Smartphone-Banking für Digital Natives

Wie sich das "mobile" Kundenverhalten verändert und neue Ertragsmodelle für Banken ermöglicht

Smartphone-Banking für Digital Natives

Rainer M. ZierhoferPartner bei Horváth & PartnersDaniel BruchManaging Consultant bei Horváth & PartnersDie Adressierung von bestehenden oder die Erschließung neuer Kundensegmente in einem insgesamt gesättigten Markt ist für Banken seit Jahren eine ständige Herausforderung. Im Wettbewerb um die Digital Natives geht es – anders als bei bisherigen Initiativen – um nichts anderes als die langfristige Zukunftsfähigkeit der etablierten Banken im Privatkundengeschäft. Dabei sind die Ausgestaltungsmöglichkeiten vielfältig und mit einer Investitionsplanung für Institute jeder Größenordnung umsetzbar. Die frühzeitige Einbindung der Zielgruppe in eine agile Lösungsentwicklung ist das Erfolgsrezept.Ab 2020 werden Digital Natives, die in einer digitalen Welt groß geworden und mit Smartphones aufgewachsen sind, bereits die Mehrheit der deutschen Bevölkerung ausmachen. Knapp 20 % hiervon sind bereits heute in der für Banken attraktiven Altersspanne zwischen 18 und 36 Jahren. Sie nutzen täglich digitale Produkte und Services im Web oder auf dem Smartphone. Zudem sind sie Spitzenreiter in der Abwicklung von Finanzdienstleistungen über Online- oder mobile Lösungen, wie zum Beispiel Paypal. Damit ist die Bestrebung, sich für diese Zielgruppe attraktiv aufzustellen, ein wichtiger Erfolgsfaktor für die langfristige Daseinsberechtigung der etablierten Banken. Die Herausforderung ist, dass diese Kundengruppe ein komplett anderes Nutzungsverhalten hat, eine geringe Filialnutzung aufweist und dadurch für die meisten Banken kaum präsent und damit greifbar ist. Dadurch laufen traditionelle Banken Gefahr, diese Zielgruppe zu unterschätzen und kein adäquates Angebot vorzuhalten. Das wesentlichste Kommunikationsmedium für diese Zielgruppe sind Smartphones, die das tägliche Nutzerverhalten stark geprägt haben. Suchanfragen, Kommunikation, Konzerttickets oder komplette Urlaubsreisen finden Digital Natives in ihren Apps und anderen benutzerfreundlichen Anwendungen auf ihren Smartphones und anderen mobilen Endgeräten. Finanzdienstleistungen dürfen hierbei nicht fehlen. Denn wenn das Bankkonto nur noch als “Ablage” für das Ersparte herhält, werden Kunden zukünftig das benutzerfreundlichste, nützlichste oder funktionalste Angebot wählen. Sie wählen die Anbieter, die am besten auf ihre spezifischen Anforderungen eingehen und diese mit einem einfachen, bequemen und intuitiven Angebot realisieren. Etablierte Banken werden diesen Rückstand schwer aufholen können, wenn sie nicht bereits heute in ihre Mobile-App-Entwicklung, eine digitale Service-Struktur sowie ein entsprechendes digital- und mobilfähiges Betriebsmodell investiert haben.Die Zielgruppe der Digital Natives ist es gewohnt, jederzeit und überall auf Produkte und Services zuzugreifen, sie zwischen verschiedenen Kanälen zu verbinden oder mit Freunden zu teilen. Die favorisierten Anwendungen unterschiedlicher Dienstleister sind dabei einfach, intuitiv, übersichtlich und emotional. Digital Natives stören sich an komplizierter Bedienung, überfrachteten Angeboten oder vermeintlich einfachen Lösungen im Frontend mit veralteten “versteckten” Abwicklungsprozessen. App-Anwendungen, in denen das klassische Angebot von Banken abgebildet wird, reichen nicht aus.Das Kundenerlebnis steht im Vordergrund: