"Sichtbare Auswirkungen"
Die DZ Bank hat schon vor dem rechtlichen Vollzug der Fusion mit der WGZ Bank zum August im ersten Halbjahr 2016 von dem Zusammenschluss profitiert. Wie genau und woran das liegt, erläutert Finanzvorstand Cornelius Riese im Interview mit der Börsen-Zeitung.- Herr Riese, die DZ Bank hat kurz vor der Fusion mit der WGZ Bank am 1. August das erste Halbjahr 2016 mit einem um ein Fünftel höheren Vorsteuergewinn von 1,57 Mrd. Euro abgeschlossen. Allerdings gab es fusionsbezogene Einmaleffekte von 363 Mill. Euro. Diese abgezogen hat das Ergebnis stagniert.Wir sind mit einem Ergebnis vor Steuern der DZ Bank ohne Fusionseffekte von 1,2 Mrd. Euro und damit auf Vorjahresniveau sehr zufrieden – insbesondere angesichts des schwierigen Branchenumfelds. Auch die WGZ Bank hat ein gutes erstes Halbjahr hinter sich gebracht und ungefähr 200 Mill. Euro vor Steuern erwirtschaftet.- Wie kann es vor dem rechtlichen Vollzug der Fusion sein, dass schon erste Effekte im Halbjahresfinanzbericht zu sehen sind?In dem für den DZ Bank-Konzern relevanten IFRS-Abschluss stellt die Fusion einen Erwerbsvorgang dar. Das Erwerbsdatum orientiert sich am Zeitpunkt der finalen Beschlüsse Ende Juni 2016 und nicht an dem der Handelsregistereintragung am 29. Juli 2016. Nach IFRS hat die DZ Bank die WGZ Bank nicht als Ganzes erworben, sondern jeden einzelnen Aktiv- und Passivposten. Jedes Gebäude, jeden Kredit, jede emittierte Anleihe. Das sind etwa 600 000 Positionen, die die Aktiv- und Passivseite der WGZ Bank mit in Summe rund 190 Mrd. Euro ausmachen. Hierbei muss jede erworbene Position zum Marktpreis bewertet werden.- Das muss so umständlich gemacht werden?Ja, dies entspricht der Fair-Value-Sicht der internationalen Rechnungslegung; das Vorgehen ist im Standard IFRS 3 festgelegt. In der Praxis hatte dies zur Folge, dass wir für die Bilanz der WGZ Bank faktisch einen zweiten Buchhaltungsmandanten einrichten mussten, in dem alle Aktiv- und Passivposten gespiegelt und neu bewertet wurden. Dieser Prozess wurde bereits nach Ankündigung der Fusion im November 2015 aufgesetzt – im Vertrauen darauf, dass die Fusion auch tatsächlich kommt. Wenn ein Volumen von ca. 190 Mrd. Euro zu Marktpreisen zu bewerten ist, haben auch nur wenige Basispunkte in der Bewertung naturgemäß sichtbare Auswirkungen. Das spiegelt sich in dem in 2016 separat ausgewiesenen “Ergebnis aus Unternehmenszusammenschluss” wider.- Wie etwa die darin enthaltenen 343 Mill. Euro Ertrag aus Eliminierung von Geschäftsbeziehungen.Richtig. Zur Erklärung: Auf Konzernebene werden die Geschäftsbeziehungen zwischen Konzernunternehmen konsolidiert und damit eliminiert. Vor der Fusion hat es zwischen den beiden Zentralinstituten Geschäftsbeziehungen gegeben. Ein typisches Beispiel ist, dass die WL Bank als Teil des WGZ Bank-Konzerns eine Anleihe begeben hat, die die Bausparkasse Schwäbisch Hall als Tochter der DZ Bank gekauft hat. Durch die Fusion wurde diese externe Geschäftsbeziehung nun zu einer internen. Bei der Konzernkonsolidierung treten dann Bewertungsunterschiede auf, wenn die ursprüngliche Bilanzierung in der DZ Bank von der Marktbewertung der erworbenen Gegenseite abweicht. Das Volumen an entsprechenden internen Geschäften umfasst 6 Mrd. Euro, insbesondere Anleihen. Dies sowie die Zinsentwicklung der letzten Jahre ergibt einen bilanztechnisch nicht vermeidbaren Ertrag von 343 Mill. Euro.