Shareholder Value ist nicht alles

Nachhaltigkeit wird wichtiger - Mit ETFs profitieren

Shareholder Value ist nicht alles

Nachhaltigkeit liegt im Trend – auch bei Investoren: In den ersten drei Quartalen 2019 erzielten börsennotierte Indexfonds (Exchange Traded Funds; ETFs), die bei der Titelauswahl die Kriterien Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (Environment, Social and Governance, kurz: ESG) berücksichtigen, Rekord-Nettozuflüsse. Per Ende September investierten Anleger in Europa unter dem Strich 9,7 Mrd. Euro in ESG-ETFs. Gemessen am Gesamtmarkt für ETFs in Europa entspricht das bereits jedem sechsten Euro. Drei Gründe für ESG-TrendDas gesellschaftliche Umdenken der vergangenen Jahre im Sinne einer nachhaltigeren Lebens- und Unternehmensführung ist ein anhaltender Prozess. Themen wie Klimaschutz, faire Arbeitsbedingungen, Geschlechtervielfalt oder auch transparente Reporting-Methoden des Managements dürften so schnell nicht von der Bildfläche verschwinden. Anleger fragen bei den Unternehmen gezielt nach und bringen das Konzept der “Rendite um jeden Preis” ins Wanken. So erklärten jüngst rund 200 CEOs großer US-Unternehmen wie Apple, Walmart und Amazon, dass der Shareholder Value nicht mehr den höchsten Stellenwert einnehmen sollte. Die Unternehmen wollen sich nach eigenen Angaben stattdessen künftig stärker auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter, Kunden und Zulieferer sowie auf den Schutz der Umwelt und des Allgemeinwohls konzentrieren.Es ist keine Übertreibung, bei Unternehmen und Investoren von einem Paradigmenwechsel zu sprechen. Vor allem drei Gründe sprechen dafür, dass ESG mehr als ein Trendthema ist. Erstens: das Umweltbewusstsein der Firmen. Aus der internationalen Finanzkrise von 2007/2008 und Konzernskandalen wie der VW-Abgasaffäre oder dem Ölleck der BP-Plattform Deepwater Horizon haben Investoren die Lehre gezogen, dass es gefährlich ist, den Fokus nur auf die nahe Zukunft zu richten und die eigene Verantwortung als Investor zu vernachlässigen. In vielen öffentlichkeitswirksamen Fällen haben solche Skandale für deutliche Kursverluste und für Turbulenzen an den Märkten gesorgt.Zweitens: das wachsende Bewusstsein für den Klimawandel. Immer mehr Menschen sind sich über das Ausmaß und die potenziellen Folgen des Klimawandels im Klaren. Globale Initiativen zur Reduzierung der Treibhausgase und zum verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien wirken sich auf Investments aus. Dies betrifft unterschiedliche Sektoren wie Energie, Nahrungsmittel, Wasserversorgung, Forstwirtschaft oder Tourismus. Drittens: Der regulatorische Druck steigt. Regulierungsbehörden üben vor allem bei professionellen Investoren Druck aus, bei treuhänderischen Anlagen ESG-Risikoanalysen und entsprechende Offenlegungen umzusetzen. Mittlerweile haben die weltweit größten Vermögensverwalter größtenteils die von den Vereinten Nationen (UN) unterstützten Prinzipien für verantwortungsbewusstes Investieren (Principles for Responsible Investment, kurz: PRI) unterzeichnet. Gemeinsam verwalten die über 2 500 Unterzeichner Vermögenswerte in Höhe von 86 Bill. Dollar. Auf nachhaltige Indizes setzenImmer mehr Informationen darüber, wie nachhaltig Firmen agieren, sind öffentlich verfügbar. Dies erleichtert es Analysten, Unternehmen auf ESG-Merkmale zu überprüfen. So müssen gemäß der EU-Richtlinie seit Anfang 2017 börsennotierte Unternehmen in der EU, die mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigen, in ihren Geschäftsberichten verschiedene Informationen zu Umwelt, sozialen Aspekten und Mitarbeitern sowie Menschenrechten und Korruption offenlegen.Solche Kriterien werden zunehmend auch in Indizes abgebildet, die es Investoren ermöglichen, einfach einen Korb aus Unternehmen mit überprüften ESG-Praktiken zu erwerben. So können Anleger mit ETFs kostengünstig auf nachhaltige Unternehmen setzen. Beispielsweise überprüft das ESG-Team des MSCI weltweit mehr als 6 000 Unternehmen, die alle ihr eigenes Rating erhalten. MSCI hat mehr als 40 Jahre Erfahrung in der Erfassung, Bereinigung und Standardisierung von ESG-Daten. So entwickelt der Indexanbieter “nachhaltige Indizes”, die in der Lage sind, an den