Smart Beta: Jeder Faktor hat seine Zeit

Kombinationen in einem einzigen Index führen zu niedrigeren Schwankungsbreiten und gleichmäßigerer Rendite - Auch Privatanleger können profitieren

Smart Beta: Jeder Faktor hat seine Zeit

Seit einigen Jahrzehnten dienen nach Marktkapitalisierung gewichtete Indizes wie der MSCI ACWI Index (für globale Investments) und der S & P 500 Index (für das Anlegen in US Large Caps) als Grundlage für einen passiven Investmentansatz. Viele Anleger halten dies für eine effiziente Art und Weise, um ein breit angelegtes Engagement in einer Reihe von Aktienmärkten zu erzielen. Dieser traditionelle Ansatz könnte jedoch heutzutage mit Hilfe von fortschrittlicheren Ansätzen für die Indexbildung verbessert werden. Eine dieser Methoden wird als Smart Beta bezeichnet. Sie bildet Indizes auf anderen Grundlagen als der Marktkapitalisierung nach – mit relativ simplen bis zu komplexen Herangehensweisen. Börsennotierte Fonds (ETFs) sollen diese spezifischen Indizes nachbilden.Dieser Artikel soll zum Verständnis von Smart Beta beitragen und einige Charakteristika sowie die Art und Weise, wie Smart Beta im Rahmen eines Portfolios genutzt werden kann, beschreiben. Risiko der ÜberbewertungWussten Sie, dass 26 % der Index-Gewichtung im MSCI ACWI Index auf die 2 % größten Aktien entfallen? Traditionelle Indizes gewichten Aktien auf der Basis der Marktkapitalisierung des jeweiligen Unternehmens. Das heißt, die größten und an der Börse teuersten Unternehmen machen den größten Anteil eines Index aus. Diese Indizes erhöhen außerdem ihre Allokationen in Aktien, deren Kurs steigt, und bauen ihre Allokationen in Titeln ab, deren Kurs fällt – ohne Rücksicht darauf, ob die Aktien über- oder unterbewertet sind. Dies könnte zu erhöhten Konzentrationen bei überbewerteten Titeln führen. Dies sind nur zwei Beispiele, wie sich in einem Portfolio, das sich an nach Marktkapitalisierung gewichteten Indizes orientiert, Konzentrationen bilden können.Mit der Entwicklung von indexorientierten Investments sind neue Methoden der Indexbildung entstanden. Sie bieten zusätzliche Möglichkeiten für Anleger, ein Engagement in bestimmten Marktbereichen zu erzielen. Einer dieser Ansätze wird als Smart Beta bezeichnet. Er basiert auf quantitativen Methoden, die ursprünglich für große institutionelle Anleger konzipiert wurden und seit einiger Zeit in für Privatanleger bestimmten ETFs zur Verfügung stehen. Smart-Beta-Portfolios reichen von recht einfachen bis zu relativ komplexen Strukturen. Einer der einfachsten Ansätze hält Wertpapiere in gleicher Gewichtung, statt sie nach Marktkapitalisierung zu gewichten.Andere bestehen in einem quantitativen Ansatz, der die Positionen im Portfolio systematisch auf der Basis bestimmter Merkmale – Faktoren genannt – analysiert, auswählt, gewichtet und neu strukturiert. Einige konzentrieren sich auf einen einzigen Faktor, andere kombinieren Faktoren in einem einzigen Portfolio.Schon ab 1930 erkannten professionelle Anleger, dass Aktien mit verschiedenen Attributen sich besser als andere entwickelten. Ab 1970 erbrachte die wissenschaftliche Forschung den Beweis, dass bestimmte Faktoren zuweilen zu höheren Renditen führten als der Gesamtmarkt.Heute bilden diese auf quantitativen Faktoren basierten Methoden die Grundlage für Smart-Beta-Indizes, und es wurden ETFs aufgelegt, um ihre Performance nachzubilden. Was ist ein Faktor?Ein Faktor ist ein Hauptmerkmal einer Anlage, das die Entwicklung einer Aktie über einen längeren Zeitraum erklärt. Stellen Sie sich einen Faktor als DNA-Marker einer Anlage vor, der sie veranlasst, auf bestimmte Ereignisse zu reagieren. Er ist die Triebkraft für das Verhalten der Anlage über einen Zeitraum.Aktien können auf Basis ihrer gemeinsamen Hauptfaktoren gruppiert werden. Einige Faktoren haben Anlegern langfristig positive Renditen – eine sogenannte “Renditeprämie” – über die Marktindizes hinaus verschafft, während andere Faktoren enger mit Aktienrisiken verbunden waren.Die folgende Liste beschreibt einige der Faktoren, die über einen Zeitraum eine Renditeprämie geboten haben. Dieselben Faktoren wurden auch zur Basis für Faktorindizes.Einige Anleger neigen womöglich dazu, einen oder zwei Faktoren für ihre Anlage zu wählen, aber auch dieser Ansatz kann mit Höhen und Tiefen verbunden sein. (vgl. Grafik, “Die Performance einzelner Faktoren hat von Quartal zu Quartal geschwankt”) Schwankende PerformanceQualitäts-, Value-, Momentum-Aktien