Digital Natives möchten wissen, wie sich eine Leistung “anfühlt” und auch immaterielle Produkte und Services von Banken erleben. Das Smartphone bietet hierfür vielfältige Möglichkeiten, die weit über die einzelne Nutzungssituation hinausgehen und neben funktionalen auch emotionale Aspekte beinhalten, wie z. B. spielerische Elemente. Digital Natives wollen Lösungen mitentwickeln und die Ergebnisse in ihre individualisierte App-Landschaft integrieren. Diese erforderliche Mischung aus Co-Creation und schneller Entwicklung von Prototypen greift agile Entwicklungsansätze wie Design Thinking und Rapid Prototyping auf. Diese neuen Ansätze beinhalten auch eine tiefer gehende Aufnahme und Analyse der spezifischen Kundenerwartungen. Neben neuen Entwicklungsansätzen implizieren die digitalen Anforderungen der Digital Natives für etablierte Banken aber auch die Anstrengung, abseits von starren Segmentierungsmodellen zu denken, in denen entweder Einkommen bzw. Vermögen oder Produktnutzung über das Betreuungsmodell entscheiden. Die träge Adaption der Anforderungen von Digital Natives durch etablierte Banken ist der Nährboden für die Entwicklung von Digital (Native) Banks. Entweder als Optimierung etablierter, meist kleinerer Institute oder als komplett digitaler Ansatz ohne Filialmodell gewinnen Digital Native Banks zunehmende Marktanteile. Die Anfänge dieses Banktyps liegen wieder einmal in den USA mit den Vorreitern Simple Bank und Moven. Mit der Unterstützung globaler Investoren und einer guten Kapitalausstattung entwickelt sich der Markt auch in Europa sehr dynamisch, wie die Beispiele in Großbritannien Monzo, Atom Bank, Starling Bank, Revolut zeigen. Digital Native Banks bieten allerdings nicht nur ein erweitertes Online-Banking, sondern vielmehr eine intelligente Kombination von Echtzeit-Banking-Services mit zahlreichen Produktinnovationen. Letztere erreichen signifikant schneller eine Marktreife als etablierte Banken. Aus Sicht der etablierten Banken sind sie aber nicht nur deshalb ernst zu nehmender Wettbewerb, sondern auch weil sie die Kostenblöcke für Filialen und Mitarbeiter sowie veralteter IT Systeme nicht subventionieren müssen. Neben dem Erhalt der langfristigen Zukunftsfähigkeit der etablierten Banken bietet das Smartphone-Banking vielfältige Möglichkeiten, die Ertragsbasis zu stärken und mit Hilfe eines Trendscoutings kontinuierlich nach neuen oder alternativen Ertragsquellen zu suchen. Bereits der Aufbau der Infrastruktur legt einen wichtigen Grundstein, um initial Ertragspotenziale zu adressieren und in späteren Phasen einfach und schnell Erweiterungen einzuführen, wie zum Beispiel neue Plug-ins oder Kooperationspartner. Aktuelle Praxisbeispiele zeigen, dass die Etablierung einer “Haupt-/Neben-App-Struktur” vorteilhaft ist. Diese geht von einer mobilen “Haupt-App” aus, die eine möglichst breite Zielgruppe anspricht. Sie hat einen schlanken, auf die Zielgruppe angepassten Funktionsumfang und unterscheidet öffentliche von privaten Bereichen. Der öffentlich zugängliche Bereich beinhaltet beispielsweise Kontaktwege oder Geldautomatensuche, während der private Bereich passwortgeschützt Zugang zu den individuell gestalteten Finanzen und Apps ermöglicht. “Neben-Apps” eignen sich für Sonderthemen, wie beispielsweise der Einkauf von Zusatzleistungen.Die Zielgruppe der Digital Natives hat eine geringe Zahlungsbereitschaft für Basis-Dienstleistungen, aber durchaus eine Zahlungsbereitschaft