- Das heißt aber im Umkehrschluss, dass sich daraus künftig wieder Belastungen ergeben könnten?Dieser Effekt wirkt tendenziell zukunftsbelastend. Da beide Institute ihre Zinsänderungsrisiken grundsätzlich aussteuern, stehen den Anleihen derivative Absicherungsgeschäfte mit einem negativen Marktwert gegenüber.- Geschäfte im Umfang von 6 Mrd. Euro sind beachtlich, wohl weil es sich um Beziehungen einer Verbundgruppe handelt. Bei zwei sich fremden Banken gibt es sicherlich weniger Volumen.Absolut. Dieser Effekt ergibt sich aus der hohen Intensität der Geschäftsbeziehungen zweier genossenschaftlicher Zentralbanken schon vor der Fusion.- Zudem gab es positive Bewertungseffekte von 159 Mill. Euro.Wenn Sie alle Aktiv- und Passivposten zu Marktwerten berechnen, dann erhalten Sie ein zu Marktwerten bewertetes Eigenkapital. Dieses wird gemäß IFRS-Vorschriften mit dem Kaufpreis verglichen, der sich auf Basis der Unternehmensbewertung der Wirtschaftsprüfer ergeben hat. Der Kaufpreis lag bei ungefähr 4,7 Mrd. Euro. Der Marktwert des Eigenkapitals des WGZ Bank-Konzerns lag um 159 Mill. Euro höher. Damit ergibt sich ebenfalls ein außerordentlicher Ertrag aus dem Erwerbsvorgang. Solche Unterschiedsbeträge sind nahezu zwangsläufig, da eine Unternehmensbewertung anderen Maßstäben folgt als eine summarische, stichtagsbezogene Bewertung von Einzelpositionen. Im Verhältnis zum Bewertungsvolumen von rund 190 Mrd. Euro entsprechen 159 Mill. Euro acht Basispunkten. Es ist also eine eher marginale Abweichung mit Blick auf das gesamte Bewertungsvolumen.- Könnte sich dieser positive Bewertungseffekt, wie der vorherige Posten der Geschäftsbeziehungen, ebenfalls künftig belastend auswirken?Wir haben den Bewertungsprozess im Rahmen der gegebenen Spielräume konservativ vorgenommen. Wir gehen davon aus, dass beide Bewertungseffekte zusammen mit Blick auf die Zukunft eher neutral wirken werden.- Gibt es noch weitere fusionsbedingte Sondereffekte im Halbjahr, und sind in der Zukunft noch weitere Posten dieser Art in den Zahlenwerken zu erwarten?Auf der Aufwandsseite ist zunächst eine erhöhte Portfoliorisikovorsorge von 80 Mill. Euro zu nennen. Diese ist ebenfalls technisch bedingt und resultiert daher, dass der Erwerb der Kredite der WGZ Bank zu Marktpreisen eine Neubewertung der auf sie entfallenden Portfoliorisikovorsorge erfordert. Andererseits fielen Einmalkosten der Fusion an, die 139 Mill. Euro im Halbjahr ausgemacht haben: Rückstellungen für Personalabbau, Transaktions- und Migrationskosten. Insgesamt rechnen wir – neben den Synergien in Höhe von 150 Mill. Euro per anno – mit Einmalkosten von 300 bis 350 Mill. Euro durch die Fusion. Das Meiste davon fällt in diesem und kommenden Jahr an. Damit wird der Fusionsvorgang bilanziell weitgehend verarbeitet sein.- Was heißt das für den Ausblick?Für 2016 erwarten wir einen Gewinn von gut 2 Mrd. Euro. Die DZ Bank ist jedoch nicht immun gegen die negativen Umfeldfaktoren, insbesondere die Zinspolitik. Insofern werden die nächsten Jahre sicherlich anspruchsvoll.—-Das Interview führte Silke Stoltenberg.