns. Die lag 2020 wie 2019 bei 46%.
Das Augenmerk liegt in Deutschland auf Energie- und Infrastrukturprojekten, etwa der Finanzierung des Unternehmens Deutsche Glasfaser für den weiteren Netzausbau, oder von Offshore-Windparks. Das Wachstum hierzulande führt Paus allerdings nicht nur darauf zurück. Zwar entwickele sich Energie- und Infrastrukturfinanzierung überdurchschnittlich stark, aber auch klassische Finanzierungen und Kapitalmarktgeschäfte hätten zum Wachstumskurs beigetragen, wenn auch nicht so stark.
Hinter dem Wachstum steckten zahlreiche neu gewonnene Mandate, vor allem mit Nachhaltigkeitsbezug, heißt es im Zahlenwerk zur Begründung. So berät SEB den Fahrzeugkonzern Daimler, wie etwa die Modernisierung von Produktionsanlagen zu finanzieren und der Übergang des Unternehmens auf eine emissionsfreie Fahrzeugflotte zu bewerkstelligen sind. „Damit qualifizieren wir uns und können unsere Kompetenzen beweisen“, sagt Paus. Dieser langfristige Wachstumsansatz sei organisch angelegt, macht er deutlich. „Wir haben gesehen, dass extreme Wachstumsstrategien in Deutschland, die auch Akquisitionen beinhalten, eher schwierig sind. Wir bevorzugen das organische Wachstum.“
Von klimaschädlichen, also sogenannten braunen Assets will sich der Konzern nicht abrupt verabschieden, berichtet der Firmenkundenchef. Da eine Umstellung der Energieversorgung – etwa von Öl auf grüne Energieträger in Norwegen – von heute auf morgen nicht möglich sei, werden bestehende Engagements im Öl- und Gasgeschäft weitergeführt, im Benehmen mit dem Kunden aber sukzessive abgebaut. „Wir halten nichts von Exklusion, sondern davon, einen Beitrag zum Abbau zu leisten. Wir wollen Transitionsbank sein und verstehen, wie sich die Energiesysteme verändern und welche Abbaugeschwindigkeit realistisch ist.“ Finanzierungen für neue Öl- und Gasexplorationen in der Nordsee sind hingegen genauso wenig Thema wie von neuen Kohlekraftwerken.
Prävention von Geldwäsche
Kein Thema mehr sollen künftig auch Defizite in der Geldwäscheprävention sein. Im Juni hatte die schwedische Finanzaufsicht der SEB umgerechnet knapp 100 Mill. Euro aufgebrummt, weil Governance und Kontrolle der Tochtergesellschaften in Estland, Lettland und Litauen zu wünschen übrig ließen. „Wir arbeiten daran, investieren in Personal und Technologie und tauschen uns in Schweden mit der Polizei und anderen Banken aus“, sagt Paus. Damit meint er die Kooperation zwischen nordischen Großbanken, darunter SEB, mit der schwedischen Polizei, wie sie in der Swedish Anti-Money Laundering Intelligence Initiative (Samlit) zum Tragen kommt.
Hier hofft er auf deutliche Verbesserungen durch einen verstärkten Informationsaustausch. Dafür sei aber eine Gesetzesänderung den Datenschutz betreffend nötig, die in Schweden derzeit in der Diskussion stehe. Darüber hinaus plädiert Paus für den Einsatz neuer Technologien, etwa im Transaktionsmonitoring, um das Problem besser anzugehen. Hier seien seitens der SEB weitere Investitionen angedacht. Gerade künstliche Intelligenz, vereint mit Erkenntnissen der Polizei, könne der Effizienz im Kampf gegen Geldwäsche einen erheblichen Schub verpassen, glaubt Paus.
Eine weitere Plattform zur Zusammenarbeit ist das von sechs skandinavischen Banken geschaffene Joint Venture Invidem mit Sitz in Stockholm, das compliancekonforme Kundendaten (Know your Customer KYC) standardisiert zusammenführt und verwaltet. Mitte 2019 haben Danske, Swedbank, DNB, Nordea, SEB und Handelsbanken Invidem gegründet. Der kommerzielle Start war ursprünglich für die erste Hälfte 2021 vorgesehen (vgl. BZ vom 27.6.2020), dürfte sich aber verzögern, sagt Paus. „Invidem ist noch im Aufbau begriffen. Es geht darum, das richtige Geschäftsmodell zu finden, und es dauert noch etwas länger als gedacht.“
Staat fordert Steuern zurück
Auch Forderungen des deutschen Staates nach Steuerrückzahlungen beschäftigen SEB. 425 Mill. Euro verlangt der Fiskus an Kapitalertragsteuern zurück, die ihm durch Cum-cum-Geschäfte der Schweden im Zeitraum 2008 bis 2013 entgangen sein sollen. Die Transaktionen betreffen die SEB-Deutschland-Tochter DSK Hyp, deren Geschäft nach eigenen Angaben möglichst bis 2022 abgebaut sein soll. Die SEB stört sich unter anderem daran, dass Transaktionen vor der veränderten Gesetzeslage 2016 betroffen sind. Der Gesetzgeber hatte damals Cum-cum-Geschäfte abgestellt. Die Rechtsgrundlagen für den größten Teil der Ansprüche hätten sich also im Laufe der Zeit verändert und seien nach wie vor nicht eindeutig, so die Lesart der SEB, die notfalls vor Gericht ziehen will. „Wir planen, keine Rückstellungen für die Rückforderungen auf Konzernebene zu bilden“, sagt Paus. „Die DSK Hyp wird diese Rückforderungen anfechten. Dieser Prozess könnte in weiteren Instanzen Verfahren erfordern und wird voraussichtlich bis zu fünf Jahre dauern.“