Sehr dünnes Eis
Wenn die Nachricht einer insgesamt gut 7 Mrd. Dollar schweren Rekordstrafe den Aktienkurs einer Bank springen lässt, haben Anleger die Gewissheit, dass dieses Institut den Markt nicht mehr enttäuschen kann. Gemessen an den 14 Mrd. Dollar, welche das US-Justizministerium von der Deutschen Bank im Hypothekenstreit zunächst gefordert hatte, kommen die Zivilbuße von 3,1 Mrd. und die für Kunden vorgesehenen Erleichterungen im Volumen von nochmals 4,1 Mrd. Dollar, über welche die Bank am Freitag informiert hat, gleichwohl in der Tat wie ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk daher. Denn weil sich die Kundenvergünstigungen zudem über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren erstrecken werden, verflüchtigt sich das Szenario einer existenziellen Bedrohung von Deutschlands größtem Kreditinstitut, das manche Markt- und Medienakteure noch zu Herbstbeginn spielten. Deutsche-Bank-Aktionäre, die im Jahresverlauf vorübergehend eine Halbierung des Kurses zu verkraften hatten, freuen sich schon über Kleinigkeiten.Hinzu kommt: Die Einigung lässt, auch wenn sie im Vergleich zu US-Banken durchaus stramm ausfällt, dem Institut alle Chancen, nach einem Rekordverlust 2015 fürs ablaufende Gesamtjahr zumindest nach HGB eine schwarze Null zu zeigen und die Kupons aufs zusätzliche Kernkapital zu bedienen. Dies ist aus interner Sicht keine Bagatelle, schwindet andernfalls doch die Aussicht auf Bonuszahlungen. Nachgerade versöhnlich geht für die Bank damit ein Horrorjahr dem Ende entgegen, in welchem erst die Öffentlichkeit über Staatshilfen spekulierte und dann noch der Internationale Währungsfonds coram publico über die Defizite im Geschäftsmodell des Instituts schwadronierte, was neben Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble dem Vernehmen nach selbst die stets unbeeindruckt wirkende Chefin von Europas Bankenaufsicht, Danièle Nouy, so in Rage brachte, dass sie sich bei IWF-Chefin Christine Lagarde über diese Einmischung beschwerte. Ende gut, alles gut?Schön wär’s. Zwar hat die Bank eine wichtige Hürde gemeistert, ihr Weg zurück zur Stabilität aber ist voll von weiteren Hindernissen. Auch wenn der jüngste Vergleich ihre Kapitaldecke nicht aufreißen wird – mit ihr bewegt sich die Bank weiterhin auf sehr dünnem Eis.Die fürs Schlussquartal angekündigte Ergebnisbelastung von rund 1,2 Mrd. Dollar vor Steuern infolge der Buße lässt erkennen, dass das Management im US-Hypothekenstreit zu optimistisch an die Bildung von Rückstellungen herangegangen ist. Von diesen dürften nach der Vergleichszahlung insgesamt noch 4 Mrd. Euro übrig bleiben. Vielleicht wird dies ja reichen, neben gut 7 000 Rechtsstreiten Vorwürfe aus der Welt zu schaffen, in Russland seien über die Bank bis zu 10 Mrd. Dollar gewaschen worden. Vielleicht auch nicht. Erst am Dienstag hat Russlands Zentralbank mitgeteilt, es habe Marktmanipulationen durch einen Händler des Instituts gegeben, der im Namen der Bank dubiose Geschäfte über fast 5 Mrd. Dollar an der Moskauer Börse abgewickelt habe.Das Problem der Bank ist nach wie vor: Sie hat keinen Puffer für solche Risiken. Zwar dürfte trotz der Vergleichszahlung die harte Kernkapitalquote bei voller Umsetzung des Regelpakets Basel III dank des Verkaufs einer Beteiligung an der chinesischen Hua Xia Bank zunächst um 20 Basispunkte auf 11,3 % steigen. Bis Januar 2019 aber braucht die Bank 12,25 %, was 2017 und 2018 einen Eigenkapitalaufbau von noch gut 5 Mrd. Euro erforderlich machen dürfte – wohlgemerkt um die Mindestanforderungen zu erfüllen, nicht um angesichts sich anbahnender Umwälzungen in der Branche strategisch handlungsfähig zu sein. Über kurz oder lang rückt damit eine weitere Kapitalerhöhung näher, auch weil die Tochter Deutsche Postbank derzeit unverkäuflich ist.Gerade in dieser Hinsicht aber hellt der Vergleich die Perspektiven auf. Mit der Einigung in den USA fällt eine Kursbremse erster Güte weg, weil sie zumindest im Hypothekenstreit Klarheit schafft. Nachdem der Kurs seit seinem Tief im September auch im Kielwasser eines festen Sektortrends um rund 70 % in die Höhe geklettert ist, sehen die Relationen, was den Erlös einer Aktienemission angeht, ohnehin wieder besser aus. Es sind nicht die einzigen guten Nachrichten. Nach allem, was man hören kann, würdigt die europäische Bankenaufsicht die Bemühungen von Chief Executive John Cryan und will ihm daher die nötige Zeit geben, die zahlreichen Baustellen der Bank zu schließen. Fehlen nur noch die Anleger, welche die Bank von ihrer Equity Story überzeugen kann.——–Von Bernd Neubacher Durch ihren Vergleich in den USA meistert die Deutsche Bank eine wichtige Hürde. Nun rückt eine neuerliche Kapitalerhöhung näher.——-