Sewing für staatliches Investitionsprogramm

"Wann, wenn nicht jetzt?" - Deutsche-Bank-Chef wendet sich aber gegen neuerliche Lockerung der Geldpolitik

Sewing für staatliches Investitionsprogramm

Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing macht sich für ein staatliches Investitionsprogramm stark, damit die Bundesrepublik technologisch nicht den Anschluss an die USA und China verliert. Mit der Geldpolitik in Euroland geht er hart ins Gericht. Eine weitere Lockerung würde nur die Vermögenspreise weiter steigen lassen.bn Frankfurt – Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing hat sich strikt gegen eine neuerliche Lockerung der Geldpolitik durch die Europäische Zentralbank (EZB) gewandt und zugleich ein staatliches Investitionsprogramm zur Förderung technologischer Innovation gefordert. “Es geht nicht um ein klassisches Konjunkturprogramm”, erklärte Sewing am Mittwoch auf dem vom “Handelsblatt” veranstalteten “Banken-Gipfel” seinen Vorstoß. Es gehe vielmehr um Technologie, um bessere Forschungszentren, bessere Bildung, bessere Datennetze, aber auch um Stromtankstellen für Elektrofahrzeuge – “damit wir beim Internet der Dinge, bei Künstlicher Intelligenz oder in der Robotik mit den USA und China mithalten können”.Seit Jahren werde Deutschland dafür kritisiert, dass das Land zu wenig investiere. Diese Kritik sei berechtigt. “Wann, wenn nicht jetzt, ist es an der Zeit, das zu ändern?”, fragte er rhetorisch. “Wir haben Milliardenüberschüsse im Staatshaushalt, und die öffentliche Hand bekommt an den Märkten Geld dafür, wenn sie mehr Schulden macht – selbst bei zehnjähriger Laufzeit. Das ist eine Situation, die es so noch nie gegeben hat.”Mit Sewings Forderung meldet sich nach jahrelanger Pause ein Chef der Deutschen Bank wieder zu bundespolitischen Themen konkret zu Wort. Sewings Vorvorvorgänger Josef Ackermann hatte zwar lange Zeit als Vertrauter von Bundeskanzlerin Angela Merkel gegolten. Im Zuge der Finanz- und Staatsschuldenkrise aber hatten sich nicht nur Ackermann und Merkel überworfen, die gesamte Bundesregierung war erkennbar vom Bankensektor abgerückt, während die Deutsche Bank mit ihrer Sanierung vollauf beschäftigt war. Erst Anfang Juli kündigte das Institut den Abbau von 18 000 Jobs an, über Fortschritte bei der Umsetzung ihrer Restrukturierung will die Bank auf einem Kapitalmarkttag im vierten Quartal informieren. Kassahandel ist abgebautDie politische Forderung nach einem Investitionsprogramm erlaubte es Sewing vor diesem Hintergrund am Mittwoch, nicht über die jüngste Restrukturierung sprechen zu müssen. Dass die Bank im Zuge ihres Rückzugs aus dem Aktienhandel ihre Positionen aus dem Kassahandel mit Aktien inzwischen vollständig abgebaut und begonnen hat, die entsprechenden Systeme herunterzufahren, war am Mittwoch die einzige konkrete Information zum Verlauf des Umbaus.Eingehender und sehr deutlich äußerte sich Sewing unterdessen zur sich abzeichnenden Lockerung der Geldpolitik in Euroland: “Langfristig ruinieren diese Niedrigzinsen das Finanzsystem”, erklärte er. Einzelne Nachbesserungen wie ein sogenanntes Tiering-System seien zwar notwendig, um die negativen Konsequenzen abzumildern: “Am Grundproblem ändert das allerdings nichts.” Sewing zufolge wird eine weitere Lockerung der Geldpolitik ihren Zweck verfehlen, Banken weiter in Wettbewerbsnachteil bringen und über die Spaltung der Gesellschaft verschärfen.Die wenigsten Ökonomen glaubten, dass billigeres Geld auf diesem Niveau noch irgendetwas bewirken könnte, sagte er. Dazu passe auch, was die Bank von ihren Kunden höre: “Mittelständler sagen mir klipp und klar: Wir werden keinen Euro mehr investieren, nur weil der Kredit noch mal zehn Basispunkte billiger wird.” Eine weitere Zinssenkung werde lediglich die Vermögenspreise weiter in die Höhe treiben und die Sparer weiter belasten. So kosteten negative Zinsen die Sparer in Europa derzeit 160 Mrd. Euro im Jahr. Mit Niedrigzinsen gingen überdies Umverteilungseffekte einher, die jene begünstigten, die verschuldet oder in Vermögenswerte investiert seien. Sewing: “Wer Zugang zum billigen Geld hat, gehört potenziell zu den Gewinnern.” Wer dieses Privileg nicht habe, und das sei die Mehrheit der Bevölkerung, sehe man von Konsumentenkrediten einmal ab, gehöre zu den Verlierern. “Das spaltet die Gesellschaft weiter”, erklärte Sewing. Dies lasse sich auch nicht mit einer Vermögenssteuer reparieren: “Ein Fehler, das wissen wir aus der Mathematik, lässt sich nicht durch einen anderen kompensieren.”Die designierte EZB-Chefin Christine Lagarde hat sich unterdessen für eine Fortsetzung der lockeren Geldpolitik ausgesprochen. “Die Wirtschaft in der Eurozone ist auf kurze Sicht mit einigen Risiken konfrontiert”, erklärte sie zur Wochenmitte im Wirtschafts- und Währungsausschuss des EU-Parlaments in Brüssel. Die Inflation im Währungsraum sei anhaltend zu niedrig und liege unter der Zielmarke. “Ich stimme daher mit der Ansicht des EZB-Rats überein, dass eine hochgradig konjunkturstützende Geldpolitik für eine längere Zeit gerechtfertigt ist.”