GastbeitragTomas Rederer, PwC

Sechs Thesen zum Kreditgeschäft 2024 und danach

Die Banken befinden sich in einem Schwebezustand. Das Zinsumfeld hilft auf der Ergebnisseite, und die Risiken scheinen überschaubar. Aber zugleich ist die Nervosität spürbar. Denn die aktuelle Ertragslage wird vorbeigehen – und strukturelle Kernprobleme werden wieder ins Zentrum rücken.

Sechs Thesen zum Kreditgeschäft 2024 und danach

Gastbeitrag

Sechs Thesen zum Kreditgeschäft 2024 und danach

Die globale Unsicherheit, technologischen Entwicklungen und das makroökonomische Umfeld stellen die Wirtschaft vor außergewöhnliche Herausforderungen. Die Banken sind derweil wie in einem Schwebezustand gefangen: Insbesondere das Zinsumfeld lässt die Ergebnisse gut aussehen, die Risiken scheinen kontrollierbar, und auch sonst ist es weitgehend business as usual. Gleichzeitig ist die Nervosität spürbar, und allen Akteuren scheint klar zu sein, dass der Schwebezustand sehr bald einer neuen Realität weichen wird, die durch die Interaktion gleich mehrerer struktureller Veränderungen entsteht. Sechs Hypothesen, was auf Banken zukommen wird:

1. Die aktuelle Ertragslage ist „best      of all worlds“ und geht vorbei

Die Kombination aus schnell steigenden Zinsen, geringen Risiken und billiger Refinanzierung ist temporär und wird sich 2024 nivellieren. Darunter liegen aber noch immer dieselben strukturellen Kernprobleme der Branche rund um Kommoditisierung der Produkte, kostenintensive Komplexität und Verlust der Kontrolle über die Kundenbeziehungen.

2. Ökosysteme werden (langsam)      Realität

Die größte Gefahr ist mittelfristig die Kommoditisierung der Produkte. Banken drohen zu reinen generischen Produktabwicklern zu werden. Die Kundenbeziehungen liegen dann bei Plattformen, Beratungsnetzwerken und zunehmend auch außerhalb der Bankenbranche. Das Bankprodukt verschwindet „hinter“ den Produkten der Realwirtschaft. Eine Antwort darauf kann das eigene Angebot von Plattformen sein, die sich nicht an Bankprodukten, sondern den Lebenswelten der Kunden orientieren. Das beginnt bei Vendor Finance und endet bei digitalen Ökosystem-Plattformen. Die Idee ist älter, aber erst jetzt nimmt sie Fahrt auf. 2024 kann das Jahr des Durchbruchs sein.

3. Regulatorik bleibt Schutzschild     der Branche – noch

Ein wesentlicher Grund für die geringe Veränderungsgeschwindigkeit ist der „Schutz“ durch die Regulatorik, die es neuen Wettbewerbern schwer macht, etablierten nachhaltig Marktanteile abzunehmen. Insbesondere Fintechs, die glaubten, dieser Logik nicht zu unterliegen, wurden vom Regulator in letzter Zeit eines Besseren belehrt. Es ist auch eine wesentliche Barriere für die Big Techs wie Google. Aber das Potenzial ist einfach zu groß, und insbesondere die Big Techs werden sich davon nicht lange aufhalten lassen. Beispiele wie Zahlungsverkehr zeigen den Weg.

4. Der Kanalmix ändert sich, aber       anders als gedacht

Seit Jahren versuchen Banken, den Kanalmix in Richtung digitaler Kanäle zu bewegen. Der Erfolg ist überschaubar, und es sieht so aus, als wenn in Deutschland auch kulturelle Aspekte den Prozess fundamental bremsen. An dieser Stelle können jedoch die neuen Möglichkeiten der KI, insbesondere Voice Bots, eine entscheidende Rolle spielen. Mit dieser Technologie wird ein bisher weniger strategischer Kanal plötzlich wieder eine sehr relevante Option: das Callcenter. Über hochwertig KI-basierte Sprachtechnologie kann die Brücke digitaler, aber trotzdem menschenähnlicher Kommunikation geschlagen werden. Callcenter werden eine nachhaltig relevante Rolle im Kanalmix spielen.

5. Prozessindustrialisierung wird     stärker zum Wettbewerbsfaktor

Dies bettet sich in eine gesamthafte Industrialisierung der Prozesslandschaft ein. Auch wenn das Thema alt und vielfach diskutiert ist, haben viele Häuser die konsequente Industrialisierung der Prozesse noch nicht adaptiert. Der Unterschied zu früher ist aber, dass nun mehr Häuser hier erfolgreich vorangehen und so der Unterschied zwischen den Banken immer größer wird. Dies zeigt auch ein aktuelles Benchmarking durch PwC im Kreditgeschäft. Die Unterschiede sind mittlerweile so groß, dass sie auf Augenhöhe mit Pricing und Produktgestaltung als zentralen Wettbewerbsfaktoren den Unterschied am Markt machen. Dieser Trend wird durch generative KI gerade noch einmal verstärkt, da die Technologien aufeinander aufbauen.

6. Banken beginnen, sich wieder      zu fokussieren

Ein wesentlicher Teil dieser Industrialisierung war seit jeher das Auslagern von nichtstrategischen Prozessen. Hier sind Banken allgemein, aber insbesondere deutsche Banken immer schon zu zurückhaltend gewesen. Schlechte Erfahrungen in diversen Auslagerungsversuchen haben diese Zurückhaltung noch verstärkt. Die Kombination aus modernen Schnittstellentechnologien, besserer Methodik und neuen Anbietern erlaubt aber zunehmend das erfolgreiche Auslagern auch kleinerer Prozessteile mit hoher Qualität. Banken nutzen dies zunehmend, um die operative Komplexität zu reduzieren.

In der Summe befindet sich die Branche in einer Zwischenphase guter Profitabilität und noch begrenztem Wettbewerb von außerhalb der Branche. Einige Häuser nutzen dies, um das Geschäftsmodell zu erweitern und strukturell Kanäle und Prozesse zu modernisieren. Sobald diese Phase vorüber ist, wird sich zeigen, welche Häuser sich auf die dann härtere Realität schnell genug vorbereitet haben.