für Zusatzleistungen. Dieses Konsumverhalten wird durch aktuelle Entwicklungen in der Online-Welt angelegt. Für das Preismodell bedeutet dies, dass eine Grundleistung wie Kontoführung kostenfrei sein muss, Zusatzleistungen aber durchaus etwas kosten dürfen. In der Regel bieten daher Digital Native Banks eine kostenlose Kontoführung mit zusätzlichen bezahlten Premium-Paketen an. Auf dieser Grundlage lassen sich weitere Ertragsmodelle für die Zielgruppe gezielt entwickeln. Im Fokus steht die Verbindung bestehender Produkte und Services der Banken mit den (neuen) Bedarfen der Digital Natives. Digital Natives haben einen kurzfristigeren finanziellen Planungshorizont als traditionelle Kunden. In der Regel spart ein Digital Native für kurzfristige und konkrete Konsumausgaben in den kommenden zwei bis drei Jahren. Durch den intensiven Austausch mit den Zielgruppen in der Entwicklungsphase werden aber nicht nur bestehende Produkte und Services neu entdeckt, sondern auch neue Bedarfsfelder gezielt erschlossen. Zum Beispiel werden im Themenfeld “Ausland” durch ortsbezogene Informationen (Geolocation) Leistungen im Reisezahlungsverkehr oder der Reiseversicherung angeboten. Auch der Anschluss von Kryptowährungen an das Smartphone-Banking adressiert die jüngsten Anforderungen der Zielgruppe.Hinzu kommen aussichtsreiche Kooperationen, die Provisionserträge verbreitern können. Zum Beispiel lassen sich Spartöpfe mit einem Online-Händler verbinden. Hier werden auf konkreter Produktebene Sparziele definiert, bei denen der Kunde automatisiert benachrichtigt wird, sobald der benötigte Geldbetrag angespart wurde. Gleichzeitig bietet die Verbindung mit dem Online-Handel auch die Möglichkeit von Kreditangeboten, die digital direkt über die App abgeschlossen werden können. Über eigene Online-Stores für Versicherungen und weitere Plug-ins lassen sich zusätzliche Provisionserträge generieren. Daten zu täglichem finanziellen und nichtfinanziellen Nutzungsverhalten, Ausgabemustern und den definierten Sparzielen ermöglichen zudem zielgerichtete Marketing-Aktivitäten, neue Pricing-Modelle und Kaufprognosen. Diese Funktionalität lässt sich bereits bei ersten Anwendungen für z. B. ZAK der Bank Cler in der Schweiz beobachten. Dabei wurde eine Kooperation mit dem – bei Digital Natives sehr populären – Online-Retailer Siroop geschlossen und Produkte in die App-Anwendung integriert. Der Kauf funktioniert wie ein In-App-Kauf in einer digitalen Spielanwendung. Die ersten Erfahrungen zeigen, dass dies genau den Geschmacksnerv der Zielgruppe trifft und rege nachgefragt wird. Die Bank profitiert von einer Provision für jeden abgeschlossenen Kauf. Banken ist zu empfehlen, in diese (neuen) Zielgruppen zu investieren und spezifische Angebote aufzubauen. Damit sichern sie sich die Kundengruppen von morgen und erschließen neue Ertragsmodelle. Die erfolgreichen First Mover zeigen, dass sich gezielte Investitionen lohnen.Zusammenfassend ist festzustellen, dass kein universelles Zielbild zum Smartphone-Banking für Digital Natives besteht. Erfolgstreiber bleiben die enge Verknüpfung mit der DNA der Bank sowie die Integration der Zielgruppe in die Lösungsentwicklung. Gleichzeitig sollte die Umsetzung zwischen initialer Investitionsentscheidung und mittelfristigem Ausbauplan unterscheiden. Agile Projektmethoden und kreative Lösungsentwicklung eignen sich zur frühen Erprobung von Ideen und zur schnellen Erreichung der Marktreife.