Shanghai Surprise
Eine offizielle Bestätigung dafür wird es wohl nie geben, doch spricht einiges dafür, dass Peking versucht, die Börsenverbindung zwischen London und Schanghai als politisches Druckmittel einzusetzen. Die Verärgerung der politischen Führung der Volksrepublik China über die britische Unterstützung für die Hongkonger Demokratiebewegung und die Sicherheitsbedenken gegen den Telekomausrüster Huawei ist bekannt. Sie mag das Einfrieren des London-Shanghai Stock Connect für einen guten Weg halten, ihre Empörung zum Ausdruck zu bringen.Dabei wäre es so gut wie keinem in der City aufgefallen, wenn Peking die Leitung nach London einfach gekappt hätte. Auf die beiden chinesischen Firmen, deren Notierungen auf Eis gelegt wurden, hat die Welt nicht gewartet. Bislang nutzte ohnehin erst ein Unternehmen die Möglichkeiten, die sich aus der im Juni 2019 mit großem Tamtam an den Start gebrachten Börsenverbindung ergeben.Den Schaden tragen in erster Linie Firmen aus der Volksrepublik, die in London Geld einsammeln wollen. Britische Unternehmen haben bislang kein Interesse an einem Listing mit Hilfe des Stock Connect gezeigt. Wozu auch? Sie dürften im Reich der Mitte ohnehin keine Kapitalerhöhungen tätigen. Die hochgelobte Verbindung ist eine äußerst schwach befahrene Einbahnstraße.Als der London-Shanghai Stock Connect angedacht wurde, hatte noch der Chinaliebhaber George Osborne im britischen Schatzamt das Sagen. Das von ihm verkündete goldene Zeitalter blieb aus. Die jüngste Shanghai Surprise hat all diejenigen in ihrer Haltung bestätigt, die wegen des chinesischen Einflusses und der Rechtsunsicherheit in der Volksrepublik vor einem Zusammenschluss der London Stock Exchange Group mit dem Hongkonger Börsenbetreiber HKEX gewarnt hatten. Für sie zeichnet sich immer klarer ab, dass die Geschäftsmodelle des Vereinigten Königreichs und der Volksrepublik einfach nicht kompatibel sind.Vermutlich glaubt man in Peking, gegenüber London im Vorteil zu sein. Die Arroganz und Selbstverliebtheit, mit der die chinesische Führung auftritt, erinnert an das chinesische Kaiserreich, das sich bis zu seinem selbst verschuldeten Untergang für das Zentrum der Welt hielt. Wäre sie so weise, wie viele im Westen unterstellen, würde sie die Verbindung nach London dazu nutzen, zumindest einen Teil der enormen Staatsverschuldung ausländischen Investoren in Form von Klimabonds aufzuhalsen.