oder Titel mit niedriger Volatilität lagen in oder außerhalb der Gunst, je nach den Marktschwankungen. So war z. B. die niedrige Volatilität der Top-Performer im 3. und 4. Quartal 2014, jedoch zeigte sie im 2. Quartal 2015 die schlechteste Wertentwicklung. Diese Performanceschwankungen können viele Anleger beunruhigen und sie zum Verkauf veranlassen. Dadurch verpassen sie ein potenzielles Wiederanziehen der Performance. Daher ist es verständlich, dass die meisten Anleger nicht die Standhaftigkeit aufbringen, das Auf und Ab durchzustehen. Im Gegenteil, der Versuch, in Anlagen, die sich an Einzelfaktoren orientieren, einzusteigen und vor Marktveränderungen wieder auszusteigen, kann eine Herausforderung darstellen. Daher könnte ein Ansatz, der mehrere Faktoren berücksichtigt, eine attraktive Möglichkeit für langfristige Anlageziele sein. Da die Performance einzelner Faktoren von Quartal zu Quartal erheblich schwanken kann, kann die Kombination mehrerer Faktoren in einem einzigen Index – besonders solcher mit geringer Korrelation in der Vergangenheit – zu einer niedrigeren Schwankungsbreite und gleichmäßigeren, diversifizierten Renditen führen. Ähnlich wie das Smart Beta einzelner Faktoren werden Portfolios mit mehreren Faktoren seit Jahrzehnten wissenschaftlich erforscht. Darüber hinaus profitieren sie von Analysen zur Interaktion verschiedener Faktoren miteinander. Mit Hilfe dieser Analysen kann ein Anlageverwalter über verschiedene Faktoren hinweg diversifizieren, um das Risiko zu mindern und das Renditepotenzial über die Zeit zu steigern.Zusätzliches Research hilft zudem dabei, eine relative Gewichtung der Faktoren in einem Smart-Beta-ETF-Portfolio vorzunehmen. Dies kann wiederum helfen, bestimmte Portfolioeigenschaften und Anlageergebnisse zu erzielen. Ein Anleger, der über ein fortschrittlicheres Multifaktor-Portfolio verfügt, kann eine bessere Diversifikation erzielen, muss keine Marktzyklen zeitlich abpassen und vermeidet Kosten, die mit dem Wechsel von einem Produkt zum anderen verbunden wären. So wie ein Anleger davon profitieren kann, durch Diversifikation aktienspezifische Risiken zu mindern, könnte er von diesem Ansatz des faktororientierten Anlegens profitieren.Ein Smart-Beta-Portfolio beginnt mit einer Liste von Aktien, die Bestandteil eines nach Marktkapitalisierung gewichteten Index sind. Die Faktoranalyse deckt dann diejenigen Aktien auf, die den gewünschten Faktor – oder eine Kombination von Faktoren – aufweisen, welcher bzw. welche dem Research und der Analyse des Anlageverwalters entspricht bzw. entsprechen (sogenannter “spezifischer Index”).Das Portfolio bildet dann den spezifischen Index nach. So ist beispielsweise der MSCI ACWI Index die Grundlage für einige beliebte Indexfonds, die sich an marktkapitalisierungsgewichteten Indizes orientieren. Er ist außerdem die Grundlage für einige Multifaktor-Smart-Beta-Portfolios.Der Unterschied ist, dass mit Smart Beta das Research und die Multifaktor-Analyse des Anlageverwalters auf Aktien im MSCI ACWI Index angewandt wurde, um einen stärker fokussierten spezifischen Index zu erstellen, der ein Engagement an den gewünschten Faktoren aufweist. Aktiv-Passiv-KombinationStellen Sie sich einen Smart-Beta-ETF als einen Fortschritt in der binären Welt der passiven und aktiven Anlageverwaltung vor. Er kombiniert die Attraktivität und die Intuition eines passiven Ansatzes – Transparenz, Diversifikation, eine regelbasierte Methodik und niedrigere Kosten – mit den Erkenntnissen des aktiven Managements.Fazit: Schwierige Zeiten haben viele Anleger dazu veranlasst, stärker auf die Performance des Verwalters im Vergleich zu anderen Verwaltern sowie die Benchmark zu achten – während sich die Voraussetzungen im Markt und in der Wirtschaft kontinuierlich ändern.Über viele Jahre standen quantitative, faktorbasierte Strategien lediglich großen institutionellen Anlegern zur Verfügung. Heute haben die Faktorforschung sowie die Fortschritte bei der Gestaltung von Anlageprodukten diese fortschrittlicheren, indexbasierten Strategien auch für Privatanleger erreichbar gemacht.Nach unserer Meinung stellt dieser Fortschritt in der Indexerstellung und der Portfolio-Gestaltung eine Chance für Anleger dar, die eine bessere Performance ihrer Anlage über die Zeit anstreben, mit geringerer Volatilität – was jeder Anleger attraktiv finden dürfte.—Chandra Seethamraju, Director of Modelling, Franklin Templeton Investments