Märkten Aktien herauszufiltern, die nach dem Best-in-Class-Ansatz ganz vorne liegen. Dabei werden Unternehmen ins Portfolio aufgenommen, die bei der Einhaltung der ESG-Faktoren in ihren Branchen führend sind. Anreize für UnternehmenNoch einen Schritt weiter geht das Trend-Leader-Konzept: Hier wird nicht nur das ESG-Profil eines Unternehmens bestimmt, sondern auch berücksichtigt, wie sich das Rating im Verlaufe der Zeit ändert. Firmen, die ihr Rating verbessern, erhalten eine höhere Punktzahl (“Score”). Im Index kann dies anschließend zu einer besseren Bewertung führen. Alle ESG-Trend-Leader-ETFs schließen Unternehmen aus, deren Geschäftsmodell allgemeinen ESG-Zielen widerspricht. Hierzu zählen unter anderem Hersteller von Alkohol, Tabak, Waffen und auch Unternehmen, die mit Nuklearenergie oder Glücksspiel ihr Geld verdienen. Diese Methodik schafft Anreize für Unternehmen, die in den Index aufgenommen werden möchten, sich aus solchen Geschäftsfeldern zurückzuziehen.Nachhaltige passive Anlagestrategien beschränken sich längst nicht mehr nur auf Aktien. Über den Solactive Green Bond Index beispielsweise können Anleger umweltfreundliche Projekte unterstützen, die den Klimawandel bremsen und die Umwelt schonen sollen. Denn der Index enthält nur Anleihen, die von der Climate Bonds Initiative, einer gemeinnützigen und unabhängigen Organisation zur Förderung von Investitionen in umweltfreundliche und kohlenstoffarme Projekte, als Green Bonds klassifiziert und anerkannt wurden. Und da nicht nur Indexanbieter, sondern immer mehr Ratingagenturen ESG-Daten bereitstellen oder sich sogar darauf fokussieren, können ETF-Strategien sogar noch erweitert werden, etwa durch ein zusätzliches ESG-Screening auf Emittentenebene. So können Anleger sicher sein, dass ihr Green-Bond-Portfolio keine Emittenten beinhaltet, die in die Gewinnung von fossilen Brennstoffen und Kernenergie involviert oder in umstrittene Geschäftsaktivitäten sowie Verstöße gegen den UN Global Compact verstrickt sind.Anleger stellen sich zu Recht die Frage, ob nachhaltige und sozialverantwortliche Investments die Renditen ihres Portfolios schmälern. Um dies zu beantworten, hat die Lyxor Dauphine Research Academy Forscher der Universität Lausanne damit beauftragt, den Zusammenhang zwischen der Wertentwicklung von ESG-Anlagen und breit gefassten Investments zu untersuchen. In der Studie untersuchten Forscher die zurückliegende Performance von rund 7 000 internationalen Aktien aus dem MSCI All Country World Index zwischen 2007 und 2019. Das Ergebnis: Der Ausschluss von Unternehmen auf Basis ihres ESG-Scores wirkte sich nicht negativ auf das Portfolio aus. In einigen Fällen führte diese Vorgehensweise sogar zur Verbesserung der risikobereinigten Renditen im Vergleich zum ursprünglichen Aktienuniversum. Anleger sollten sich allerdings bewusst sein, dass eine auf ESG-Scores basierende Screening-Strategie zu Verzerrungen auf Region- und Sektorebene gegenüber dem ursprünglichen Aktienuniversum führt. Bei der Studie stellten die Forscher fest, dass ein ESG-Ansatz zu einer verstärkten Ausrichtung auf Aktien aus Europa und dem Pazifikraum und zu einer Verdrängung von Titeln aus den USA und den Schwellenländern führte. Grund dafür waren die schlechten ESG-Werte von Unternehmen aus den USA und den Emerging Markets im Vergleich zu Europa und dem pazifischen Raum. Die Performance stimmtDie Quintessenz für Anleger, die Wert auf die Einhaltung der ESG-Kriterien legen: Sie müssen bei der Performance keine Kompromisse eingehen. Für Unternehmen und Investoren ist Nachhaltigkeit weit mehr als ein Trend. Mit börsengehandelten Indexfonds können Anleger kostengünstig auf entsprechende Indizes setzen. Hinzu kommt, dass ETFs als wachstumsstärkstes Marktsegment eine wichtige Rolle bei der Verteilung des Anlegerkapitals auf ethisch und ökologisch korrekte Vermögenswerte spielen. Verantwortungsbewusste Anlagen müssen für alle zugänglich sein – sowohl für institutionelle Investoren als auch für Privatanleger. Schließlich sollte das investierte Kapital auch dazu dienen, Vermögenswerte dort einzusetzen, wo sie am dringendsten benötigt werden. Heike Fürpaß-Peter, Head of ETF Sales, Germany & Austria, Lyxor ETF